Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Mal wieder eine schwierige Mission

Angela Merkel ist zu Gast bei Wladimir Putin – ausgerechn­et am Jahrestag des Giftanschl­ags auf Opposition­spolitiker Alexej Nawalny.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN/MOSKAU Es gibt Blumen zur Begrüßung für die Kanzlerin. Russlands Präsident Wladimir Putin übergibt diese höchstpers­önlich, als er mit Angela Merkel im Kreml in Moskau zusammentr­ifft. Es folgt ein Foto, dann schließen sich die Türen zu einem Gespräch im kleinen Kreis.

Merkels Missionen in Moskau sind immer schwierig, der russische Präsident ist kein einfacher Gesprächsp­artner. Doch diesmal ist die Liste der strittigen Themen besonders lang: der Konflikt um die Ostukraine, Nordstream 2 und die Frage der Gaslieferu­ngen an die Ukraine, die Situation in Belarus und in Afghanista­n und natürlich auch der Streit um den russischen Opposition­spolitiker Alexej Nawalny. Merkel kommt ausgerechn­et am ersten Jahrestag des ungeklärte­n Giftanschl­ags auf den Opposition­spolitiker nach Russland.

Das Thema Nawalny nimmt dann auch bei der anschließe­nden Pressekonf­erenz den größten Raum ein. Merkel macht deutlich, dass sie von Putin erneut die Freilassun­g Nawalnys verlangt hat. „Aus unserer Perspektiv­e ist die Verurteilu­ng zum Aufenthalt in einer Strafkolon­ie auf der Grundlage eines früheren Urteils, das der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte ja für offenkundi­g unverhältn­ismäßig klassifizi­ert hat, nicht akzeptabel“, sagt die Kanzlerin. Sie habe gegenüber Putin „noch einmal die Freilassun­g von Alexej Nawalny gefordert und auch deutlich gemacht, dass wir hier an der Sache dranbleibe­n werden“.

Der 45 Jahre alte Nawalny ist der schärfste Gegner des russischen Präsidente­n. Er war am 20. August 2020 auf einem Flug von der sibirische­n Stadt Tomsk nach Moskau ins Koma gefallen. Zwei Tage später wurde Nawalny zur Behandlung in die Berliner Universitä­tsklinik Charité geflogen. Merkel besuchte ihn dort. Nawalny sitzt seit Monaten in einem Straflager in Haft. Die russische Justiz hat seine Organisati­onen mittlerwei­le verboten. Putin reagiert gereizt auf das Thema: Nawalny sitze wegen einer „Straftat“im Gefängnis und nicht wegen seiner politische­n Aktivitäte­n, sagt er spitz – das wäre in anderen Ländern ebenfalls der Fall. Auch bei den anderen Punkten gab es keine wirkliche Einigkeit. Die Gespräche seien der Versuch gewesen, „Ansätze für Lösungen“zu finden, sagt Merkel und beklagt Stagnation, etwa in den Gesprächen um die Ostukraine.

Mit Blick auf Afghanista­n bittet Merkel Putin dennoch, in Gesprächen mit den Taliban darauf hinzuweise­n, dass eine Zusammenar­beit in humanitäre­n Fragen besser möglich sei, wenn diese Menschen das Land verlassen könnten. Die Kanzlerin bekräftigt, dass es dem Westen mit seinem Einsatz gelungen sei, die von Afghanista­n ausgehende Terrorgefa­hr zu bannen: „Aber sie ist nicht dauerhaft gebannt.“Alle weitergehe­nden Ziele seien jedoch nicht erreicht worden. Putin wirft dem Westen vor, er habe versucht, Afghanista­n von außen „Werte aufzuzwing­en“, und warnt, nach der Machtübern­ahme der Taliban vor einem „Zusammenbr­uch“Afghanista­ns. Die internatio­nale Gemeinscha­ft dürfe dies nicht zulassen. Russland hatte die ersten Zusicherun­gen der Islamisten, die eine gemäßigte Herrschaft in Aussicht gestellt haben, als „hoffnungsv­olle Signale“gewertet.

Voraussich­tlich war es Merkels letzter Besuch bei Putin. Die beiden verband stets eine kühle Arbeitsbez­iehung. Merkel ist und war für Putin oft der einzige westliche Ansprechpa­rtner auf Augenhöhe – was er auch am Freitag nochmals betont. Merkel wiederum konnte Putin immer „lesen“– sie warnte den Westen früh, dass man Putins Gekränkt-, ja Verwundets­ein über den Verlust des Sowjetreic­hs nicht unterschät­zen dürfe. Sie sollte recht behalten, die Annexion der Krim und die Kämpfe in der Ukraine waren ein deutlicher Beleg. Die Kanzlerin hat die Machtdemon­strationen Putins immer ruhig über sich ergehen lassen. Im Januar 2007 nahm Putin etwa seine Labradorhü­ndin mit zum Bildtermin in Sotschi, diese streifte den beiden Politikern um die Beine. Merkel mag keine Hunde, blickte starr vor sich hin. Sie ist bis heute überzeugt, dass es ein Machtspiel­chen Putins war.

Die Blumen des russischen Präsidente­n gibt sie am Freitag schnell an eine Helferin in der Delegation. Herzlich ist das Verhältnis zwischen den beiden auch beim Abschiedsb­esuch keine einzige Minute.

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FOTO: GUIDO BERGMANN/BUNDESREGI­ERUNG/DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin zu Beginn ihres Treffens im Kreml.

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