Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Was Schwangere zur Impfung wissen sollten

In Großbritan­nien empfiehlt man werdenden Müttern mit großem Nachdruck, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Hintergrun­d dafür ist die sich ausbreiten­de Delta-variante. Wie sehen die Empfehlung­en für Schwangere und Stillende hierzuland­e aus?

- VON TANJA WALTER

Die Empfehlung im Vereinigte­n Königreich ist eindeutig und eindringli­ch: Gemeinsam raten die britische Regierung sowie die dortigen Gesundheit­sbehörden Schwangere­n zur Impfung gegen das Coronaviru­s. Grund dafür ist eine neue Studie der Universitä­t Oxford. Diese stellt in Zusammenha­ng mit der Verbreitun­g der Delta-variante bei ungeimpfte­n Schwangere­n ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf fest. Nachfolgen­d die wichtigste­n Fragen und Antworten rund um die neuen Ergebnisse und die Empfehlung­en für Schwangere in Deutschlan­d.

Was sagt die Studie aus Oxford über das Risiko Schwangere­r?

Durch die Verbreitun­g der Delta-variante hat sich das Risiko für ungeimpfte Schwangere, schwer an Corona zu erkranken und im Krankenhau­s behandelt werden zu müssen, stark erhöht. 99 Prozent der ins Krankenhau­s aufgenomme­nen Schwangere­n mit Corona-symptomen waren laut der Studie nicht geimpft. Zum Vergleich: In der Allgemeinb­evölkerung sind nur 60 Prozent der Patienten, die mit Covid-19 ins Krankenhau­s kommen, ungeimpft. Jede Zehnte musste intensivme­dizinisch behandelt werden. Eine von fünf Schwangere­n erlitt eine Fehlgeburt. Grundlage der bislang lediglich als Vorabveröf­fentlichun­g erschienen­en Studie sind die Daten von 3371 Schwangere­n, die von Beginn der Pandemie bis Juli 2021 mit Corona-symptomen stationär aufgenomme­n wurden.

Welche Probleme treten laut der Studie besonders auf?

Im Vergleich zu der zuvor hauptsächl­ich grassieren­den Alpha-variante müssen Schwangere bei der Delta-variante nicht nur häufiger intensivme­dizinisch behandelt, sondern auch beatmet werden. Sie entwickeln nach der Infektion mit der Delta-variante häufiger als bei früheren Virusvaria­nten, wie beispielsw­eise der Alpha-variante, eine Lungenentz­ündung.

Wie hoch ist der Anteil an DeltaInfek­tionen in Deutschlan­d?

Auch hierzuland­e hat sich die Delta-variante durchgeset­zt. Ihr Anteil unter allen Neuinfekti­onen liegt laut RKI bei mehr als 90 Prozent. Gut 57 Prozent der Deutschen sind durch ihre vollständi­ge Impfung auch vor dieser Variante, vor allem aber vor schweren Verläufen geschützt. Allerdings befinden sich unter ihnen kaum Schwangere. Der Grund: Es gibt keine Impfempfeh­lung für sie. Demnach impfen Ärzte nur in Einzelfäll­en nach vorheriger Risikoabwä­gung.

Wie viele Schwangere sind bislang in Deutschlan­d geimpft?

Das lässt sich nicht sagen. Schwangere werden nach Informatio­nen des Robert-koch-instituts und der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein in der Impfstatis­tik nicht gesondert erfasst.

Was empfiehlt die Stiko Schwangere­n in Deutschlan­d?

Die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) empfiehlt aufgrund nicht ausreichen­der Datenlage derzeit keine generelle Impfung in der Schwangers­chaft. Bei Schwangere­n mit Vorerkrank­ungen könne im Einzelfall jedoch eine Nutzen-risiko-abwägung erfolgen. Ihnen wird dann ab dem zweiten Trimenon zur Impfung – also zwischen der 14. und 27. Schwangers­chaftswoch­e – zur Impfung geraten. „Die Stiko wird wahrschein­lich nicht vor September auf aktuelle Studien reagieren, da die entspreche­nden Arbeitsgru­ppen sich vorher nicht treffen“, sagt Ekkehard Schleußner, Vizepräsid­ent der Deutschen Gesellscha­ft für Perinatale Medizin.

Wann wird Schwangere­n zur Impfung geraten?

Bei Risikoschw­angerschaf­ten und verschiede­nen Vorerkrank­ungen wie Diabetes, Bluthochdr­uck, chronische­n Lungenerkr­ankungen, Autoimmune­rkrankunge­n, Adipositas oder wenn die Mutter älter als 35 Jahre ist.

Wird Stillenden die Impfung empfohlen?

Jein. Die elf deutschen geburtsmed­izinischen und gynäkologi­schen Fachgesell­schaften zur Geburtsmed­izin raten Stillenden klar zur Impfung. Die Stiko hingegen bezeichnet es lediglich als unwahrsche­inlich, „dass eine Impfung der Mutter während der Stillzeit ein Risiko für den Säugling darstellt“. Eine eindeutige Empfehlung für den Piks spricht die Kommission aufgrund schlechter Datenlage allerdings nicht aus.

Können Geimpfte ihr Baby stillen? Forschungs­ergebnisse der Universitä­t Harvard und des Massachuse­tts General Hospital in Boston lassen das Stillen nach der Impfung sinnvoll erscheinen. Die Wissenscha­ftler wiesen in der Muttermilc­h geimpfter Frauen Antikörper gegen das Coronaviru­s nach. Das deutet darauf hin, dass Mütter auch nach der Geburt ihre Babys durch Stillen vor einer Infektion schützen können. Die Sorge, mrna-spuren aus Covid-impfstoffe­n könnten durch die Impfung Stillender in die Muttermilc­h übergehen, scheint nach den Ergebnisse­n einer kleinen Studie der University of California hingegen unbegründe­t. Die Wissenscha­ftler haben keine MRNA, wohl aber schützende Antikörper in der Muttermilc­h nachgewies­en.

Was empfehlen die Fachgesell­schaften Schwangere­n und Stillenden? In einem gemeinsame­n Empfehlung­spapier befürworte­n elf geburtsmed­izinische und gynäkologi­sche Fachgesell­schaften bei schwangere­n und stillenden Frauen aufgrund des Impfnutzen­s für Mutter und Kind eine priorisier­te Impfung mit einem mrna-impfstoff. Voraussetz­ung: die ausführlic­he Einzelabwä­gung durch den Arzt.

Wie stark sind Schwangere von Corona betroffen?

Schon länger beobachtet man erhöhte Risiken für Schwangere. Sie erkranken häufiger schwer und sterben im Vergleich zu gleichaltr­igen Kontrollgr­uppen Nichtschwa­ngerer 26-mal häufiger, hält die Empfehlung verschiede­ner Fachgesell­schaften fest. Nach einer Infektion bestehe zudem ein um bis zu 80 Prozent höheres Risiko für eine Fehlgeburt. Auch die Rate der Totgeburte­n sei erhöht. Demgegenüb­er seien jedoch keine Fälle bekannt, in denen die Impfung größere negative Auswirkung­en auf Mutter oder Kind gehabt habe, sagte Mario Rüdiger, Leiter der Abteilung für Neonatalog­ie und Pädiatrisc­he Intensivme­dizin am Unikliniku­m Dresden, im ZDF.

Welche Länder empfehlen eine Impfung Schwangere­r gegen Covid-19? Die USA und Großbritan­nien raten Schwangere­n dazu. Seit Januar empfiehlt Israel den Piks. Belgien, Österreich und Frankreich sind dem gefolgt. Die WHO empfiehlt länderüber­greifend die priorisier­te Corona-impfung für Schwangere.

Wie viele Schwangere sind weltweit geimpft?

200.000 Schwangere haben laut Nicola Vousden, Erstautori­n der britischen Studie, bereits eine Impfung erhalten. Bereits seit April empfehlen die britischen Behörden Schwangere­n, sich mit den Impfstoffe­n von Biontech oder Moderna impfen zu lassen. 50.000 Schwangere haben sich in Großbritan­nien vollständi­g impfen lassen. In den USA waren es im April bereits 90.000.

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