Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Ein Streik gegen das Allgemeinwohl
Der neue Arbeitskampf der Lokführergewerkschaft GDL ist hinzunehmen, weil das Streikrecht der Arbeitnehmer ein hohes Gut im freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat ist. Scharf kritisieren muss man ihn trotzdem, weil er unsozial, unsolidarisch und egoistisch ist.
Der Streik ist unsozial, weil er ausgerechnet die Schwächsten in der Gesellschaft am meisten trifft: Gutverdiener haben ohnehin ein Auto zum Ausweichen, die Büroleute können weit überdurchschnittlich ins Homeoffice wechseln, wogegen schlechter verdienende Berufsgruppen aus den Servicesektoren wie Verkäufer und Krankenpfleger ebenso weit überdurchschnittlich auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind. Es ist fatal: Die am besten verdienende Berufsgruppe bei der Bahn, die Lokführer, will nun höhere Löhne ertrotzen, ausgerechnet zulasten weniger privilegierter Bevölkerungsgruppen.
Zweitens übersieht GDL-CHEF Claus Weselsky bei seinem Trommeln für einen höheren Abschluss, als ihn die größere EVG erzielt hat, dass diese als Gegenleistung für Lohnzurückhaltung den Verzicht auf Kurzarbeit und das Streichen von Jobs wegen der Corona-krise ausgehandelt hat. Angesichts dessen ist es nur angemessen, dass auch die EVG und damit die gesamte Belegschaft profitieren würde, falls es nun doch eine Corona-prämie gäbe, um Ruhe zu haben.
Das größte Problem ist aber, dass die GDL den Streik in Wahrheit nur führt, um Mitglieder zu werben, weil sie sonst auf Dauer keine Chance hat gegen die EVG. Der Gesetzgeber sollte das Tarifeinheitsgesetz überprüfen: Es war gedacht, um Frieden in Unternehmen zu schaffen. Weil es aber größere Gewerkschaften gegen kleine Gruppen privilegiert, führt es nun ungewollt zu noch mehr Profilierungsdruck der Gewerkschaften. Da muss also nachgebessert werden. BERICHT IN NRW FAHREN MEHR BAHNEN, TITELSEITE