Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Franken noir

Ringelhahn und Voß müssen in „Wo ist Mike?“das Verschwind­en eines Jungen aufklären.

- VON MARLEN KESS

BAMBERG Ein Kind verschwind­et, die Eltern sind verzweifel­t, die Ermittler ratlos, der Druck ist hoch – das Muster j ist bekannt, nicht nur aus dem Sonntagabe­ndkrimi. So ist es auch in „Wo ist Mike?“, dem neunten gemeinsame­n Fall des Franken-duos W Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) – und trotzdem ist dieser „Tatort“von Regisseur Andreas Kleinert und w Drehbuchau­tor Thomas Wendrich unbedingt sehenswert.

Das liegt zum einen an den tollen Bildern – verantwort­lich dafür ist Michael Hammon, bekannt geworden durch die teils schmerzhaf­t realitätsn­ahe Inszenieru­ng für Filme von Andreas Dresen („Halt auf freier Strecke“, „Wolke 9“), im Jahr 2008 bekam er den Bayerische­n Filmpreis. Im Grundton düster und bleischwer flirrt es immer mal wieder aber auch grellweiß oder pink. Dazu kommen ungewöhnli­che Perspektiv­en, zum Beispiel die einer Stubenflie­ge, was weniger albern ist, als es jwjetzt w klingen mag – insgesamt eine überaus gelungene Untermalun­g für einen packenden Fall.

Denn auch die Geschichte nimmt den Zuschauer eigentlich von der ersten Minute an mit. In Bamberg wird ein kleiner Junge vermisst und das schon seit drei Tagen – doch seinen getrennt lebenden Eltern ist das nicht w aufgefalle­n, beide wähnten Mike das Wochenende über beim jeweils anderen. Und beschuldig­en sich jetzt gegenseiti­g, mit dem Verschwind­en etwas zu tun zu haben. Die Mutter (Linda Pöppel) sagt, sie habe das Kind zuletzt an der Villa des Vaters (Andreas Pietschman­n) gesehen, als sie ihn dort abgegeben habe. Dieser wiederum behauptet, sie habe den Kleinen wieder mitgenomme­n.

Oder hat der junge Titus (Simon Frühwirth) etwas mit der Sache zu tun? Er leidet unter psychotisc­hen Schüben und hält sich ebenso wie Mike gern im Wald auf. An dessen Rand wohnt außerdem Rolf Glawogger (Sylvester Groth), ein Lehrer, der zurzeit wegen Missbrauch­svorwürfen seiner Schüler suspendier­t ist. Irgendwie haben alle etwas zu verbergen, es ist kein einfacher „Whodunit“-fall, der hier aufgeworfe­n wird. Denn, so viel darf verraten werden: Mike ist tot, aus der Vermissten­suche wird die Suche nach einem Mörder.

Glawogger spielt aber auch noch aus einem ganz anderen Grund eine große Rolle in diesem Krimi: Ermittleri­n Ringelhahn, deren Privatlebe­n in der Reihe bislang nur wenig thematisie­rt wurde, hat sich verliebt. Knall auf Fall, nach einem Treffen am Freitagabe­nd verbrachte sie gleich die Nacht mit Glawogger, nicht wissend, dass ihr Kollege Voss schon bald wegen des vermissten Kindes vor der Tür stehen wird. Dagmar Manzel spielt dieses kurze, zarte Glück wunderbar leicht und doch verletzlic­h.

Überhaupt ist die Menschlich­keit der beiden Ermittler ein weiterer Trumpf dieses Krimis, überhaupt der gesamten Franken-reihe. Nie lassen sie sich von den Abgründen mitreißen, in die sie mit fortschrei­tender Ermittlung­sarbeit blicken, stets bleiben sie nahbar, sensibel, empathisch. „Egoismus und Neurosen haben in diesem Team keinen Platz“, sagt die zuständige Redakteuri­n Stephanie Hecker. So lässt sich denn auch ein so düsterer und tieftrauri­ger Fall gut ertragen.

„Tatort: Wo ist Mike?“, Das Erste, So., 20.15 Uhr.

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FOTO: MARC REIMANN/BR/CLAUSSEN+PUTZ FILMPRODUK­TION GMBH/DPA Nicht nur die Ermittler Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) nimmt ihr neunter gemeinsame­r Fall ziemlich mit.

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