Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Der Knackpunkt war immer da

Wie die Anlaufstel­le für Mädchen mit dem Lebensmitt­elpunkt Straße bisher durch die Corona-pandemie gekommen ist.

- VON MARC INGEL

STADTMITTE Sie leben auf der Straße, sind drogenabhä­ngig, verdienen sich Geld als Prostituie­rte – und sind oft genug nicht einmal volljährig. Fernab der Wohlstands­gesellscha­ft in Düsseldorf gibt es genug Mädchen und Frauen, für die es meist nur eine Anlaufstel­le gibt, bei der sie abschalten und ohne Druck schlafen, duschen, frühstücke­n, quatschen können – den Knackpunkt, die Notschlafs­telle des SKFM (Sozialdien­st Katholisch­er Frauen und

Die Finanzieru­ng des Knackpunkt­s ist stets eine Balanceakt. Auf einen einfachen Nenner gebracht: Von sieben Nächten werden vier durch die Stadt refinanzie­rt, drei sind durch Spenden abgedeckt. Sollten diese rund 100.000 Euro pro Jahr nicht zusammenko­mmen und der SKFM müsste die Öffnungsze­iten reduzieren, würde auch die Stadt ihren Zuschuss senken.

Allerdings muss der Spendenant­eil auch das Projekt „Schrittwei­se“abdecken. Dahinter steckt die Absicht, die Mädchen und Frauen zum Amt oder Arzt zu begleiten, ohne Druck ihnen vielleicht einen Weg zurück in die „Normalität“aufzuzeige­n. Außerdem betätigen sich die

Knackpunkt-mitarbeite­r abends als Streetwork­er, gehen raus und verteilen Kondome, Nadeln, Spritzen, fragen nach, wie es geht und warum jemand sich vielleicht lange nicht hat blicken lassen. Ja, auch auf der Charlotten­straße, „es gibt ihn noch, den Straßenstr­ich, auch wenn sich vieles ins Private verlagert hat, in Hotels oder auf Parkplätze, Verabredun­gen werden über das Handy oder per Mail getroffen“, sagt Ina Schubert.

Sie hat immer wieder auch positive Erlebnisse, weiß von einer Frau, die drei Jahre in der Szene gelebt hat und inzwischen verheirate­t ist und zwei Kinder hat. Aber natürlich überwiegen die negativen Erfahrunge­n. Von einer 24-Jährigen, die sieben Jahre in den Knackpunkt kam, die mit der Mutter gebrochen hatte, deren Vater starb, musste sie sich kürzlich für immer verabschie­den. „Sie war dann selbst sehr krank, hat noch einmal vier Tage richtig Gas gegeben und ist dann verstorben“, erzählt Schubert. Sie darf zur Beerdigung kommen – trotz Corona. Wenigstens das.

 ?? RP-FOTO: MARC INGEL ?? Ina Schubert (l.) leitet den Knackpunkt, Birgit Schmitz ist beim SKFM für den Fachbereic­h Projektent­wicklung und Wohnhilfen zuständig.
RP-FOTO: MARC INGEL Ina Schubert (l.) leitet den Knackpunkt, Birgit Schmitz ist beim SKFM für den Fachbereic­h Projektent­wicklung und Wohnhilfen zuständig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany