Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Holzingers Höllentrip
Die Tanz-performance „A Divine Comedy“wurde bei der Ruhrtriennale uraufgeführt.
DUISBURG Als Tänzer stirbt man zweimal: einmal am Ende der Karriere und dann am Ende des Lebens. Die Person, die das sagt, hat den einen Tod bereits hinter sich. Beatrice Cordua stand bis zum 45. Lebensjahr auf der Bühne. Nun macht die 80-Jährige es wieder, allerdings sitzt sie nun meistens. Die Tänzerin ist das warmherzige Zentrum eines eher kühl durchexerzierten Totentanzes, bildgewaltig zwar, aber auch etwas seelenlos.
Mit Spannung war die neue Inszenierung von Florentina Holzinger erwartet worden. Ihr Stück „Tanz“sprengte 2019 körperliche und ästhetische Grenzen. Ende Juni war das mehrfach ausgezeichnete Stück in Düsseldorf zu sehen und bewegte die Gemüter – eine Gratwanderung aus Horrortrip, Stunt-spektakel und Akrobatik. Getanzt von einem rein weiblichen Ensemble, alle nackt, wie immer bei der jungen österreichischen Extrem-choreografin.
Auch diesmal treten einem die Performerinnen unbekleidet entgegen: Musikerinnen und Tänzerinnen, eine Sexarbeiterin, eine Bewegungsforscherin, eine Kamerafrau, und der Sensenmann (die Sensenfrau?) kommt auf dem Motocross-bike daher.
Der Selbsterkundungstrip beginnt mit Hypnose: Sechs vorher gecastete Zuschauer werden von einer Hypnotiseurin in den Schlaf versetzt und wiedererweckt. Hypnose als Methode, den Körper zu transzendieren, als eine Art Tod auf Zeit?
Nach diesem etwas zu langen Vorspiel wird das Theater zum Anatomiesaal, in dem Körper geschunden werden. Die Tänzerinnen springen über Hürden, tanzen bis zur Erschöpfung immer gleiche Bewegungsfolgen, hacken Holz und lassen sich Treppen hinabstürzen. In der Hölle werden Grenzen ausgelotet beim Versuch, der eigenen Endlichkeit etwas entgegenzusetzen: Nach der kollektiven Darmentleerung kommt die Live-masturbation.
Die Totenglocke erklingt, und die Körper drapieren sich in Posen auf einer Treppe zu morbiden Tableaux vivants. An Happenings der 60er-jahre erinnert eine Szene, in der zunächst echtes Blut, dann reichlich Farbe verspritzt wird, um für die Tänzerin Beatrice einen Grabstein zu gestalten. Die Körper winden und drehen sich am Boden im Farbenrausch, eine Feier des Lebens, die zugleich wirkt wie ein Blick in eine moderne Folterkammer.
Bei Holzingers Höllentrip gibt es Gott sei Dank auch einige humorvolle Momente. Etwa das mobile Dixi-klo, das sich als lodernde und qualmende Hölle herausstellt. Oder die Jagd der Monsterskelette mit einer überdimensionierten Klobürste. Der Slapstick bietet nach so viel Splatter etwas emotionalen Ausgleich.