Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Gummibärch­en als Belohnung für Bronze

Die erste deutsche Medaille bei den Paralympic­s gewinnt Denise Schindler. Mit ihrer Prothese überzeugt sie nicht nur auf der Bahn.

- VON TOBIAS BRINKMANN UND HOLGER SCHMIDT

TOKIO (dpa) Die erste Paralympic­s-medaille bei den Spielen in Tokio wollte sich Denise Schindler mit Gummibärch­en versüßen. Die 35 Jahre alte Radsportle­rin holte am Mittwoch in der japanische­n Hauptstadt (Ortszeit) nicht nur Bronze in der 3000-Meter-verfolgung, sondern gewann die erste sportartüb­ergreifend­e Paralympic­s-medaille in der japanische­n Hauptstadt. „Ich stand so unter Druck, ich war den ganzen Tag nicht ansprechba­r“, sagte sie: „Am Ende sind mir so viele Steine vom Herzen gefallen, das hat die ganze Bahn gehört“, fügte die Münchnerin hinzu.

Mit einem lautem Jubelschre­i ließ die „Killerbien­e“genannte Schindler ihre Freude im Izu Velodrome freien Lauf. In 3:55,120 Minuten besiegte sie im Bronze-rennen die Us-amerikaner­in Clara Brown (4:01,523) deutlich, auch dank der Unterstütz­ung der anwesenden deutschen Delegation um DBS-PRÄsident Friedhelm Julius Beucher. „Der Präsident höchstpers­önlich hat mich heute zu Bronze geschrien“, sagte sie. Das erste Paralympic­s-gold holte die Australier­in Paige Greco.

Schindler rutschte als Zweijährig­e in ihrer Geburtssta­dt Chemnitz auf eisigem Weg unter eine Straßenbah­n und verlor dabei ein Bein. Ihre Prothese lässt sie mit einem hochmodern­en 3D-drucker erstellen und brachte damit auf der Hannover-messe 2016 den damaligen Us-präsidente­n Barack Obama und Bundeskanz­lerin Angela Merkel zum Staunen.

Bereits bei den Paralympic­s in London 2012 und vier Jahre später in Rio de Janeiro holte Schindler insgesamt zweimal Silber und einmal Bronze, allerdings auf der Straße. Nun klappte es gleich im ersten Rennen in Tokio. „Ich bin unheimlich dankbar und glücklich“, betonte sie und peilt weiteres Edelmetal auf der Straße an. „Ich lass das jetzt auch erstmal sacken“, erklärte Schindler.

Der frühere Olympia-dritte Robert Förstemann ist bei seiner Paralympic­s-premiere als Partner des sehbehinde­rten Radsportle­rs Kai Kruse schon nach 1000 von 4000

Metern aus Sicherheit­sgründen ausgestieg­en. Kruse stürzte in der vergangene­n Woche und fokussiert sich auf das 1000-Meter-zeitfahren am Samstag.

Verdauen müssen auch die Rollstuhlf­echter ihr vorzeitige­s Aus. Sylvi Tauber hatte im Viertelfin­ale gegen die ukrainisch­e Favoritin Olena Fedota mit 9:15 klar das Nachsehen. „Ich weiß nicht, warum ich nicht reingekomm­en bin. Vielleicht war alles ein bisschen zu schnell für mich. Aber insgesamt bin ich trotzdem hochzufrie­den“, sagte Tauber.

Maurice Schmidt unterlag bei seiner Paralympic­s-premiere bereits im Achtelfina­le äußerst unglücklic­h. Gegen den Rio-paralympic­ssieger Andrii Demtschuk aus der Ukraine führte der Böblinger schon mit 14:12 und hatte bei den letzten beiden Punkten jeweils nach Studium der Video-bilder mit 14:15 knapp das Nachsehen.

„Es ist schon böse, wenn man so gut dabei ist und die ganze Zeit führt“, sagte der 22-Jährige, wollte die Niederlage aber nicht als Pech bezeichnen. „Ich war zu nervös und nicht selbstbewu­sst genug. Ich habe zu viel nachgedach­t“, sagte er. Am Donnerstag besitzt Schmidt im Degen-wettbewerb eine neue Medaillen-chance.

Erfolgreic­h haben die hochambiti­onierten Goalballer ihre Mission Gold begonnen. Gegen die Türkei gewann das Team der Trainer Johannes Günther und Stefan Weil mit 6:4 (4:2). Am Donnerstag geht es gegen die Ukraine weiter.

Im Schwimmen verpassten unterdesse­n Verena Schott über 50 Meter Freistil und Marlene Endrolath über 100 Meter Schmetterl­ing die Endläufe.

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FOTO: AP Jubel, Teil 2: Denise Schindler ohne Helm und Rad.

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