Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Kliniken kämpfen gegen Abwerbeversuche
Die Flutkatastrophe hat viele Krankenhäuser in NRW und Rheinland-pfalz hart getroffen. Den Mitarbeitern droht nun Kurzarbeit. Konkurrenten versuchen in dieser misslichen Lage, Pflegepersonal und Ärzte zum Wechsel zu bewegen.
ESCHWEILER Vom Hochwasser betroffene Kliniken haben nicht nur mit massiver Zerstörung zu kämpfen, sondern auch mit Konkurrenten, die versuchen, in dieser Situation das Personal abzuwerben. „Mitarbeiter haben uns berichtet, dass sie von anderen Häusern angesprochen worden sind“, sagte Elmar Wagenbach, Geschäftsführer des St.-antonius-hospitals in Eschweiler, unserer Redaktion: „Dass eine solche Notsituation ausgenutzt werden soll, ist natürlich ärgerlich und extrem unsolidarisch.“
Die starken Regenfälle und nachfolgenden Überflutungen hatten auch zahlreiche Kliniken in Nordrhein-westfalen und Rheinland-pfalz getroffen. Allein das St.-antonius-hospital rechnet mit einem Sachschaden von 52 Millionen Euro. Der Betriebsausfall verursacht voraussichtlich weitere Schäden im zweistelligen Millionenbereich. Beim ebenfalls schwer betroffenen Klinikum Leverkusen geht man aktuell von Schäden in Höhe von 40 Millionen Euro aus, von denen mehr als die Hälfte nicht durch die Versicherung abgedeckt ist. In Leverkusen hofft man daher auf Hilfe von Land und Bund: „Allerdings ist noch unbekannt, inwieweit der Hilfsfonds neben der Deckung der Kosten des Wiederaufbaus auch zur Abmilderung der immensen Kosten der Betriebsunterbrechung beiträgt“, sagt der dortige Geschäftsführer Hans-peter Zimmermann.
Die Landesregierung drängt daher darauf, dass die Kliniken Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. „Dieses Thema ist vom Land NRW an alle vom Hochwasser betroffene Krankenhäuser herangetragen worden, um den ungedeckten Schaden der Betriebsunterbrechung in Grenzen halten zu können“, bestätigt eine Sprecherin des Klinikums Leverkusen. Auch in Leverkusen wird diese Option angesichts der immensen Schäden daher diskutiert.
Ein Sprecher des Gesundheitsministers widersprach der im Umfeld des Klinikums kursierenden Darstellung, es sei Druck ausgeübt worden, sagt aber: „Das Krankenhaus wurde über die Möglichkeit zur Beantragung von Kurzarbeitergeld informiert, und es wurde dafür geworben, diese Möglichkeit zu nutzen.“Bevor Steuergelder in Anspruch genommen würden, etwa über einen Hilfsfonds, müssten versicherungsrechtliche Leistungen ausgeschöpft werden – und dazu zähle auch das Kurzarbeitergeld. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wies bei einem Besuch in Leverkusen auf diese Möglichkeit hin.
Aus Sicht der Landesregierung kann das Instrument der Kurzarbeit auch dabei helfen, Fachkräfte in für das Unternehmen schwierigen Zeiten zu binden. Das Klinikum Leverkusen hat bereits angekündigt, im Falle von Kurzarbeit die von der Bundesagentur für Arbeit übernommene Summe auf 100 Prozent des Gehalts aufzustocken.
Doch in der Praxis ist die Umsetzung im Fall der Krankenhäuser gar nicht so einfach: Einerseits müssten mindestens zehn Prozent der Belegschaft vom Arbeitsausfall betroffen sein, also in Kurzarbeit geschickt werden. Im Fall des Klinikums Leverkusen wären das mindestens 220 der rund 2200 Mitarbeiter, in Eschweiler mindestens 135 der rund 1350 Mitarbeiter. In Wahrheit dürften aktuell aber deutlich mehr Mitarbeiter betroffen sein – wobei die Gehälter einiger Ärzte über der Beitragsbemessungsgrenze liegen dürften. Damit kämen sie für den Bezug von Kurzarbeitergeld nicht infrage.
Die Schäden dürften den Betrieb der Kliniken jedoch noch über Monate hinweg stören. Im Klinikum Leverkusen hatte die nahe dem Gebäude fließende Dhünn erhebliche Schäden verursacht. Die Stromversorgung fiel aus, Geräte der Intensivstation mussten teilweise mit Akkus betrieben werden. 468 Patienten wurden evakuiert – darunter 17 Erwachsene und elf Kinder, die auf den Intensivstationen untergebracht waren. Weil auch die Aufzüge ausfielen, musste das Personal die Patienten teilweise durch das Treppenhaus ins Freie tragen. Inzwischen läuft der Betrieb wieder, wenn auch eingeschränkt: 511 Betten können momentan wieder belegt werden.
In Eschweiler konnte der Ambulanzbetrieb in der Onkologie und der Dialyse bereits wieder in Betrieb genommen werden. Geschäftsführer Elmar Wagenbach hofft, dass man im Oktober auch den stationären Betrieb wieder anfahren kann. Dafür müsste allerdings zunächst auch die Stromversorgung gesichert sein. Bis dahin appelliert man an die Belegschaft, Angebote der Konkurrenz nicht anzunehmen. „Wir sind optimistisch“, sagt Wagenbach.
Das Nrw-gesundheitsministerium erklärte auf Anfrage, man habe großes Interesse an einer schnellen und vollumfänglichen Wiederinbetriebnahme der betroffenen Kliniken. In diesem Zusammenhang kritisierte ein Sprecher von Gesundheitsminister Karl-josef Laumann (CDU) das Vorgehen einiger Kliniken: „Sich gegenseitig in dieser Notlage Personal abzuwerben, ist unsolidarisch.“Laut Elmar Wagenbach gibt es allerdings auch Gegenbeispiele: „In Stolberg und Würselen wurde ein Anstellungsverbot für unsere Mitarbeiter ausgesprochen.“