Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Im Winter drohen mehr Impfdurchbrüche
Die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen ist doppelt so hoch wie noch vor einem Jahr – fast alle von ihnen sind ungeimpft.
DÜSSELDORF Die Pandemie hat uns wieder fest im Griff: Die Inzidenz in NRW ist binnen eines Tages um zwölf auf 83 hochgeschnellt. Damit steht das Land bundesweit am schlechtesten da. Die Zahl der Intensivpatienten steigt, die meisten von ihnen sind ungeimpft.
Wie sieht es in den Krankenhäusern aus? Aktuell zählt die Intensivmediziner-vereinigung Divi 621 Covid-patienten auf deutschen Intensivstationen. Das sind zwar wenige im Vergleich zum Höhepunkt der Pandemie, aber doppelt so viele wie im vergangenen Sommer. Das hat mit Lockerungen und Reiserückkehr zu tun – und ungenutzten Chancen auf eine Impfung: „Vorsichtigen Schätzungen zufolge sollte der Anteil der vollständig Geimpften an den Covid-patienten auf Intensivstationen im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegen“, sagte ein Divi-sprecher. Wer sich trotz Impfung infiziert, ist oft vorerkrankt, leidet etwa an Immunsuppression.
Wie sieht es in NRW aus? In der Uniklinik Düsseldorf werden aktuell 18 Covid-patienten behandelt, sieben davon auf der Intensivstation. Vor einem Jahr waren es nicht einmal halb so viele. „Die Ungeimpften sind sehr deutlich in der Überzahl. Die Impfung kann in den allermeisten Fällen einen schweren Verlauf verhindern“, betont ein Klinik-sprecher. Das zeigt sich auch an der Uniklinik Essen: Von sieben Intensivpatienten dort haben vier keine Impfung. Eine Patientin hat nur eine von zwei Dosen eines mrna-impfstoffs erhalten. Ein weiterer Patient wurde einmal mit einem Vektorimpfstoff geimpft. Und eine Patientin ist nach einer Transplantation immunsupprimiert. „Unsere Stichprobe bestätigt, dass schwere Verläufe bei vollständig Geimpften sehr selten sind“, so eine Sprecherin aus Essen. An der Uniklinik Bonn werden acht Corona-patienten behandelt: Die überwiegende Zahl sei auch dort nicht geimpft.
Schützt Impfen vor schweren Verläufen? Ja, wie Nrw-gesundheitsminister Karl-josef Laumann (CDU) betont: Vom 1. Juli bis 10. August infizierten sich seinen Angaben zufolge 14.400 Nrw-bürger, 891 von ihnen mussten ins Krankenhaus. Und von diesen hatten 87 Prozent keinen, einen unvollständigen oder unklaren Impfschutz. 6400 Infektionen entfielen auf 20- bis 39-Jährige, 263 von ihnen mussten in die Klinik, von denen wiederum 94 Prozent nicht klar erkennbar geimpft waren.
Warum stecken sich Geimpfte an? Eine Impfung schützt vor schweren Verläufen, doch der Schutz vor der Ansteckung an sich schwindet mit der Zeit. Das ist dann ein Problem, wenn viele Ungeimpfte das Virus verbreiten. „Die viertewelle hat bereits begonnen. Die Ungeimpften stecken nicht nur Ungeimpfte an, sondern auch Geimpfte“, sagte Spd-gesundheitsexperte Karl Lauterbach unserer Redaktion. Der Impfschutz gehe wohl nach einem halben Jahr im Schnitt auf 50 bis 60 Prozent zurück. „Bei niedrigen Inzidenzen ist das kein Problem. Doch die Inzidenzen steigen bereits bedenklich an. Damit wird es immer wieder Impfdurchbrüche geben.“Lauterbach mahnt daher: „Wir müssen mehr Menschen überzeugen. Wenn wir jetzt nicht die Impfquote erhöhen, werden wir im Winter bundesweit viele Impfdurchbrüche erleben.“Von einem Durchbruch spricht man laut Robert-koch-institut, wenn vollständig Geimpfte mit Symptomen erkranken. Keine Impfung schützt zu 100 Prozent. Auch die Uniklinik Bonn rechnet mit weiteren Durchbrüchen – etwa weil bei chronisch Kranken oder Älteren das Immunsystem weniger nachhaltig auf die Impfung reagiert.