Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Ärzte begrüßen Impffreiga­be für Kinder

Die Ständige Impfkommis­sion ändert ihre Empfehlung und rät, alle Zwölf- bis 17-Jährigen zu impfen. Nordrhein-westfalen will nun die Verabreich­ung in Impfzentre­n erleichter­n. Apotheker raten, auch die Impfung für Schwangere zu empfehlen.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Kurz vor dem Schulstart in Nordrhein-westfalen spricht die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) eine Corona-impfempfeh­lung für alle Zwölf- bis 17-Jährigen aus. Auf Grundlage neuer Daten, insbesonde­re aus dem Us-impfprogra­mm mit fast zehn Millionen Kindern, könnten mögliche Risiken nun zuverlässi­ger beurteilt werden, teilte die Stiko am Montag mit.

Man sei daher zu dem Schluss gekommen, dass auch bei Kindern die Vorteile der Impfung das Risiko von sehr seltenen Nebenwirku­ngen überwögen. Bislang hatte das beim Robert-koch-institut (RKI) angesiedel­te Gremium eine Impfung nur für Kinder mit Vorerkrank­ungen empfohlen, obwohl die EU die Impfstoffe von Biontech und Moderna für alle ab zwölf Jahren zugelassen hat. In Nordrhein-westfalen sind erst 16,2 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen vollständi­g geimpft.

„Eltern und Jugendlich­e haben damit eine klare Empfehlung, sich für die Impfung zu entscheide­n“, sagte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU). Auch in NRW ist man erleichter­t: „Die Stiko hat sehr lange gewartet, damit hat sie es für viele Kinder über zwölf schwer gemacht, eine Impfung zu erhalten. Umso mehr begrüße ich den Schritt jetzt“, stellte der Spd-gesundheit­sexperte Karl Lauterbach fest. „Die Impfung schützt das Leben der Kinder. Covid-19 geht an den Kindern nicht vorbei, in Großbritan­nien liegen auch Kinder mit schweren Verläufen in den Kliniken.“Zudem würde ohne Impfung bei Kindern sehr viel Unterricht ausfallen, das müsse verhindert werden.

Vakzine sind vorhanden, die Kinder können auf drei Wegen geimpft werden: beim Kinder- oder Hausarzt, im Impfzentru­m oder in Schulen, die Stützpunkt­e für Impfaktion­en sind. Das Nrw-gesundheit­sministeri­um prüft nun den Entwurf der Stiko und will seinen Erlass anpassen. Bisher können Impfzentre­n die Impfung von Kindern nach ausführlic­her Beratung anbieten. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Nordrhein (KV) mahnt zur Eile: „Um vor dem Herbst noch viele weitere Kinder zu immunisier­en, wäre es wichtig, dass das offizielle Stellungna­hme-verfahren zur Stiko-empfehlung schnell abgeschlos­sen wird. Dann gäbe es für die Ärzte weitere Rechtssich­erheit. Das Impftempo könnte anziehen.“

Wie Erwachsene erhalten Kinder zwei Dosen. Bei Biontech wird ein Abstand von drei bis sechs Wochen empfohlen. Die Impfung bietet Schutz vor der Infektion, insbesonde­re vor schweren Verläufen. Geimpfte Schüler erhalten wie Erwachsene ihre Freiheiten beim Besuch von Veranstalt­ungen zurück.

In Nordrhein-westfalen müssen Schüler, die den vollständi­gen Impfschutz haben, nicht mehr an den Corona-testungen in der Schule teilnehmen. Die möglichen Nebenwirku­ngen sind laut RKI gering: „Die Reaktionen waren größtentei­ls mild bis moderat ausgeprägt.“Wie Erwachsene klagten auch die in der Zulassungs­studie für Biontech untersucht­en Kinder über Abgeschlag­enheit (78 Prozent), Kopfschmer­z (76 Prozent), Schüttelfr­ost (49 Prozent), Muskelschm­erzen (42 Prozent), Fieber (24 Prozent). Zugleich betonte das RKI: „Schwere unerwünsch­te Ereignisse wie zum Beispiel Thrombosen traten nicht auf.“

Die Stiko mahnte, den Besuch von Schulen und Sportverei­nen nicht an die Impfung zu binden: „Die Stiko spricht sich ausdrückli­ch dagegen aus, dass bei Kindern und Jugendlich­en eine Impfung zur Voraussetz­ung sozialer Teilhabe gemacht wird.“Eine Impfpflich­t solle es weiterhin nicht geben, bekräftigt­e die Bundesregi­erung.

Lauterbach hofft, dass es bald auch für jüngere Kinder einen Impfstoff gibt: „Hersteller wie Biontech treiben auch die Studien für Kinder unter zwölf voran. Das ist gut, wir sollten auch jüngere Kinder schützen, wenn die Studien die Sicherheit auch in dieser Altersgrup­pe zeigen.“Biontech will im Herbst erste Ergebnisse vorlegen. Der Chef des Apothekerv­erbands Nordrhein, Thomas Preis, ermunterte die Stiko, nun auch eine generelle Empfehlung für Schwangere auszusprec­hen: „Es ist gut, dass Eltern und Kinderärzt­e jetzt mit Rückenwind der Stiko Kinder impfen lassen können. Es wäre jetzt gut, wenn eine ebensolche Impfempfeh­lung auch für Schwangere folgen könnte.“

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