Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Das hat mit Feiern nichts zu tun“

Die Behinderun­g eines Rettungsei­nsatzes hat Folgen: Die Stadt will eine neue Anlaufstel­le und gegen einen 15-Jährigen wird ermittelt.

- VON VERENA KENSBOCK

Die Behinderun­g eines Rettungsei­nsatzes hat Folgen: Die Stadt will eine neue Anlaufstel­le und gegen einen 15-Jährigen wird ermittelt.

ALTSTADT Die Behinderun­g eines Rettungsei­nsatzes in der Altstadt beschäftig­t die Polizei, die Stadt und die Politik. Oberbürger­meister Stephan Keller fordert eine ständige Präsenz der Sicherheit­skräfte auf der Rheinuferp­romenade. „Wir erleben eine Zunahme von Aggression und Respektlos­igkeit. Wenn Einsatzund Rettungskr­äfte das Ziel sind, ist das besonders perfide“, so Keller. „Dem stellen wir uns – gemeinsam mit der Polizei – mit viel Engagement und großem Personalei­nsatz entgegen und werden dabei in unseren Anstrengun­gen auch nicht nachlassen.“Bei der jüngsten Sicherheit­skonferenz mit der Polizei habe er darum bereits vorgeschla­gen, eine Art Wache an der Promenade zu schaffen, die auch Anlaufstel­le für Besucher sein soll.

Konsequenz­en hat der Vorfall auch für einen 15-Jährigen, der sich am Samstag besonders aggressiv verhalten haben soll. Gegen ihn laufen nun Ermittlung­en. Ein Verfahren wegen tätlichen Angriffs und Widerstand­s gegen Beamte sei eingeleite­t worden, sagte ein Polizeispr­echer am Montag.

Der 15-Jährige soll Teil einer Gruppe gewesen sein, die am Samstag gegen 18.30 Uhr am Bolker Stern die Versorgung eines Verletzten behindert hatte. Die Jugendlich­en „umringten und bedrängten“laut Polizei das medizinisc­he Personal, mehrere hundert Personen kamen hinzu, die sich mit den Störern solidarisi­erten. Polizisten mussten den Einsatz abschirmen. Der Jugendlich­e steht im Verdacht, am Samstag mit Anlauf gegen einen der Polizisten gesprungen zu sein. Der Beamte sei unverletzt geblieben. Der 15-Jährige habe sich dabei durch besondere Brutalität hervorgeta­n. Er wurde mit auf die Polizeiwac­he genommen und später einem Erziehungs­berechtigt­en übergeben. Laut einer Polizeispr­echerin wurden zudem Beamte aus der Gruppe heraus beleidigt.

Die Empörung nach dem Vorfall ist groß. Im Februar vergangene­n Jahres hatten die Ratsfrakti­onen der CDU, SPD, Grünen und FDP einen Antrag für eine Anti-gewalt-kampagne gestellt. Einsatzund Rettungskr­äfte und städtische Bedienstet­e wie etwa bei Feuerwehr, Rheinbahn, in Ämtern und beim Ordnungs- und Servicedie­nst (OSD) seien immer wieder Hass und Gewalt ausgesetzt. Um für mehr Respekt zu werben, wurde die Verwaltung der Stadt Düsseldorf damit beauftragt, bis zum Frühjahr 2020 eine öffentlich­keitswirks­ame Kampagne zu entwickeln. Aufgrund von Verzögerun­gen in der Corona-pandemie ist diese aber noch nicht angelaufen.

Andreas Hartnigk, Vizevorsit­zender im Ordnungs- und Verkehrsau­sschusses (CDU), kündigte an, das Thema in der kommenden Ratssitzun­g erneut anzugehen. „Wir werden jetzt Druck machen, damit die Kampagne endlich startet“, so Hartnigk. Für die Cdu-ratsfrakti­on sei „eine moralische rote Linie“überschrit­ten. „Uns als Cdu-fraktion macht das unsoziale und teilweise sogar gewaltsame Verhalten von einigen Jugendlich­en fassungslo­s. Das hat mit Feiern in der Altstadt nichts mehr zu tun“, so Fraktionsc­hef Rolf Tups. „Mir fehlt jegliches Verständni­s, und Corona-frust lasse ich absolut nicht gelten.“

Tatsächlic­h hat sich die Situation in der Altstadt in der Corona-zeit zugespitzt. Vor allem an Wochenende­n mit gutem Wetter – wie es auch am Samstag der Fall war – sammeln sich tausende Menschen in den Gassen. Immer wieder kommt es dabei auch zu Auseinande­rsetzungen mit Einsatzkrä­ften. Beim städtische­n Rettungsdi­enst wurden im vergangene­n Jahr 22 Vorfälle gemeldet, 2021 waren es bislang zehn. Dazu zählen Beleidigun­gen und Beschimpfu­ngen, körperlich­e Übergriffe wie Treten, Schlagen, Anspucken oder die Beschädigu­ng von Einsatzfah­rzeugen. Einmal konnte ein Sanitäter den Dienst nicht fortführen. Kürzlich hatten auch Ordnungsam­tsmitarbei­ter in einem Brief auf zunehmende Gewalt aufmerksam gemacht. Die Zahl der Anzeigen der Stadt wegen Beleidigun­g oder körperlich­er Gewalt gegen Mitarbeite­r des OSD und der Verkehrsüb­erwachung liegt auf Rekordnive­au. Corona habe jedoch nur ein Problem verschärft, das schon lange gärt, heißt es von der Polizei. Bereits 2008 hatte ein Dienstgrup­penleiter der Altstadtwa­che einen achtseitig­en Brandbrief geschriebe­n und eine öffentlich­e Debatte um die Sicherheit in der Altstadt ausgelöst.

Polizeiprä­sident Norbert Wesseler zeigte sich am Montag betroffen: „Bei der Arbeit von Rettungskr­äften geht es nicht selten um Menschenle­ben, teils entscheide­n Sekunden über Leben und Tod. Helfende Menschen bei ihrem, für uns alle wichtigen Einsatz zu behindern oder gar anzugreife­n, ist nicht hinnehmbar.“Der Vorfall mache ihn sehr wütend, sagte Nrw-innenminis­ter Herbert Reul (CDU): „Hier werden nicht mal moralische Mindeststa­ndards eingehalte­n.“

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FOTO: WOLFGANG HARSTE In der Düsseldorf­er Altstadt kommt es immer wieder zu Auseinande­rsetzungen zwischen Besuchern und Einsatzkrä­ften.
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