Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Noch kein Enddatum für Evakuierung
Wie lange die Mission fortgesetzt werden kann, ist noch offen. Der 31. August galt lange als Frist.
BERLIN Die Nato will derzeit kein konkretes Datum für ein Ende der Evakuierungsflüge aus Afghanistan nennen. „Die Lage am Flughafen in Kabul bleibt extrem herausfordernd und unberechenbar“, sagte ein Bündnissprecher am Montag in Brüssel. Gemeinsam mit alliierten Truppen werde daran gearbeitet, die Evakuierungen fortzusetzen. Derzeit verließen täglich Dutzende Flüge Kabul. Weitere Gespräche zum Thema wird es nach Angaben des Sprechers beim digitalen G7-sondergipfel zur Lage in Afghanistan an diesem Dienstag geben.
Der Zeitplan der USA sieht eigentlich vor, alle Truppen bis zum 31. August abzuziehen, was bedeuten würde, dass der Evakuierungseinsatz vermutlich schon Ende dieser Woche enden müsste. Zuletzt hat Us-präsident Joe Biden allerdings angekündigt, dass die Us-regierung im Gespräch mit dem Militär über eine mögliche Verlängerung der Evakuierungsmission über das Monatsende hinaus ist. Auch die Bundesregierung würde solch eine Verlängerung begrüßen.
Dagegen sprechen allerdings Warnungen der Taliban. Sie wollen einer Verlängerung der Evakuierungsmission westlicher Staaten nicht zustimmen. Dass der Betrieb des Flughafens in Kabul ohne die USA aufrechterhalten werden kann, gilt als unwahrscheinlich. Sie waren zuletzt mit etwa 5800 Us-soldaten vor Ort, um nach der Machtübernahme der Taliban den Evakuierungseinsatz abzusichern.
Deutschland hat nach Angaben von Generalinspekteur Eberhard Zorn rund 3000 Menschen aus Kabul ausgeflogen. Unter ihnen seien 1800 Afghanen, 143 Deutsche sowie 350 Bürger der übrigen EU. Auf dem Flughafengelände befänden sich aber immer noch 5000 Menschen.
Mehr als 90 frühere und aktive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Entwicklungszusammenarbeit haben sich angesichts dessen mit einem dramatischen Appell an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Verteidigungsministerin Annegret Kramp-karrenbauer (CDU), Innenminister Horst Seehofer (CSU), Außenminister Heiko Maas (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) gewandt. In einem offenen Brief, der unserer Redaktion vorliegt, schreiben sie: „Wir nehmen mit großer Sorge wahr, dass sich der Schutz nur auf Mitarbeitende beziehen soll, deren Beschäftigungsverhältnis nicht länger als zwei Jahre zurückliegt.“Darunter gebe es sogar Fälle, denen aufgrund einer Gefährdungsanzeige gekündigt worden sei und deren Schutzgesuch nun mit Verweis auf das zu lange zurückliegende Beschäftigungsverhältnis verweigert werde, heißt es in dem Brief. Die Experten für Entwicklungszusammenarbeit fordern darin, die akute Schutzbedürftigkeit auf andere ehemalige Ortskräfte und deren Familien auszudehnen, „insbesondere auf diejenigen, die bereits in der Vergangenheit Gefährdungsanzeigen gestellt haben, Angriffsziel waren und mit hoher politischer Sichtbarkeit aktiv waren“.
Unterdessen forderte der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, einen nationalen Sicherheitsrat auf Bundesebene. „Die jüngsten Entwicklungen sind ein Beispiel dafür, dass wir an unseren Entscheidungsstrukturen in Berlin arbeiten müssen“, sagte Ischinger unserer Redaktion. „Ich hoffe sehr, dass es sich die nächste Bundesregierung zur Aufgabe macht, eine solche Struktur zu etablieren und mit Leben zu füllen“, sagte Ischinger. Er mahnte: „Schwierige oder gar gefährliche außenpolitische Situationen, in denen die Bundesregierung eine gemeinsame tragfähige Strategie benötigt, werden uns in der Zukunft häufiger bevorstehen. Darauf müssen wir organisatorisch und ressourcenmäßig vorbereitet sein.“(mit dpa)