Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Immer Ärger mit der Nudel

Zwei Männer in der Badewanne, ein Hochzeitsa­ntrag mit Hinderniss­en: Nach mehr als einem Jahr hat die Komödie jetzt wieder ein Publikum begrüßt. Zum Auftakt gab es eine sympathisc­he Revue mit den besten Sketchen von Loriot.

- VON CAROLIN STRECKMANN

DÜSSELDORF Unter den Sketchen des legendären Humoristen Loriot ist „Die Nudel“ebenso berühmt wie berüchtigt. In der Komödie in der Steinstraß­e wird sie ihrem Ruf nach dem Premierena­bend am Donnerstag einmal mehr gerecht. Sie sorgte für die lautesten Lacher und für den Höhepunkt des Abends – und das vor allem durch eine Panne und die Durchbrech­ung der vierten Wand. Das ist Theater. Und das hat eine lange Zeit gefehlt.

15 Monate war die Komödie geschlosse­n, gebeutelt durch Corona, finanziell­e Schwierigk­eiten und nicht zuletzt das bevorstehe­nde Ende des Mietvertra­gs nach dem Kauf des Gebäudes an der Steinstraß­e durch einen neuen Investor. Doch jetzt wird wieder gespielt. Eröffnet wurde die Saison von Peter Millowitsc­h und seinem dreiköpfig­en Ensemble.

Dabei passt es gut, dass die lang ersehnte Rückkehr ins Theater nach Monaten des Schwelgens in Erinnerung­en an schöne Theaterabe­nde von einem ähnlich sehnsuchts­vollen Blick in die Vergangenh­eit und einigen der bedeutends­ten Momente der deutschen Komik begleitet wurden. Dass das Publikum sich auf Altbekannt­es freut, zeigt sich gleich am Anfang von „Loriot: ‚Szenen einer Ehe' und andere Tücken des Alltags“.

Kaum erscheinen Katrin Höft und Michi Kleiber auf der Bühne – vor geschlosse­nem Vorhang, auf einer kleinen Chaiselong­ue sitzend, mit starren Gesichtsau­sdrücken nach vorne blickend – da schallen bereits die ersten Lacher durch den Zuschauerr­aum. Man weiß, was einen erwartet, und man kriegt es. Die Darsteller eröffnen den LoriotAben­d mit der Diskussion zweier Ehepartner über den kaputten Fernseher. Es ist ein Sketch, der auch heute noch gut in die Zeit passt, wenn man den Fernseher gedanklich auf andere Bildschirm­geräte wie das Smartphone erweitert.

Jedes Mal, wenn sich der Vorhang zu einer neuen Szenerie öffnet, gibt es einige Zuschaueri­nnen und Zuschauer, die auf Anhieb erkennen, was jetzt kommt. „Das Frühstücks­ei“, flüstert jemand, bevor Höft und Kleiber den bekannten Streit über dessen Härtegrad führen. Besonders groß ist das Gelächter kurz vor der Pause, als der Vorhang sich auf eine blaugeflie­ste Badewanne öffnet, natürlich mit der berühmten Ente daneben. Und zum Schluss, wenn Kleiber mit einem Banjo vor den Vorhang tritt und anfängt zu singen, stimmen einige im Publikum ein: „Ich wünsch mir 'ne kleine Miezekatze für mein Wochenendh­aus.“

Ein guter Einfall von Regisseur Peter Millowitsc­h ist es, dass der Umbau zwischen den Szenerien nicht nur von beschwingt­er Musik begleitet wird, sondern dabei zahlreiche Sätze aus Loriots Werken einzeln eingespiel­t werden. Manchmal reicht schon ein „Es saugt und bläst der Heinzelman­n, wo Mutti sonst nur saugen kann“oder „Früher war mehr Lametta“, dass das Publikum sich gut amüsiert.

Der Höhepunkt des KomödienAb­ends kommt dann aber gleich nach der Pause. Wieder geht der Vorhang auf, ein Mann und eine Frau sitzen an einem Tisch, ein Weinglas steht darauf. „Die Nudel“hört man es im Zuschauerr­aum schon flüstern. Und was für eine widerspens­tige Nudel das ist, erfährt Schauspiel­er Jan Schuba gleich darauf am eigenen Leib.

Denn die Nudel, die er sich beim Abwischen seines Mundes mit einer Serviette ins Gesicht klebt, will einfach nicht hängen bleiben. Und das, obwohl es in dem Sketch doch gerade darum geht, dass sie hartnäckig an dem armen Herrn klebt, der davon nichts mitbekommt. Unauffälli­g heftet Schuba sich die Requisite wieder an. Das Publikum ist erheitert. Schuba fährt unbeirrt im Text fort. Doch dann erneut: Die Nudel fällt runter, gerade als er sagt: „Hildegard, schauen Sie mich an.“Er improvisie­rt. „Nein“, sagt er, während er weiter mit der Nudel kämpft, „schauen Sie mich jetzt nicht an, schauen Sie darüber.“

Am Ende ist es die große Freude des Publikums über diese Spontanitä­t, die Schuba für einen Moment aus der Rolle fallen lässt. Er kämpft selbst mit dem Lachen, wendet sich schließlic­h zum Publikum und ruft: „Meine Damen und Herren, kennen Sie diese Nummer?“Das Publikum lacht. „So nicht“, kommt eine Antwort. Da muss auch Schuba für einem Moment losprusten. Doch er fängt sich schnell und spielt die Szene mit beachtlich­er Souveränit­ät weiter, auch als die Nudel ein weiteres Mal herunterfä­llt. Ebenso beeindruck­end ist die Leistung von Katrin Höft, die während der ganzen Panne keine Miene verzieht.

Das Publikum verzeiht den NudelFauxp­as, die Nummer ist der größte Erfolg. Das dreiköpfig­e Ensemble zeigt den ganzen Abend über eine gute Leistung, sie alle schlüpfen problemlos von einer Rolle in die andere. Dafür ernten sie am Ende, gemeinsam mit Peter Millowitsc­h, langanhalt­enden Applaus und stehende Ovationen.

Obwohl die Sketche zum Teil fast 50 Jahre alt sind, erscheinen viele überrasche­nd frisch. Sogar die Nummern über den Wahlkampf von CDU, SPD und FDP wirken keineswegs angestaubt – trotz inzwischen veränderte­r politische­r Verhältnis­se. Anderen Themen, etwa den Kommunikat­ionsproble­men zwischen Männern und Frauen, merkt man dagegen schon an, dass die Zeit über sie hinweggega­ngen ist.

Trotzdem bringt das Team eine gute Mischung auf die Bühne. Am Ende bleibt allenfalls Bedauern, dass es unter der großen Zahl an Loriots Werken einige Nummern gibt, die man an diesem Abend gerne gesehen hätte, die es aber nicht in die Auswahl geschafft haben. Doch die größten Hoffnungen wurden erfüllt. Nicht zuletzt durch die vermaledei­te Nudel. Die bleibt am Ende hängen – wenn schon nicht in Schubas Gesicht, so doch wenigstens in den Köpfen des Publikums.

 ?? FOTO: PETER BOCKLAGE/KOMÖDIE ?? Michi Kleiber und Katrin Höft bringen Loriots Sketche über Ehepartner auf die Bühne.
FOTO: PETER BOCKLAGE/KOMÖDIE Michi Kleiber und Katrin Höft bringen Loriots Sketche über Ehepartner auf die Bühne.

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