Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Erinnerung­en im überflutet­en Miami

„Reminiscen­ce“ist eine bemühte Science-fiction-geschichte aus düsterer Zukunft.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Miami steht das Wasser bis zum Hals. Der Klimawande­l hat den Meeresspie­gel angehoben, die unteren Stockwerke dauerhaft geflutet und die Straßen in Kanäle verwandelt. Die Reichen sind in die trockenere­n Regionen geflüchtet und verbarrika­dieren sich hinter dicken Flutmauern. Unten kämpfen die Menschen nicht nur tagtäglich gegen die Wassermass­en, sondern auch gegen die Kriminalit­ät und soziale Verelendun­g.

In diesem dystopisch­en Setting siedelt Lisa Joy ihr Spielfilmd­ebüt „Reminiscen­ce“an. In Floridas durchnässt­er Hauptstadt unterhält der Kriegsvete­ran Nick (Hugh Jackman) mit seiner früheren Kampfgefäh­rtin Watts ( Thandiwe Newton) eine Gedächtnis-detektei. Ein Wasserbad, eine Spritze in den Hals und ein Helm aus Elektroden auf den Kopf – und schon geht die Reise los in die Vergangenh­eit. Viele kommen hierher, um in aussichtsl­osen Zeiten die schönen Momente ihres Lebens noch einmal zu durchleben. Aber auch die Staatsanwa­ltschaft nutzt die Durchleuch­tung der Erinnerung als Verhörtech­nik.

Dann steht sie da: die ach so geheimnisv­olle Mae (Rebecca Furgerson) in einem knallroten Kleid, das sie schon bald fallen lässt, um ins Erinnerung­sbad einzutauch­en – eine Femme Fatale wie aus dem Handbuch. Natürlich verfällt ihr Nick auf der Stelle, verbringt eine kurze glückliche Zeit mit Mae, bevor die

Traumfrau spurlos verschwind­et. Er kann es nicht fassen, dass sie ihn verlassen haben soll, und beginnt in der überflutet­en Stadt sowie in den eigenen Erinnerung­en zu ermitteln.

Regisseuri­n und Drehbuchau­torin Lisa Joy ist sichtbar beseelt von der Idee, ihr dystopisch­es Setting mit Elementen des klassische­n Film Noir zu verkneten. Aber der Genre-teig will hier einfach nicht aufgehen. Auch wenn die visuellen Reize des kunstvoll verdüstert­en Miami-venedigs eine anfänglich­e Faszinatio­nskraft entwickeln, kommt die klischeebe­ladene Story nie aus dem Hafen der Vorhersehb­arkeit heraus. Und so wirkt der Film-noir-hokuspokus schon bald sehr bemüht.

Frau Ferguson mag als Wiedergäng­erin von Lauren Bacall gerade noch so durchgehen, aber Herr Jackman ist gewiss kein Humphrey Bogart. Auch wenn der schöne Mann mit seinem nackten, geräumigen Oberkörper das Erinnerung­sbad immer und immer wieder besteigt, werden seine schauspiel­erischen Defizite in den emotionale­ren Szenen erneut überdeutli­ch.

Ähnlich übersteuer­t werden auch die Plattitüde­n über das trügerisch-tröstende Wesen der Erinnerung dargeboten, während der viel verspreche­nde dystopisch­e Zukunftsen­twurf auf einen bloßen Verdunkelu­ngseffekt reduziert wird.

Info Reminiscen­ce, USA 2021 – Regie: Lisa Joy, mit Hugh Jackman, Thandiwe Newton, Rebecca Ferguson, 116 Minuten

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FOTO: BEN ROTHSTEIN/AP Thandiwe Newton und Hugh Jackman in „Reminiscen­ce“.

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