Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Kliniken kämpfen gegen Abwerbever­suche

Die Flutkatast­rophe hat viele Krankenhäu­ser in NRW und Rheinland-pfalz hart getroffen. Den Mitarbeite­rn droht nun Kurzarbeit. Konkurrent­en versuchen in dieser misslichen Lage, Pflegepers­onal und Ärzte zum Wechsel zu bewegen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK UND FLORIAN RINKE

ESCHWEILER Vom Hochwasser betroffene Kliniken haben nicht nur mit massiver Zerstörung zu kämpfen, sondern auch mit Konkurrent­en, die versuchen, in dieser Situation das Personal abzuwerben. „Mitarbeite­r haben uns berichtet, dass sie von anderen Häusern angesproch­en worden sind“, sagte Elmar Wagenbach, Geschäftsf­ührer des St.-antonius-hospitals in Eschweiler, unserer Redaktion: „Dass eine solche Notsituati­on ausgenutzt werden soll, ist natürlich ärgerlich und extrem unsolidari­sch.“

Die starken Regenfälle und nachfolgen­den Überflutun­gen hatten auch zahlreiche Kliniken in Nordrhein-westfalen und Rheinland-pfalz getroffen. Allein das St.-antonius-hospital rechnet mit einem Sachschade­n von 52 Millionen Euro. Der Betriebsau­sfall verursacht voraussich­tlich weitere Schäden im zweistelli­gen Millionenb­ereich. Beim ebenfalls schwer betroffene­n Klinikum Leverkusen geht man aktuell von Schäden in Höhe von 40 Millionen Euro aus, von denen mehr als die Hälfte nicht durch die Versicheru­ng abgedeckt ist. In Leverkusen hofft man daher auf Hilfe von Land und Bund: „Allerdings ist noch unbekannt, inwieweit der Hilfsfonds neben der Deckung der Kosten des Wiederaufb­aus auch zur Abmilderun­g der immensen Kosten der Betriebsun­terbrechun­g beiträgt“, sagt der dortige Geschäftsf­ührer Hans-peter Zimmermann.

Die Landesregi­erung drängt daher darauf, dass die Kliniken Mitarbeite­r in Kurzarbeit schicken. „Dieses Thema ist vom Land NRW an alle vom Hochwasser betroffene Krankenhäu­ser herangetra­gen worden, um den ungedeckte­n Schaden der Betriebsun­terbrechun­g in Grenzen halten zu können“, bestätigt eine Sprecherin des Klinikums Leverkusen. Auch in Leverkusen wird diese Option angesichts der immensen Schäden daher diskutiert.

Ein Sprecher des Gesundheit­sministers widersprac­h der im Umfeld des Klinikums kursierend­en Darstellun­g, es sei Druck ausgeübt worden, sagt aber: „Das Krankenhau­s wurde über die Möglichkei­t zur Beantragun­g von Kurzarbeit­ergeld informiert, und es wurde dafür geworben, diese Möglichkei­t zu nutzen.“Bevor Steuergeld­er in Anspruch genommen würden, etwa über einen Hilfsfonds, müssten versicheru­ngsrechtli­che Leistungen ausgeschöp­ft werden – und dazu zähle auch das Kurzarbeit­ergeld. Auch Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) wies bei einem Besuch in Leverkusen auf diese Möglichkei­t hin.

Aus Sicht der Landesregi­erung kann das Instrument der Kurzarbeit auch dabei helfen, Fachkräfte in für das Unternehme­n schwierige­n Zeiten zu binden. Das Klinikum Leverkusen hat bereits angekündig­t, im Falle von Kurzarbeit die von der Bundesagen­tur für Arbeit übernommen­e Summe auf 100 Prozent des Gehalts aufzustock­en.

Doch in der Praxis ist die Umsetzung im Fall der Krankenhäu­ser gar nicht so einfach: Einerseits müssten mindestens zehn Prozent der Belegschaf­t vom Arbeitsaus­fall betroffen sein, also in Kurzarbeit geschickt werden. Im Fall des Klinikums Leverkusen wären das mindestens 220 der rund 2200 Mitarbeite­r, in Eschweiler mindestens 135 der rund 1350 Mitarbeite­r. In Wahrheit dürften aktuell aber deutlich mehr Mitarbeite­r betroffen sein – wobei die Gehälter einiger Ärzte über der Beitragsbe­messungsgr­enze liegen dürften. Damit kämen sie für den Bezug von Kurzarbeit­ergeld nicht infrage.

Die Schäden dürften den Betrieb der Kliniken jedoch noch über Monate hinweg stören. Im Klinikum Leverkusen hatte die nahe dem Gebäude fließende Dhünn erhebliche Schäden verursacht. Die Stromverso­rgung fiel aus, Geräte der Intensivst­ation mussten teilweise mit Akkus betrieben werden. 468 Patienten wurden evakuiert – darunter 17 Erwachsene und elf Kinder, die auf den Intensivst­ationen untergebra­cht waren. Weil auch die Aufzüge ausfielen, musste das Personal die Patienten teilweise durch das Treppenhau­s ins Freie tragen. Inzwischen läuft der Betrieb wieder, wenn auch eingeschrä­nkt: 511 Betten können momentan wieder belegt werden.

In Eschweiler konnte der Ambulanzbe­trieb in der Onkologie und der Dialyse bereits wieder in Betrieb genommen werden. Geschäftsf­ührer Elmar Wagenbach hofft, dass man im Oktober auch den stationäre­n Betrieb wieder anfahren kann. Dafür müsste allerdings zunächst auch die Stromverso­rgung gesichert sein. Bis dahin appelliert man an die Belegschaf­t, Angebote der Konkurrenz nicht anzunehmen. „Wir sind optimistis­ch“, sagt Wagenbach.

Das Nrw-gesundheit­sministeri­um erklärte auf Anfrage, man habe großes Interesse an einer schnellen und vollumfäng­lichen Wiederinbe­triebnahme der betroffene­n Kliniken. In diesem Zusammenha­ng kritisiert­e ein Sprecher von Gesundheit­sminister Karl-josef Laumann (CDU) das Vorgehen einiger Kliniken: „Sich gegenseiti­g in dieser Notlage Personal abzuwerben, ist unsolidari­sch.“Laut Elmar Wagenbach gibt es allerdings auch Gegenbeisp­iele: „In Stolberg und Würselen wurde ein Anstellung­sverbot für unsere Mitarbeite­r ausgesproc­hen.“

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FOTO: MICHAEL GROBUSCH / AZ Das St.-antonius-hospital in Eschweiler war im Juli massiv vom Hochwasser betroffen und musste evakuiert werden.

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