Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Die Realität erreicht den Elfenbeinturm
Jetzt also doch: Nach langer Prüfung empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko), dass alle Kinder zwischen zwölf und 17 geimpft werden. Während Länder wie die USA schon Millionen Kinder impften, ließen die deutschen Professoren sich Zeit. Das war ärgerlich, zumal die Eu-behörde bereits zwei Vakzine uneingeschränkt zugelassen hat. Die Bedenkenträgerei hat wertvolle Zeit gekostet. Damit hatte die Stiko schon zum Astrazeneca-debakel beigetragen. Viele Kinderärzte fühlen sich der Stiko verpflichtet und hielten sich zurück. Eltern, die ihre Kinder noch vor dem Start des Schuljahres schützen wollten, erhielten oft nur mit Glück oder Beziehungen einen Termin. Das ist nun vorbei. Die Stiko hat ihre Meinung geändert – besser spät als nie.
Gewiss: Die Stiko ist unabhängig, und bei manchem Druck, den Politiker ausgeübt haben, war auch Kalkül im Spiel. Verärgerte Eltern sind bei der Bundestagswahl ein Risiko. Dennoch war es richtig, dass Markus Söder und Karl Lauterbach der Stiko immer wieder Dampf machten. Es geht nicht um die Wahl, es geht um den Schutz der Kinder. Diese starten nun in das dritte Schuljahr, in dem die Pandemie ihren Alltag bestimmt. Weil das Virus nicht lockerlässt, weil Impfstoff lange knapp war, weil Erwachsene sich nicht impfen lassen wollen – aus Bequemlichkeit oder weil sie an Ammenmärchen wie „Impfen macht unfruchtbar“glauben. Eine Impfpflicht in der Schule darf es weiter nicht geben. Aber alle Eltern sollten jetzt ihren Kindern die Chance geben, sich zu schützen. Denn die bittere Wahrheit bleibt: Wer sich nicht impfen lässt, wird sich infizieren. Eine Durchseuchung der Schulen und erneutes Homeschooling sind keine Alternativen. Gut, dass diese Erkenntnis nun im Elfenbeinturm angekommen ist. Nun wäre es schön, wenn die Stiko auch für Schwangere die Unsicherheit beendet. BERICHT ÄRZTE BEGRÜSSEN IMPFFREIGABE, TITELSEITE