Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Pendlern drohen ungeahnt hohe Kosten
Die steigenden Immobilienpreise in den Metropolen wie Düsseldorf treiben immer mehr Bürger zum Kauf einer Wohnung ins Umland. Doch eine neue Studie zeigt: Auf Dauer kann Pendeln teurer sein, als in der Stadt zu bleiben.
DÜSSELDORF Regelmäßig pendeln rund 300.000 Menschen zu ihren Arbeitsplätzen nach Düsseldorf. Ist das klüger, weil diese Menschen günstiger im Umland wohnen? Oder hat es mehr Sinn, in der NRW-LANdeshauptstadt zwar teurer zu leben und dort auch zu arbeiten, aber dafür kürzere Fahrzeiten zu haben?
Dieser Frage geht das Hamburger Wirtschaftsforschungsinstitut HWWI in einer Studie im Auftrag der Postbank nach, die unserer Redaktion für den Raum Düsseldorf exklusiv vorliegt. Dabei spricht auf den ersten Blick sehr vieles dafür, eher eine Wohnung im Umland zu kaufen als ein Objekt in der Landeshauptstadt: in Düsseldorf kostet der Quadratmeter Eigentumswohnung 4527 Euro, was bei 70 Quadratmetern auf einen Kaufpreis von 317.000 Euro hinausläuft. Dieser Preis ist 20 Prozent höher als noch 2019. Im angrenzenden Rhein-kreis Neuss werden für eine vergleichbare Wohnung bei einem Quadratmeterpreis von 2770 Euro nur 193.000 Euro verlangt, im Kreis Mettmann müssen für eine entsprechende Wohnung im Schnitt 180.000 Euro bezahlt werden, in Duisburg sind es sogar nur 1587 Euro pro Quadratmeter, was auf 111.000 Euro hinausläuft.
Doch obwohl es solch riesige Unterschiede beim Preis gibt, lohnt sich der Umzug ins Umland häufig nicht: „Je größer die Distanz ist, desto teurer wird das Pendeln ja dann“, sagt Dörte Nitt-driesselmann, Marktexpertin beim HWWI. „Die Bürger müssen konkret zwischen der Investitionshöhe für Wohnraum und den Kosten für das Pendeln abwägen.“
Was bedeutet das konkret? Jemand, der nach Hilden umzieht und dort eine Immobilie erwirbt, hat zwar den Vorteil einer 137.000 Euro billigeren Wohnung als in Düsseldorf, wenn man den Durchschnittspreis von 2570 Euro im Landkreis Mettmann anlegt. Aber weil er oder sie jeden Tag mehr als 30 Kilometer unterwegs sein muss, ist der Vorteil nach 21,6 Jahren Pkw-pendelei wieder getilgt. Für Pendler, die mit Bus oder Bahn fahren, ist es dagegen fast 39 Jahre lang günstiger, im Umland zu leben. „Auf kurze Sicht spart der Umzug ins Umland einer Großstadt immer viel Geld“, sagt Nitt-driesselmann. „Aber Wohnungskäufer müssen auch sehen, dass das Pendeln auf Dauer auch sehr teuer sein kann.“
Am meisten schont es das Konto laut der Studie, wenn Bürger nach Duisburg ziehen. Die Preise sind günstiger als an jedem anderen Ort im Umfeld. Und weil Züge zwischen den zwei Hauptbahnhöfen nur 15 Minuten benötigen, müsste ein Berufstätiger 61 Jahre lang pendeln, bis er den Vorteil des Umzugs verloren hat. Wer mit dem Auto fährt, lebt dagegen nur 22,3 Jahre billiger in Duisburg als in Düsseldorf.
Weniger klug ist der Umzug in eine Reihe mittelgroßer Städte im Speckgürtel rund um Düsseldorf, weil die Strecken oft schon relativ lang sind, aber das Preisniveau für Wohnungen schon sehr angezogen hat: Wer nach Haan pendelt, hat den Preisvorteil der günstigeren Immobilie dort schon nach 22 Jahren bei Nahverkehrsnutzung verloren, mit dem Auto nach 18,7 Jahren. In Wülfrath braucht es 15,6 Jahre mit Bus und Bahn, bis der Vorteil weg ist, per Pkw sind es 11,4 Jahre.
Dabei muss die Kalkulation der Forscher erklärt werden: Die Fahrt mit Bus und Bahn wird als relativ günstig bewertet, weil nur die Fahrten von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof (und das mit Dauerkarten) eingerechnet werden. Beim Auto gehen die Forscher von einem Kilometerpreis von 35 Cent aus, weil ja auch Reparaturen, Versicherung und Verschleiß berücksichtigt werden müssen. Und das HWWI berücksichtigt die Zeit, die ein Pendler zusätzlich unterwegs ist, mit einem Stundensatz von 27,70 Euro. „Das ist der durchschnittliche Stundensatz in Düsseldorf“, sagt Nitt-driesselmann. „Wer mehr verdient, müsste im Prinzip noch höhere Kosten einkalkulieren.“
Was raten die Experten von HWWI und Postbank denn nun den Kunden? „Sie müssen Pendelkosten bei ihrer Kalkulation realistisch einbeziehen“, sagt Gabriele Strunk, Regionalbereichsleiterin der Postbank Immobilien Gmbh. Bürger, die als Paar gleich doppelt pendeln, haben beispielsweise noch höhere Ausgaben durch den Umzug ins Umland. Allerdings muss auch gesehen werden, dass der Preisvorteil steigt, wenn eine größere Immobilie gekauft wird. „In Düsseldorf als zentraler Stadt der Region kosten
schon kleinere Häuser oft deutlich mehr als eine halbe Million Euro“, sagt Thomas Abraham vom Bonner Marktforschungsinstitut Empirica. „Das setzt viele Familien unter Druck, ins Umland zu gehen.“
Eine weitere spannende Frage ist, welche Folgen der Trend zum Homeoffice hat. Logisch ist, dass die Fahrtzeiten deutlich sinken, was eigentlich für das flache Land spricht, sofern es dort einen guten Internetzugang gibt. Aber laut Postbank und HWWI ist es eigentlich notwendig, dann auch eine etwas größere Immobilie zu kaufen. „Dann müssen rund 20 Quadratmeter mehr einkalkuliert werden“, meint Nitt-driesselmann. Sie betont aber, es komme sehr auf den Einzelfall an: „Ein Single kann sich natürlich ohne große Zusatzkosten eine Arbeitsecke einrichten, aber bei einer Familie ist wohl ein Extra-arbeitszimmer unvermeidlich.“Außerdem rät sie zu berücksichtigen, dass für Pendler attraktive Wohnungen im Umfeld häufig teurer sind als der Schnitt der Immobilien in einer Region. „Bei einer guten Anbindung nach Düsseldorf ist ein Aufschlag von 20 Prozent nach unserer Erfahrung realistisch.“So sind Wohnungen und Häuser im Duisburger Süden viel teurer als im Norden, weil es ja extrem schnell nach Düsseldorf geht.
Das sieht auch der Düsseldorfer Makler Wulff Aengevelt so: „Lage, Lage, Lage ist alles beim Kauf einer Immobilie. Und da muss man feststellen, dass beispielsweise die Nähe zu einer S-bahn-haltestelle den Preis einer Wohnung oder eines Hauses im Umland deutlich hochdrücken.“