Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Das Wettschießen hat begonnen
Im Supercup wird zwischen Dortmund und Bayern am Dienstagabend der erste Titel der neuen Saison ausgespielt. Im Blickpunkt stehen dabei die beiden Ausnahmestürmer Erling Haaland und Robert Lewandowski.
DORTMUND Neuerdings trägt er das längere blonde Haupthaar zu einem kleinen Knotenzopf am Hinterkopf gebändigt. Sonst ist alles beim Alten. Erling Haaland schießt Tore am Fließband – zuletzt zwei beim 5:2 gegen Eintracht Frankfurt, zu den drei weiteren Treffern von Borussia Dortmund leistete er die Vorarbeit. Robert Lewandowski kam äußerlich unverändert aus der Sommerpause, auch die Haartracht ist die gleiche. Er traf ebenfalls zum Bundesligauftakt, allerdings nur einmal beim 1:1 seines FC Bayern bei Borussia Mönchengladbach. Die beiden Stürmer sind mit einiger Sicherheit die Hauptpersonen im ersten Titel-duell der jungen Saison, beim Supercup am Dienstag (20.30 Uhr/sat.1) in Dortmund.
Es ist ein Vorgeschmack auf das gesamte Spieljahr. Die meisten Experten erwarten, dass der BVB diesmal den Bayern viel dichter auf die Pelle rücken kann, und die Dortmunder gehen die Saison alles andere als kleinlaut an. „Wenn man in Dortmund spielt, mit diesen Fans, dann brauchen wir nicht über zweite oder dritte Plätze zu reden“, sagt Kapitän Marco Reus. Er kann ausgeruht und ohne Em-strapazen in den Beinen eine große Hilfe auf dem Weg zu einem großen Ziel sein.
Im Blickpunkt aber steht der Zweikampf der großen Torjäger, der auch ein Zweikampf der Generationen ist. Haaland ist erst 21, Lewandowski immerhin schon 32. Der Pole geht als zweifacher Titelverteidiger in die nächsten Monate. Er hat vergangene Saison die unglaubliche Marke von Gerd Müller um ein Tor übertroffen, mit 41 Bundesliga-treffern schuf er einen neuen Rekord, und er ist deutscher Meister. Der Norweger Haaland traf immerhin 27 Mal. Und er darf auf eine in seinem zarten Alter schwer fassbare Quote von 62 Toren in 61 Spielen für Borussia Dortmund verweisen. Zwei Giganten stehen sich da gegenüber, das darf man trotz Haalands Jugend feststellen.
Es ist nicht das erste große Torjäger-duell der Bundesliga-geschichte. Als die Liga laufen lernte vor fast 60 Jahren, war das Hamburger Fußballidol Uwe Seeler zunächst der Branchenführer, an dem sich die Herausforderer messen lassen mussten. Lothar Emmerich war einer von ihnen. Der Dortmunder, der seine Kollegen mit dem legendären Satz „Gib mich die Kirsche“zum Abspiel aufforderte, setzte sich 1966 nach 31 Bundesligatoren die Krone des Torschützenkönigs auf. In diesem Jahr gewann er mit dem BVB den Europapokal der Pokalsieger und erzielte bei der Weltmeisterschaft in England gegen Spanien einen unglaublichen Treffer fast von der Torauslinie.
Dann begann die Ära des am Sonntag verstorbenen Gerd Müller. Seine Tore brachten Bayern München auf ein neues Niveau, und in der Regel setzte sich der vom Boulevard zum „Bomber der Nation“ernannte Stürmer am Ende der Bundesliga-spielzeiten die Krone auf. Aber auch er hatte Konkurrenten. Jupp Heynckes von Borussia Mönchengladbach war einer, er landete einmal gleichauf mit Müller auf dem Thron, einmal übertraf er den Bayern.
In den späten 1970er Jahren betrat ein weiterer Müller, Vorname Dieter, die Bühne. 1977 war der Kölner erfolgreichster Torschütze der Bundesliga, ein Jahr später lag wieder der Namensvetter aus München vorn.
In den 1980ern lieferten sich die Nationalspieler Karl-heinz Rummenigge (Bayern), Klaus Allofs (Köln und Düsseldorf ) und Rudi Völler Wettläufe an der Spitze der Torjägerliste. Sie alle wurden durch die Erfolge der jeweils anderen besser. Die große Zeit der deutschen Mittelstürmer aber bewegte sich zunächst kaum bemerkt dem Ende zu. Die Bundesliga wurde für ausländische Spieler attraktiver, und die Zugänge aus anderen Ländern schrieben nun die Geschichten – wie Lewandowski und Pierre-emerick Aubameyang, die sich in den Zeiten vor Haaland den vorerst letzten großen Zweikampf lieferten. Der Dortmunder Aubameyang gewann das Duell 2016/17 mit 31 Toren. Seither läuft Lewandowski der Konkurrenz in einer eigenen Liga davon.
Das könnte sich ändern, wenn Haaland weiter alle Versprechen einlöst, die er mit seinem energiegeladenen Spiel gibt. Zuletzt hat der explosive Brocken sogar die Schönheiten des Assistenzwesens für sich entdeckt, als er seinen Nebenleuten in großer Klasse die Bälle auflegte. Im Zweifelsfall aber wird er sich immer noch für den eigenen Torerfolg entscheiden. So sind die Spieler seines Kalibers. Lewandowski ist schon lange so, auch wenn er sich zuletzt ebenfalls stärker ins Mannschaftsspiel einbezogen hat. Wie sagt Dortmunds Trainer Marco Rose: „Ohne die Jungs drumherum wäre auch Haaland nichts.“Ohne die Torjäger wären aber auch die Mannschaften zumindest viel weniger.