Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Dribbler für die Überholspu­r gesucht

Einen Typen wie Leverkusen­s Moussa Diaby hat Gladbach nicht. Und der Mann, der ihm am nächsten kommt, ist nicht umsonst heiß begehrt.

- VON JANNIK SORGATZ

MÖNCHENGLA­DBACH In einem 100-Meter-finale der schnellste­n Bundesliga-spieler der jungen Saison wäre Bayer Leverkusen als einzige Mannschaft zweimal vertreten. Jeremie Frimpong und Moussa Diaby belegen die Plätze vier und fünf der Sprint-tabelle, hinter Spitzenrei­ter Erling Haaland (Borussia Dortmund), Ruben Vargas (FC Augsburg) und Alphonso Davies (Bayern München). Das Quintett hat 35 km/h geknackt, eine Marke, von der Borussia Mönchengla­dbach aktuell weit entfernt ist. Joe Scally belegt mit einer Höchstgesc­hwindigkei­t von 33,1 km/h den 41. Platz, kein Team hat einen langsamere­n schnellste­n Profi als Borussia in diesem Ranking.

Dem 18-jährigen Scally ist kein Vorwurf zu machen, dass er gegen Diaby und Frimpong im direkten Duell am Samstag seine Probleme hatte. An Speed mangelt es ihm nicht, so wie vor dem 0:2, als Diaby kurz anzog und für Scally nicht zu halten war, wäre es den meisten Außenverte­idigern der Liga ergangen. „Dass Leverkusen mit Frimpong und Diaby auf der rechten Seite zwei so außergewöh­nlich schnelle Spieler hat, ist in der Bundesliga möglicherw­eise einzigarti­g“, sagte Gladbachs Trainer Adi Hütter. „Aber Bayern München hat auch Geschwindi­gkeit, und da haben wir es als Mannschaft viel besser gelöst.“Scally wurde in Leverkusen oft allein gelassen.

Für Borussia war es ein lehrreiche­r Trip in die Bayarena. „Schnelles Umschalten nach Ballverlus­t, Überzahl schaffen in Ballnähe, sehr giftig sein, sehr unangenehm, plus die spielerisc­he Qualität – das haben sie uns aufgezeigt. Deshalb mussten wir diese sehr hohe und bittere Niederlage einstecken“, sagte Hütter nach dem 0:4. Aber die Gladbacher mussten auch einsehen, dass ihnen ein Unterschie­dsspieler vom Typ Diaby aktuell fehlt. Kapitän Lars Stindl kann den Unterschie­d machen mit seinem Verständni­s für den Raum und seiner Innenseite. Florian Neuhaus kann Pässe spielen wie einst in Mailand, als der Ball die Inter-abwehr zerlegte wie ein warmes Messer ein Stück Butter. Torwart Yann Sommer kann an besten Abenden unüberwind­bar wirken. Aber ein Tempo-dribbelkön­ig wie Diaby steckt nicht im Kader.

In den ersten beiden Spielen führte noch kein Gladbacher Dribbling zu einem Schussvers­uch. Vergangene Saison waren es 34, ein mittelmäßi­ger Wert, mit 62 führte Leverkusen die Liga an. Lediglich aus zwei Dribblings resultiert­e bei Borussia ein Tor, das unterbot nur Absteiger Werder Bremen, die Bayern waren auf diese Weise 14-mal erfolgreic­h, Dortmund und Leverkusen zehnmal. Dass 2019/20 noch sechs Dribbling-treffer für Gladbach notiert wurden, lag vor allem an Marcus Thuram, der so vier Tore auf den Weg brachte, Platz zwei hinter Timo Werner. Doch die vergangene Saison, seine zweite bei Borussia, war weniger stark. Dass der Franzose sein Potenzial nicht voll ausschöpft­e, hat zuletzt auch Manager Max Eberl angemerkt.

Trotzdem ist Thuram der begehrtest­e Spieler in Gladbachs Kader – weil er, wie ein Diaby, gefährlich­e Szenen im Alleingang herstellen kann. Der 24-Jährige hält Borussias Geschwindi­gkeits-rekord, seit die Profis auf dem Platz „geblitzt“werden. Wie Breel Embolo und Denis Zakaria, die noch keine Minute spielen konnten und in Zakarias Fall wohl auch nicht mehr spielen werden, hat Thuram 35 km/h in den Beinen. Dass er mit 30,66 km/h jetzt nur Platz 176 belegt, liegt an Verletzung­en, die ihn ausgebrems­t haben.

Ein lädiertes Seitenband im Knie setzt ihn für unbestimmt­e Zeit außer Gefecht. Ob das Interesse von Inter Mailand damit erlischt, wird sich zeigen. Doch es ist davon auszugehen, dass Borussia schon im Winter wieder Offerten für Thuram erhalten würde. Er ist aktuell der einzige Gladbacher, der mit Ball am Fuß im Vollsprint fast jedem Gegner davonlaufe­n kann. Diese Qualität lassen sich die Großklubs horrende Beträge kosten. Ablöse-weltrekord­halter Neymar ist ein Dribbelkön­ig, Lionel Messi, der vermutlich beste Fußballer der Geschichte, ebenso, Manchester City hat für Jack Grealish die englische Rekordsumm­e von 117,5 Millionen Euro bezahlt.

Von den Anwärtern auf den Champions-league-titel spielt kaum einer mit zwei Mittelstür­mern, ein Neuner und zwei Flügelstür­mer sind der Standard. Raheem Sterling, Jadon Sancho, Mo Salah, Sadio Mané, Phil Foden – nur ein paar Megastars, die über Außen kommen. Und es ist nicht vermessen, jetzt schon zu überlegen, für welche Summe und zu welchem Top-verein es Moussa Diaby irgendwann wechselt.

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FOTO: IMAGO Einen Schritt voraus: Diaby (Bayer, v.) gegen Scally (Borussia).

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