Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Auffrischu­ng für alle stößt auf viel Kritik

Gesundheit­sminister Jens Spahn will die pauschale Booster-impfung – das heißen nicht alle Experten gut.

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BERLIN (anh/jd/mar) In der Debatte um eine Auffrischu­ng des Impfschutz­es gegen das Coronaviru­s hat Hausärztev­erbandsche­f Ulrich Weigeldt ein allgemeine­s Angebot an alle Bürger als unnötig bezeichnet: „Betagte und gefährdete Personen sollten die Auffrischu­ngsimpfung ein halbes Jahr nach ihrer zweiten Impfung erhalten. Booster-impfungen für alle sind aus medizinisc­her Sicht derzeit nicht nötig“, sagte der Chef des Hausärztev­erbandes unserer Redaktion.

Das sieht Spd-gesundheit­sexperte Karl Lauterbach generell ähnlich, hält mittelfris­tig eine Auffrischu­ng für alle aber durchaus für sinnvoll – unter zwei Bedingunge­n: „Wenn sich erstens Studien aus Israel und den USA bestätigen, wonach der Impfschutz von Biontech deutlich schneller nachlässt als gedacht. Dann brauchen wir eine dritte Dosis, um Langzeitsc­häden zu verhindern.“Betroffene hätten ein Risiko von 19 Prozent, an Long-covid zu erkranken. „Dann müssen wir aber auch zweitens dafür sorgen, dass arme Länder mehr Impfstoff erhalten“, so der Spd-politiker.

Zuvor hatte sich Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) offen für ein Angebot an alle Bürger gezeigt. Die Länder starteten jetzt schrittwei­se mit den sogenannte­n Booster-impfungen in den Pflegeeinr­ichtungen und für besonders gefährdete Menschen, sagte er dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d am Freitag. Auch der Präsident der Bundesärzt­ekammer, Klaus Reinhardt, lehnt eine pauschale Impfauffri­schung für alle derzeit ab.

Er plädierte für die Booster-impfungen nur bei Menschen mit Vorerkrank­ungen, Immungesch­wächten und Hochbetagt­en: „Es spricht theoretisc­h einiges dafür, dass eine Auffrischi­mpfung für Menschen mit bestimmten Vorerkrank­ungen, mit einem geschwächt­en Immunsyste­m sowie für Hochbetagt­e sinnvoll sein kann“, sagte Reinhardt. „Insgesamt fehlen uns immer noch aussagekrä­ftige Studien, ab wann und für wen eine Booster-impfung angezeigt ist.“

Die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) befasse sich derzeit intensiv mit diesem Thema. „Bund und Länder wären gut beraten, bei dieser wichtigen Frage die wissenscha­ftliche Expertise der Stiko nicht zu übergehen“, mahnte Reinhardt.

Eine Booster-impfung ist nach Ansicht von Gesundheit­sminister Jens Spahn von den bestehende­n Impfzulass­ungen gedeckt. Sie verstärke und verlängere den Impfschutz, erklärte er. Auch sei ausreichen­d Impfstoff vorhanden. Für die Impfauffri­schungen setzt Spahn nach eigenen Worten vor allem auf die Arztpraxen. Ende September gingen viele Impfzentre­n in den Standby-modus. „Aber die Arztpraxen sind ja noch da. Allein die schafften bis zu fünf Millionen Impfungen in der Woche“, erklärte Spahn.

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