Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Eisenbahner retten nach Unwetter ihre Anlage
Das Hochwasser hat im Modellbahnclub viel Schaden angerichtet. Jochen Korth ist seitdem damit beschäftigt, die Loks zu reparieren.
UNTERBACH Mit einer speziellen Maschine löst Jochen Korth ein untertassen-großes Rad vom Drehgestell. Ganz vorsichtig, er will nicht noch mehr Schaden anrichten. Dann baut er den Motor aus, um ihn zu reinigen und zu trocknen und ihn an der einen oder anderen Stelle neu zu verdrahten. Mit einer kleinen Batterie testet Korth, ob der Motor überhaupt noch etwas taugt. Wenn das der Fall ist, muss er den Antrieb wieder zurück ins Fahrgestell einbauen, rund fünf Stunden dauert dieser Vorgang, den der 79-Jährige in den vergangenen Tagen immer und immer wiederholt.
„Beim Unwetter vor fünf Wochen hat es uns auch getroffen“, erzählt Jochen Korth, dem das Wasser damals fast bis zur Hüfte stand. Er zeigt auf die Theke, fährt mit dem Finger über das Holz, auf dem noch ein Rand zu sehen ist, „bis hierhin kam es“, sagt der Vorsitzende des Modellbahnclubs, der nur einen Gedanken hatte: „Herrje, all die Bahnen.“
Am Abend vor dem Starkregen war Jochen Korth noch auf dem Gelände, stellte zwei Bohrmaschinen bereit, um am nächsten Tag ein paar kleine Reparaturen zu erledigen. Als er dann an jenem Mittwoch wiederkam, sprudelte das Wasser aus dem Eselsbach vorbei an der Bushaltestelle bis zur liebevoll gestalteten Modellbahnanlage. Bis er sich einen Überblick über den entstandenen Schaden verschaffen konnte, dauerte es eine ganze Weile. Zuerst war die Zufahrt abgesperrt, dann mussten Korth und die anderen Mitglieder darauf warten, dass das Wasser zurückgeht. Inzwischen hat der Vorsitzende grob überschlagen: „Allein für die Steuerung der Loks kommen wir auf gut 5000 Euro.“Ein Betrag, der nicht zu vergleichen ist mit dem, was die Menschen in der Ostparksiedlung oder im Ahrtal an finanziellem Schaden erlitten haben, sagt Korth. Aber er tut trotzdem weh.
Eigentlich ist dieses Jahr ein ganz besonderes für den kleinen Verein, zu dem knapp 20 Mitglieder gehören. Vor genau zehn Jahren eröffnete der Modellbahnclub die Anlage hinter dem Unterbacher See, anfangs kamen 180, vielleicht 200 Leute im Jahr, inzwischen sind es deutlich mehr. Korth sagt stolz: „Manchmal ist es der Wahnsinn, wie viele es sind.“Spaziergänger, die die Lokomotiven zufällig entdecken, oder Eltern, die ganz gezielt buchen, um
Kindergeburtstage zu feiern. Das freut Jochen Korth, wo er und seine Mitstreiter doch so viel Herzblut in das Gelände stecken.
Eisenbahnfan war der 79-Jährige schon immer, seine erste Märklin bekam er mit sechs. Als er 55 wurde, schenkte ihm seine Frau eine Bahnfahrt von Stuttgart nach Sinsheim, die sie im Swr-format „Eisenbahn-romantik“gesehen hatte. Das Ziel der Fahrt war eine große Eisenbahn-messe, „bei der ich inspiriert wurde“, erzählt Korth, der gleich nach der Tour in die Schweiz reiste, um dort die erste große Dampflok zu kaufen. Zu Hause auf dem Balkon versuchte er, die Lok anzuheizen. Vergeblich.„ich hab' alles falsch gemacht, weil ich nicht geübt war“, erinnert sich der 79-Jährige, „und dann fehlte auch noch ein Ventilator, um den Kessel zu erhitzen“.
Nachdem er ein bisschen vertrauter war mit der Lok, tuckerte sie bald durch seinen Garten, 240 Meter
Gleise verlegte Korth über den Rasen, durch die Garage und den Vorgarten, „so fährt sie schön im Kreis.“Immer mal wieder schaute sich Jochen Korth andre Modellbahnanlagen an, in Leverkusen oder in Radevormwald, „der Garten reichte mir bald nicht mehr“. Über die Politik im Stadtbezirk 8 kam er auf das Gelände hinter dem Unterbacher See, das zufällig auch noch der Deutschen Bahn gehörte. „Das passte prima“, fand Korth, der aber erstmal auf
räumen musste. Das Unkraut war so hoch gewachsen, dass selbst der größte Mensch in dem Dschungel verschwand.
Ein gutes Jahr hat das gedauert, dann ging es mit den eigentlichen Arbeiten los für die Modellbahnen, die etwa die Breite und Höhe eines Bobby-cars haben, aber viel länger sind, damit Kinder und auch der eine oder andere Erwachsene mitfahren kann. „Der damalige Oberbürgermeister Dirk Elbers kam zur Eröffnung und fuhr eine Runde mit“, erinnert sich Jochen Korth, der anderthalb Kilometer Gleise verlegt hat auf dem Areal. Auf der Strecke gibt es viele Kurven und sogar einen 35 Meter langen Tunnel. Es gibt eine Almhütte, auf der die Besucher grillen können; es gibt eine Seehütte, die neben dem kleinen Teich mit dem wilden Brombeerstrauch liegt.
Eine Brücke hat Jochen Korth gebaut, dafür die Kapellbrücke in Luzern zum Vorbild genommen, „die Schweizer haben tolle Bahnen“, sagt er und schwelgt gleich in Erinnerungen. Er denkt an die Tour mit dem Glacier-express über die Alpen bis runter nach Italien, „da hatten wir in wenigen Stunden drei Jahreszeiten.“Dann macht er die Augen auf und ist wieder im Hier und Jetzt, auf der Modellbahnanlage, wo sich immer noch Müll stapelt, „weil wir keinen Sperrmüll anmelden können“, sagt Korth. „Das Problem ist, dass wir keine postalische Adresse haben.“Die Stadt hat auf Anfrage unserer Redaktion versprochen, „dass das Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz sich der Sache angenommen hat und für den Modellbahnclub eine Lösung finden wird“, so ein Sprecher.
Jochen Korth greift mit seinen Händen um die Träger seiner Arbeiterlatzhose, wandert mit den Augen übers Gelände und sagt: „Es ist noch jede Menge zu tun.“Jetzt muss er erstmal die Geburtstage vorbereiten, die am Wochenende beim Modellbahnclub gefeiert werden. Damit die Loks fahren, nimmt Korth abends die Akkus mit nach Hause, um sie aufzuladen, Strom gibt es seit dem Hochwasser auch keinen mehr. 25 Kilo wiegt ein Akku, „langsam merke ich das Kreuz“. Aber die Kinder wollen am Wochenende wieder fahren, und dafür tut der 79-Jährige fast alles.