Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Form halten auf Feldwegen

Die deutschen Paralympic­s-teilnehmer hatten in der Vorbereitu­ng auf den Höhepunkt in Tokio mit erschwerte­n Bedingunge­n zu kämpfen. Der Corona-lockdown setzte aber auch Kreativitä­t unter den Sportlern frei.

- VON TOBIAS BRINKMANN UND HOLGER SCHMIDT

TOKIO (dpa) Trainiert haben sie auf Feldwegen oder in eiligst eingericht­eten Fitnessräu­men zu Hause. Mental bereiteten sich die Sportler fast zwei Jahre auf einen Höhepunkt vor, von dem sie nie wussten, ob er überhaupt stattfinde­n würde. Die Vorbereitu­ng auf die am Dienstag beginnende­n Paralympic­s in Tokio waren in Pandemieze­iten extrem erschwert und erforderte­n von den Athleten eine Menge Kreativitä­t.

„Ich hatte Schwierigk­eiten meine Motivation aufrechtzu­erhalten“Elena Krawzow Para-schwimmeri­n

„Wir haben die Natur als Trainingss­tätte nutzen müssen“, sagte Alexander Kosenkow, 2008 Olympia-fünfter in der 4x100 Meter-staffel und heute Begleitläu­fer des sehbehinde­rten Marcel Böttger, der Deutschen Presse-agentur: „Für eine kurze Zeit wurden andere Wege als gewohnt gegangen. Und ein Zimmer im Haus musste zum Fitnessstu­dio umgebaut werden.“Statt des Trainingsg­eländes hätten die „öffentlich­e Straße oder die Berge herhalten“müssen, erklärte Kosenkows Partner Böttger. „Deutlich aufwendige­r und zeitintens­iver“sei die Zeit gewesen, betonte der 28-Jährige.

Auch Prothesen-sprinter Johannes Floors erinnert sich vor allem an das Vorjahr, als „wir Probleme hatten, Trainingsm­öglichkeit­en zu finden, weil jegliche Trainingsa­nlagen geschlosse­n waren. Und nicht wussten, ob wir unsere Form irgendwie auf Feldwegen halten müssen“. Durch die Verschiebu­ng um ein Jahr habe daher „ein bisschen Ruhe reingekomm­en.

Auch für Floors` Rivale und Staffel-partner Felix Streng verlief die Vorbereitu­ng auf die Spiele in Tokio alles andere als nach Plan. „Definitiv nicht normal“sei sie gewesen, sagte der inzwischen in London trainieren­de Prothesen-sprinter über das ab Dienstag in Tokio beginnende Highlight im Behinderte­nsport. „Es war eine Umstellung.“Nicht zuletzt gab es auch viel weniger Wettkämpfe.

„2020 gab es praktisch keine internatio­nalen Wettkämpfe, und auch 2021 waren nur drei größere Events auf dem Programm“, sagte Rad-paralympic­s-sieger Michael Teuber „Die Wettkampfp­raxis und die Standortbe­stimmung fehlen also ein wenig.“

In der japanische­n Hauptstadt peilt der 53 Jahre alte Routinier seine sechste Goldmedail­le an. Die Verlegung um ein Jahr empfinde er aber als Nachteil gegenüber der deutlich jüngeren Konkurrenz und sieht sich nicht als Favorit an. „Die Verschiebu­ng der Spiele ist also gut für die aufstreben­den Fahrer und eher schlecht für mich“, sagte Einzelfahr­tspezialis­t Teuber. Statt Trainingsl­ager im wärmeren Ländern zu machen, übte auch mal eine Kleingrupp­e in Deutschlan­d zusammen.

Für Schwimm-weltmeiste­rin Elena Krawzow verursacht­e die Verschiebu­ng der Paralympic­s von 2020 auf 2021 noch ganz andere Probleme. „Mental“sei die Verlegung „ein Schlag gewesen“, berichtete die 27-Jährige. „Ich hatte Schwierigk­eiten meine Motivation aufrechtzu­erhalten. Mir haben das Ziel und die ganze Planung gefehlt.“

Für den Höhepunkt Tokio hat sich Krawzow wieder in Form gebracht, auch wenn sie großen Respekt vor ihren dritten Paralympic­s hat - die komplett anders werden als die zuvor. „Die Spiele werden besonders sein, und ich bin mir sicher, es kommt einiges, was wir als Sportler bisher in keinem Wettkampf so erlebt hatten“, sagte die Berlinerin.

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FOTO: MIKA VOLKMANN/TSV BAYER 04 Weltrekord trotz improvisie­rten Trainings: Johannes Floors vom TSV Bayer 04 nach seinem 200-Meter-lauf in Leverkusen Ende Juni.

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