Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
In NRW fahren mehr Bahnen als erwartet
Der Streik der Lokführergewerkschaft trifft Pendler und Reisende am ersten Tag weniger hart als gedacht. Ein Grund ist, dass Wettbewerber der Bahn viele Strecken bedienen. Die GDL deutet bereits den nächsten Ausstand an.
BERLIN/DÜSSELDORF Der am Montag begonnene zweitägige Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat in Nordrhein-westfalen und bundesweit weniger Auswirkungen gehabt als befürchtet. Die Bahn erklärte, rund 30 Prozent der sonst üblichen Fernzüge führen; beim ersten Streik vor zwölf Tagen waren es 25 Prozent gewesen. „Der Ersatzfahrplan läuft stabil“, erklärte der Konzern.
Im Regional- und S-bahnverkehr würden 40 Prozent des normalen Angebots gefahren, ergänzte der Konzern. Tatsächlich aber fuhr in Nordrhein-westfalen wohl erheblich mehr als die Hälfte der Nahverkehrszüge. „Wir liegen bei rund 70 Prozent“, sagte eine Sprecherin des Verkehrsverbunds Rhein-ruhr ( VRR). Der Grund: Erstens erhielt die Gesellschaft DB Regio den Verkehr auf einigen Strecken aufrecht, weil nicht alle Lokführer dem Streikaufruf der GDL gefolgt waren. Zweitens betreiben bei den Regionalzügen und S-bahnen in NRW die Wettbewerber der Bahn wie Abellio und Keolis viele Verbindungen.
Auf der Langstrecke fuhren beispielsweise zwischen 6.30 Uhr und 9 Uhr, also in der Rushhour, Fernzüge (meist ICE) ab Düsseldorf nach Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Paris ( Thalys) und München. Umgekehrt stand auf der Anzeigetafel rund ein Dutzend Fernzüge, die gestrichen wurden, darunter die nach Klagenfurt und Rügen.
Die Bahn teilte mit, viele Reisende hätten ihre Fahrten auf Sonntag vorgezogen. Vom Streik betroffene Tickets können bis zum 4. September flexibel genutzt werden.
Bezogen auf die Regionalzüge und S-bahnen teilte die Bahn mit, dass der RE17 (Hagen–kassel) und der für den Niederrhein wichtige RE42 von Mönchengladbach über Krefeld nach Münster uneingeschränkt unterwegs seien, ebenso die RB52 (Dortmund–hagen), die S68 von Wuppertal über Düsseldorf nach Langenfeld und die S5 von Mönchengladbach nach Dortmund. Die S8 von Düsseldorf nach Wuppertal wurde gestrichen und durch Busse ersetzt. Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn NRW kritisierte das: „Zwischen den Großstädten gibt es statt S-bahnen oft viele Alternativen wie Regionalbahnen. Aber Pendler, die auf kleineren Bahnhöfen in eine S-bahn zusteigen wollen, sind hart getroffen.“
Im Stundentakt betrieb die Bahn die S1 (Dortmund–solingen), die S6 (Köln–düsseldorf–essen) und die S11 (Düsseldorf-flughafen–köln).
Die Bahn-wettbewerber boten fast alle Verbindungen an. Sie betreiben zum Beispiel 27 der 40 Regionalzugrouten, die den VRR betreffen. Strecken von Konkurrenten sind auch der RRX von Aachen nach Dortmund, der RE3 von Düsseldorf nach Hamm, der RE5 von Wesel nach Koblenz und der RE7 von Krefeld nach Rheine. Im Gebiet des Verkehrsverbunds Rhein-sieg ( VRS) werden alle S-bahnen von der Bahn gefahren, beim VRR betreiben die Wettbewerber fünf der elf Linien. Es sind die S2, S3, S7, S9 und die S28.
Am Kölner und Düsseldorfer Hauptbahnhof hatten sich die meisten Pendler offenbar gut auf den Streik vorbereitet; auf den Bahnsteigen gab es keine größeren Ansammlungen wartender Fahrgäste. Einige zeigten Verständnis für die streikenden Lokomotivführer. Mitarbeiter der Bahn am Düsseldorfer Hauptbahnhof bestätigten, dass die Kunden zum größten Teil ruhig auf den Streik reagierten. Dennoch gab es auch kritische Stimmen – vor allem von Fernreisenden. Auch die Taxifahrer zeigten sich unzufrieden. „Wenn Streiks Tage vorher angekündigt werden, stellen sich die Leute darauf ein, organisieren sich, steigen um aufs Auto“, sagte ein Taxifahrer in Düsseldorf: „Darum haben wir kaum bis gar nichts zu tun.“
Der Arbeitskampf soll am Mittwoch um 2 Uhr früh enden. In dem Tarifstreit geht es unter anderem um mehr Geld für die Beschäftigten. Über die Höhe der Löhne und Gehälter sind sich beide Seiten einig: 3,2 Prozent mehr soll es geben. Über den Zeitpunkt der Auszahlung besteht Uneinigkeit. Offen sind zudem Fragen zur Betriebsrente. GDLChef Claus Weselsky hat bereits einen längeren Streik angekündigt. Es reicht ihm nicht, dass der Konzern nun eine Corona-prämie anbietet; er will vor Verhandlungen die Höhe kennen. Die Politik dringt auf einen Kompromiss.