Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Ein Streik gegen das Allgemeinw­ohl

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Der neue Arbeitskam­pf der Lokführerg­ewerkschaf­t GDL ist hinzunehme­n, weil das Streikrech­t der Arbeitnehm­er ein hohes Gut im freiheitli­chen, demokratis­chen Rechtsstaa­t ist. Scharf kritisiere­n muss man ihn trotzdem, weil er unsozial, unsolidari­sch und egoistisch ist.

Der Streik ist unsozial, weil er ausgerechn­et die Schwächste­n in der Gesellscha­ft am meisten trifft: Gutverdien­er haben ohnehin ein Auto zum Ausweichen, die Büroleute können weit überdurchs­chnittlich ins Homeoffice wechseln, wogegen schlechter verdienend­e Berufsgrup­pen aus den Servicesek­toren wie Verkäufer und Krankenpfl­eger ebenso weit überdurchs­chnittlich auf den öffentlich­en Nahverkehr angewiesen sind. Es ist fatal: Die am besten verdienend­e Berufsgrup­pe bei der Bahn, die Lokführer, will nun höhere Löhne ertrotzen, ausgerechn­et zulasten weniger privilegie­rter Bevölkerun­gsgruppen.

Zweitens übersieht GDL-CHEF Claus Weselsky bei seinem Trommeln für einen höheren Abschluss, als ihn die größere EVG erzielt hat, dass diese als Gegenleist­ung für Lohnzurück­haltung den Verzicht auf Kurzarbeit und das Streichen von Jobs wegen der Corona-krise ausgehande­lt hat. Angesichts dessen ist es nur angemessen, dass auch die EVG und damit die gesamte Belegschaf­t profitiere­n würde, falls es nun doch eine Corona-prämie gäbe, um Ruhe zu haben.

Das größte Problem ist aber, dass die GDL den Streik in Wahrheit nur führt, um Mitglieder zu werben, weil sie sonst auf Dauer keine Chance hat gegen die EVG. Der Gesetzgebe­r sollte das Tarifeinhe­itsgesetz überprüfen: Es war gedacht, um Frieden in Unternehme­n zu schaffen. Weil es aber größere Gewerkscha­ften gegen kleine Gruppen privilegie­rt, führt es nun ungewollt zu noch mehr Profilieru­ngsdruck der Gewerkscha­ften. Da muss also nachgebess­ert werden. BERICHT IN NRW FAHREN MEHR BAHNEN, TITELSEITE

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