Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Die elf wichtigsten Fragen zum Impfen
Trotz hoher Impfquote steigen die Infektionen. Ärzte hoffen, dass sie bald gegen Corona und Grippe parallel impfen können. Das Biontech-vakzin erhält als erstes die vollständige Zulassung.
DÜSSELDORF Immer mehr Menschen sind geimpft, trotzdem gehen die Infektionszahlen nach oben. Arbeitgeber und Gewerkschaften rufen nun zu mehr Impfungen auf. „Wir müssen aufpassen, dass wir das Erreichte nicht verspielen“, hieß es in einem Appell. Die aktuellen Fragen.
Wie ist die Impfquote? Deutschland hat nach Überwindung der Lieferengpässe stark aufgeholt. Hier sind nun 49 Millionen Menschen und damit 59 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft, so das Robert-koch-institut (RKI). 64 Prozent haben mindestens eine Impfdosis erhalten.
Warum stecken sich Geimpfte an? Die meisten Menschen, die sich anstecken, sind nicht gegen Corona geimpft. „Mehr und mehr handelt es sich um eine Pandemie der Ungeimpften“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Und wenn sich Geimpfte anstecken, haben sie entweder ein unterdrücktes Immunsystem (wie nach einer Organtransplantation) oder sind nicht vollständig geimpft. Gerade bei der Delta-variante rächt sich eine unvollständige Impfung. Zugleich ist kein Impfstoff vollkommen. Je höher die Inzidenz, desto mehr Geimpfte werden sich anstecken.
Wie gut wirken die Impfstoffe gegen die Delta-variante? Studien zum Impfstoff von Astrazeneca ( Vaxzevria) und Biontech/pfizer (Comirnaty) würden zwar zeigen, dass beide eine hohe Schutzwirkung gegen Delta für schwere Verläufe haben, beruhigt das RKI. Es betont aber auch: „Bei einer unvollständigen Impfserie (eine Dosis) wurde eine deutlich verringerte Wirksamkeit gegen die Delta-variante nachgewiesen. Diese lag für Comirnaty und Vaxzevria bei etwa 35 Prozent gegen jegliche Verlaufsschwere.“Für Moderna und Johnson & Johnson gebe es keine Daten.
Was bedeutet die vollständige Zulassung bei Biontech? Der Impfstoff von Biontech/pfizer hat am Montag in den USA die vollständige Zulassung erhalten. Bislang gab es nur eine Notfallzulassung. Das hat psychologische Wirkung: Dies gebe zusätzliches Vertrauen, dass der Impfstoff sicher und wirksam sei, erklärte Us-präsident Joe Biden und mahnte: „Wenn Sie noch nicht geimpft sind, ist es jetzt an der Zeit.“Die vollständige Zulassung erleichtert es Behörden und Unternehmen aber auch, eine Impfpflicht auszusprechen. New York ordnete nun an, dass sich alle Lehrkräfte impfen lassen müssen. Auch in der EU hat Biontech bisher nur eine bedingte Zulassung.
Wer bekommt in Deutschland eine Auffrischungsimpfung? Dies ist zunächst für alle über 80 Jahre geplant, und zwar sechs Monate nach Ende ihrer ersten Impfserie. Das sind insbesondere Menschen in Pflegeheimen, auch das Personal darf eine dritte Dosis erhalten. Zudem sollen in NRW die Bürger, die zweimal mit Astrazeneca oder einmalmit Johnson& Johnson geimpft wurden, eine Auffrischung bekommen. Die Betroffenen müssen sich selbst um einen Termin kümmern.
Können sich auch Frauen mitkinderwunsch impfen lassen? Schwangere haben ein erhöhtes Risiko, einen schweren Corona-verlauf zu erleiden, wenn sie erkranken. Daher wollen sich gerade Frauen mit Kinderwunsch impfen lassen. Das ist auch möglich, wie das RKI betont: „Auch Frauen mit Kinderwunsch können sich gegen Covid impfen lassen. Die verfügbaren Impfstoffe wurden an Erwachsenen – auch Frauen mit Kinderwunsch – getestet und für sicher und wirksam befunden.“
Können sich Schwangere und Stilende impfen lassen? Die Stiko empfiehlt weiter nicht die generelle Impfung in der Schwangerschaft, obwohl Frauenärzte dies fordern. Immerhin darf Schwangeren mit Vorerkrankungen oder erhöhtem Risiko aufgrund der Lebensumstände nach ausführlicher Aufklärung eine Impfung ab dem vierten Monat angeboten werden. Zur Impfung während der Stillzeit gibt es kaum Daten. „Die Stiko hält es jedoch für sehr unwahrscheinlich, dass eine Impfung der Mutter während der Stillzeit ein Risiko für den Säugling darstellt“, heißt es vom Robert-koch-institut.
Bald steht die Grippeimpfung an. Gibt es eine Doppelimpfung?
Der Hausärzteverband würde vor allem in den Pflegeheimen gerne koordiniert impfen. „Mit mobilen Impfteams wird die Gruppe der Erstgeimpften, also die Bewohner der Seniorenheime, in den nächsten Wochen ihre Drittimpfung erhalten. Für uns wäre es natürlich gut, wenn die Grippeimpfung, die wir jährlich im gleichen Zeitraum bei den Älteren durchführen, gleich mit einbezogen werden könnte“, sagte Oliver Funken, Chef des Hausarztverbandes NRW: „Hier warten wir noch auf eine Empfehlung der Stiko.“
Gibt es schon einen Doppel-impfstoff? Noch nicht, aber der US-HERsteller Novavax arbeitet daran. Der Konzern will voraussichtlich im Oktober seine Zulassung einreichen. Bei dem Impfstoff handelt es sich um einen Totimpfstoff. Wenn der Impfling seine erste Dosis von Novavax gegen Corona erhält, könnte er parallel eine Grippeschutz-impfung erhalten. Die Studie zeigte, dass die Wirksamkeit dadurch nicht verringert wurde und keine zusätzlichen Nebenwirkungen auftraten.
Was ist ein Totimpfstoff? Hier wird ein künstlich erzeugtes Antigen wie ein ein künstlich erzeugtes SpikeProtein gespritzt, das dem Coronavirus sein stacheliges Aussehen gibt. Bei mrna-impfstoffen werden hingegen Baupläne injiziert, die den menschlichen Körper zur Herstellung der Antigene bringen. Allerdings sollte man mit Blick auf die Pandemie nicht abwarten, bis Totimpfstoffe kommen, sondern sich zunächst mit den jetzt verfügbaren Vakzinen impfen lassen.
Soll man seinen Antikörperstatus testen lassen? Nein. Mit der Zeit sinkt zwar die Wirksamkeit. „Der Impfschutz gegen Ansteckung (nicht gegen schwere Krankheit) geht wohl nach einem halben Jahr im Schnitt auf 50 bis 60 Prozent zurück“, sagt der Spd-gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Daher wird für bestimmte Gruppen auch eine Auffrischung geplant. Doch von einem flächendeckenden Antikörper-test hält die Stiko nichts: Zum einen gebe es kein einheitliches serologisches Korrelat im Blut – also keinen bestimmten Schwellenwert, ab dem Immunität angenommen werden kann. Zudem besteht die Immunantwort nicht nur aus Antikörpern, sondern auch aus T-zellen, die infizierte Zellen vernichten. Diese würden durch einen Antikörper-test gar nicht erfasst.