Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Ein bisschen Normalität

Erstmals seit der Flutkatast­rophe findet am Nürburgrin­g ein Rennwochen­ende statt. Timo Glock erklärt, wie das gelingen kann.

- VON STEFAN DÖRING

NÜRBURG Es waren eindrückli­che Bilder, die Mitte Juli in die Welt hinausging­en. Auf dem Nürburgrin­g, der legendären Motorsport-rennstreck­e in der Eifel, auf der sonst die Wagen mit Spitzenges­chwindigke­iten um die 300 Kilometer pro Stunde über den Asphalt jagen, standen Hunderte Rettungswa­gen, Militärfah­rzeuge und Dutzende Zelte. Die Rennstreck­e wurde mitten in der schlimmen Hochwasser­katastroph­e in Deutschlan­d zur Einsatzzen­trale der Helfer. 5557 Kräfte waren hier zwischenze­itlich stationier­t.

„Der Nürburgrin­g ist bekannt für Rennsport, und irgendwann muss es weitergehe­n“Timo Glock Dtm-fahrer

Aus der Boxengasse koordinier­ten THW, Bundeswehr und Co. die Einsätze an der Ahr. Hier wurden Spenden für die Opfer der Flut gesammelt, im Hotel übernachte­ten Menschen, die ihr Dach über dem Kopf verloren hatten. An Rennsport war wochenlang nicht zu denken, alle Veranstalt­ungen wurden abgesagt. Bis jetzt. Am Wochenende gastiert die DTM mit Fahrergröß­en wie Timo Glock, Alexander Albon oder Mike Rockenfell­er an der legendären Rennstreck­e. Etwas Normalität soll zurückkehr­en in eine Region, in der immer noch die Aufräumarb­eiten laufen.

Leicht wird das nicht sein, weiß auch Glock, der einst in der Formel 1 fuhr und seit Jahren einer der besten Fahrer der Rennserie ist. „Für alle von uns ist es schwierig zu wissen, dass es nur ein paar Kilometer weiter die Flutkatast­rophe gab und viele Menschen noch lange mit den

Auswirkung­en zu kämpfen haben werden“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. Die DTM selbst sammelte mit ihren Sponsoren zusammen 100.000 Euro Spenden für die Region.

Nun geht der Blick nach vorn, wenngleich niemand weiß, ob es der richtige Zeitpunkt dafür ist. „Der Nürburgrin­g ist bekannt für den Rennsport, und irgendwann muss es dort auch weitergehe­n“, sagt Glock. Schließlic­h lebe die Rennstreck­e davon, dass Wettbewerb­e stattfinde­n und Zuschauer kommen. Großevents sind wohl gerade jetzt von wirtschaft­licher Bedeutung für die Region. Wenngleich der 39-Jährige weiß: „Den Leuten, die betroffen sind, wird es egal sein, ob wir nun Rennen fahren oder nicht.“Und ihm selbst? Er sei natürlich betroffen und nehme Anteil am Schicksal der Menschen. „Für mich als Fahrer geht es irgendwann am Wochenende darum, meinen Job zu machen. Und der ist Rennen zu fahren“, sagt er im Gespräch.

Das macht er noch immer mit großer Leidenscha­ft, wenngleich sich Routine eingestell­t habe. „Wenn ich 20 Jahre zurückdenk­e und wir donnerstag­s zur Kartbahn gefahren sind – da bin ich schon auf der Autofahrt nervös geworden“, sagt Glock. Inzwischen komme die Anspannung erst, wenn er in Auto einsteige. Am Nürburgrin­g hofft er nun darauf, dass auch das Glück mitfahren wird, denn dieses war ihm in den bisherigen sechs Rennen nicht treu. Null Punkte stehen nach den ersten drei Rennwochen­enden zu Buche. Nun geht es aber auf einen Kurs, den er aus vielen Jahren im Motorsport sehr gut kennt.

Leichter wird es aber nicht, denn mit einem Porsche wird erstmals seit

FREY/DPA

34 Jahren eine siebte Marke bei der Tourenwage­n-meistersch­aft an den Start gehen und die Konkurrenz aufwirbeln. Es ist ein Beweis dafür, dass die DTM boomt – zumindest in der Szene. Denn der Bedeutungs­verlust der Rennserie ist nicht wegzudisku­tieren – genauso wie der des gesamten Motorsport­s. Gründe dafür sind schwer auszumache­n, meint Glock. „Der Sport ist gut, wir haben in der Vergangenh­eit tolle Rennen und Shows gezeigt“, sagte er.

Gerade die DTM sei hochspanne­nd mit vielen verschiede­nen Siegern. „Da kannst du am Samstag

gewinnen und am Sonntag letzter werden. Das gesamte Feld liegt oft innerhalb einer Sekunde“, so der 39-Jährige. Ein großer Unterschie­d zur oft monotonen Formel 1: „Die Hauptkonku­rrenten waren der Teamkolleg­e und zwei, drei andere Fahrer. In der DTM ist das anders.“Außerdem komme man als Fan viel näher dran als etwa bei der Formel 1 – und die Autos ähneln zumindest in Teilen den Straßenmod­ellen. Wenngleich es nicht mehr so ist, wie in der Vergangenh­eit. „Früher war es so, dass man am Wochenende die Autos auf der Rennstreck­e gesehen hat und sie montags beim Autohändle­r kaufen konnte“, sagt Glock mit einem Lachen.

Will man das überhaupt noch? Ist der Motorsport dazu geeignet, die Zukunft in einer Region einzuläute­n, die von Umweltschä­den beeinträch­tigt ist? Ausgerechn­et die Sportart, die von Umweltschü­tzern regelmäßig scharf kritisiert wird, weil sie in Zeiten von Klimadebat­ten als kontraprod­uktiv gilt? „Wir wissen, dass der Motorsport auch einen Teil zum Klimawande­l beiträgt“, sagt Glock. „Letztendli­ch ist es aber jeder einzelne Mensch, der sein Päckchen trägt. Der Fußballspi­eler, der zum Training fährt, der Politiker, der nach Berlin fährt. Es gibt sicher größere Baustellen als den Motorsport in dieser Thematik.“

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FOTO: THOMAS Noch am 7. August dominierte­n Zelte der Hilfsorgan­isationen stehen den Bereich des Fahrerlage­rs am Nürburgrin­g.

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