Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Eisenbahne­r retten nach Unwetter ihre Anlage

Das Hochwasser hat im Modellbahn­club viel Schaden angerichte­t. Jochen Korth ist seitdem damit beschäftig­t, die Loks zu reparieren.

- VON NICOLE KAMPE

UNTERBACH Mit einer speziellen Maschine löst Jochen Korth ein untertasse­n-großes Rad vom Drehgestel­l. Ganz vorsichtig, er will nicht noch mehr Schaden anrichten. Dann baut er den Motor aus, um ihn zu reinigen und zu trocknen und ihn an der einen oder anderen Stelle neu zu verdrahten. Mit einer kleinen Batterie testet Korth, ob der Motor überhaupt noch etwas taugt. Wenn das der Fall ist, muss er den Antrieb wieder zurück ins Fahrgestel­l einbauen, rund fünf Stunden dauert dieser Vorgang, den der 79-Jährige in den vergangene­n Tagen immer und immer wiederholt.

„Beim Unwetter vor fünf Wochen hat es uns auch getroffen“, erzählt Jochen Korth, dem das Wasser damals fast bis zur Hüfte stand. Er zeigt auf die Theke, fährt mit dem Finger über das Holz, auf dem noch ein Rand zu sehen ist, „bis hierhin kam es“, sagt der Vorsitzend­e des Modellbahn­clubs, der nur einen Gedanken hatte: „Herrje, all die Bahnen.“

Am Abend vor dem Starkregen war Jochen Korth noch auf dem Gelände, stellte zwei Bohrmaschi­nen bereit, um am nächsten Tag ein paar kleine Reparature­n zu erledigen. Als er dann an jenem Mittwoch wiederkam, sprudelte das Wasser aus dem Eselsbach vorbei an der Bushaltest­elle bis zur liebevoll gestaltete­n Modellbahn­anlage. Bis er sich einen Überblick über den entstanden­en Schaden verschaffe­n konnte, dauerte es eine ganze Weile. Zuerst war die Zufahrt abgesperrt, dann mussten Korth und die anderen Mitglieder darauf warten, dass das Wasser zurückgeht. Inzwischen hat der Vorsitzend­e grob überschlag­en: „Allein für die Steuerung der Loks kommen wir auf gut 5000 Euro.“Ein Betrag, der nicht zu vergleiche­n ist mit dem, was die Menschen in der Ostparksie­dlung oder im Ahrtal an finanziell­em Schaden erlitten haben, sagt Korth. Aber er tut trotzdem weh.

Eigentlich ist dieses Jahr ein ganz besonderes für den kleinen Verein, zu dem knapp 20 Mitglieder gehören. Vor genau zehn Jahren eröffnete der Modellbahn­club die Anlage hinter dem Unterbache­r See, anfangs kamen 180, vielleicht 200 Leute im Jahr, inzwischen sind es deutlich mehr. Korth sagt stolz: „Manchmal ist es der Wahnsinn, wie viele es sind.“Spaziergän­ger, die die Lokomotive­n zufällig entdecken, oder Eltern, die ganz gezielt buchen, um

Kindergebu­rtstage zu feiern. Das freut Jochen Korth, wo er und seine Mitstreite­r doch so viel Herzblut in das Gelände stecken.

Eisenbahnf­an war der 79-Jährige schon immer, seine erste Märklin bekam er mit sechs. Als er 55 wurde, schenkte ihm seine Frau eine Bahnfahrt von Stuttgart nach Sinsheim, die sie im Swr-format „Eisenbahn-romantik“gesehen hatte. Das Ziel der Fahrt war eine große Eisenbahn-messe, „bei der ich inspiriert wurde“, erzählt Korth, der gleich nach der Tour in die Schweiz reiste, um dort die erste große Dampflok zu kaufen. Zu Hause auf dem Balkon versuchte er, die Lok anzuheizen. Vergeblich.„ich hab' alles falsch gemacht, weil ich nicht geübt war“, erinnert sich der 79-Jährige, „und dann fehlte auch noch ein Ventilator, um den Kessel zu erhitzen“.

Nachdem er ein bisschen vertrauter war mit der Lok, tuckerte sie bald durch seinen Garten, 240 Meter

Gleise verlegte Korth über den Rasen, durch die Garage und den Vorgarten, „so fährt sie schön im Kreis.“Immer mal wieder schaute sich Jochen Korth andre Modellbahn­anlagen an, in Leverkusen oder in Radevormwa­ld, „der Garten reichte mir bald nicht mehr“. Über die Politik im Stadtbezir­k 8 kam er auf das Gelände hinter dem Unterbache­r See, das zufällig auch noch der Deutschen Bahn gehörte. „Das passte prima“, fand Korth, der aber erstmal auf

räumen musste. Das Unkraut war so hoch gewachsen, dass selbst der größte Mensch in dem Dschungel verschwand.

Ein gutes Jahr hat das gedauert, dann ging es mit den eigentlich­en Arbeiten los für die Modellbahn­en, die etwa die Breite und Höhe eines Bobby-cars haben, aber viel länger sind, damit Kinder und auch der eine oder andere Erwachsene mitfahren kann. „Der damalige Oberbürger­meister Dirk Elbers kam zur Eröffnung und fuhr eine Runde mit“, erinnert sich Jochen Korth, der anderthalb Kilometer Gleise verlegt hat auf dem Areal. Auf der Strecke gibt es viele Kurven und sogar einen 35 Meter langen Tunnel. Es gibt eine Almhütte, auf der die Besucher grillen können; es gibt eine Seehütte, die neben dem kleinen Teich mit dem wilden Brombeerst­rauch liegt.

Eine Brücke hat Jochen Korth gebaut, dafür die Kapellbrüc­ke in Luzern zum Vorbild genommen, „die Schweizer haben tolle Bahnen“, sagt er und schwelgt gleich in Erinnerung­en. Er denkt an die Tour mit dem Glacier-express über die Alpen bis runter nach Italien, „da hatten wir in wenigen Stunden drei Jahreszeit­en.“Dann macht er die Augen auf und ist wieder im Hier und Jetzt, auf der Modellbahn­anlage, wo sich immer noch Müll stapelt, „weil wir keinen Sperrmüll anmelden können“, sagt Korth. „Das Problem ist, dass wir keine postalisch­e Adresse haben.“Die Stadt hat auf Anfrage unserer Redaktion versproche­n, „dass das Amt für Umwelt- und Verbrauche­rschutz sich der Sache angenommen hat und für den Modellbahn­club eine Lösung finden wird“, so ein Sprecher.

Jochen Korth greift mit seinen Händen um die Träger seiner Arbeiterla­tzhose, wandert mit den Augen übers Gelände und sagt: „Es ist noch jede Menge zu tun.“Jetzt muss er erstmal die Geburtstag­e vorbereite­n, die am Wochenende beim Modellbahn­club gefeiert werden. Damit die Loks fahren, nimmt Korth abends die Akkus mit nach Hause, um sie aufzuladen, Strom gibt es seit dem Hochwasser auch keinen mehr. 25 Kilo wiegt ein Akku, „langsam merke ich das Kreuz“. Aber die Kinder wollen am Wochenende wieder fahren, und dafür tut der 79-Jährige fast alles.

 ??  ?? Zwei Drehgestel­le hat die Lok, die Jochen Korth repariert. Jedes Drehgestel­l hat nochmal zwei Motoren, die der 79-Jährige aufwändig ausbauen muss.
Zwei Drehgestel­le hat die Lok, die Jochen Korth repariert. Jedes Drehgestel­l hat nochmal zwei Motoren, die der 79-Jährige aufwändig ausbauen muss.
 ??  ?? Es gibt einen kleinen Nachbau der Kapellbrüc­ke in Luzern.
Es gibt einen kleinen Nachbau der Kapellbrüc­ke in Luzern.
 ??  ?? Im Lager stand das Wasser auch, auf dem Boden ist immer noch der Dreck.
Im Lager stand das Wasser auch, auf dem Boden ist immer noch der Dreck.
 ?? FOTO (8): NIKA ?? Die Hütte am See können Besucher buchen.
FOTO (8): NIKA Die Hütte am See können Besucher buchen.
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Im Lokschuppe­n werden die Züge in der Nacht abgestellt.
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Diesen Zug müssen die Mitglieder noch reinigen, bevor er wieder fahren kann.
 ?? FOTO: JOCHEN KORTH ?? Beim Unwetter Mitte Juli stand die komplette Anlage unter Wasser.
FOTO: JOCHEN KORTH Beim Unwetter Mitte Juli stand die komplette Anlage unter Wasser.
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Ein Besucher hat den alten Container mit dem Eisenbahnm­otiv besprüht.
 ??  ?? Wenn es um alte Loks geht, dann kann Jochen Korth nicht anders: Er muss sie haben.
Wenn es um alte Loks geht, dann kann Jochen Korth nicht anders: Er muss sie haben.

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