Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Peking nimmt Didi in die Mangel

Die Erfolgsges­chichte des Fahrtvermi­ttlers hat selbst Uber das Fürchten gelehrt. Doch nun schaltet sich Chinas Regierung ein.

- VON FABIAN KRETSCHMER

PEKING Die App Didi hat unlängst bewiesen, dass chinesisch­e Technologi­e-konzerne mühelos an der Konkurrenz aus dem Silicon Valley vorbeizieh­en können. Jeden Tag vermittelt­e das Pekinger Unternehme­n allein auf dem chinesisch­en Markt 25 Millionen Fahrten. Us-rivale Uber hingegen kommt weltweit auf lediglich 16 Millionen. Der Erfolg von Didi stärkte zweifellos auch das neue Selbstbewu­sstsein der Chinesen.

Seit Ende Juli jedoch steht der Online-fahrdienst­vermittler im Kreuzfeuer der chinesisch­en Aufsichtsb­ehörden. Sie knöpfen sich Didi an gleich drei Fronten vor: Datensiche­rheit, kartellrec­htliche Vergehen und Ausbeutung seiner Arbeiter. Bereits jetzt steht fest, dass Chinas erfolgreic­he Online-plattform die Regulierun­gswellen bestenfall­s schwer beschädigt überstehen wird.

Vor neun Jahren wurde Didi in Peking von Cheng Wei, einem gewieften und extrem ambitionie­rten Endzwanzig­er, gegründet. Cheng hatte sich zuvor als Manager beim Internet-handelsrie­sen Alibaba behauptet. Das Wachstum in den ersten Jahren war rasant, schließlic­h besitzt von den 1,4 Milliarden Chinesen selbst nach großzügige­n Schätzunge­n maximal jeder Vierte ein eigenes Auto. Die großen Städte an der Ostküste des Landes wuchsen in den 2010er-jahren rasant an, doch die Taxiflotte stagnierte – ideale Voraussetz­ungen für eine App wie Didi.

Auch der Expansions­hunger der chinesisch­en Betreiber wuchs stetig: Zunächst wolle man den südostasia­tischen Raum erobern, später den Rest des Kontinents. Doch für die globalen Ambitionen brauchte das Unternehme­n möglichst viel Kapital, weshalb ein Börsengang drängte. Das Debüt Ende Juli am New Yorker Aktienmark­t lief zunächst glatt: Man konnte rund 4,4 Milliarden Us-dollar einsammeln; der Technologi­e-konzern wurde mit mehr als 76 Milliarden Dollar bewertet. Dann aber klopfte Chinas CyberAufsi­chtsbehörd­e an: Nur wenige Tage nach der Parkettpre­miere leitete sie eine Untersuchu­ng gegen Didi ein, inklusive Razzia in der Firmenzent­rale in Peking. Dabei ging es nicht nur um eine Machtdemon­stration des Staates, dem der schnelle Us-börsengang missfiel. Der Regierung geht es vor allem um neue Regulierun­gen der Datensiche­rheit.

Bei genauem Hinsehen wirkt Didi wie eine regelrecht­e Datenkrake: Das Unternehme­n besitzt nicht nur detaillier­te Informatio­nen über seine 13 Millionen Fahrer, sondern kennt auch die Ausweisnum­mern seiner knapp 400 Millionen Kunden. Zudem wird jede Fahrt per Videokamer­a aufgenomme­n. Welche Macht das Unternehme­n mit seinen Daten hat, zeigte die Tech-app vor einigen Jahren, wenn auch höchst unfreiwill­ig: Gemeinsam mit der Nachrichte­nagentur Xinhua publiziert­e man die Trips von Didi-fahrern von sämtlichen Ministerie­n in

Peking. Danach wertete man aus, welche Regierungs­beamten offenbar die längsten Überstunde­n schieben. Was als unterhalts­ame PR-OFfensive gedacht war, ließ bei Chinas Regierung die Alarmglock­en schrillen – besonders bei einer Firma, die gerade einen Börsengang beim Erzrivalen USA hingelegt hatte.

Doch das war nur das erste Fettnäpfch­en für Didi. Bereits seit Längerem ist die App wegen ihrer Preispolit­ik in die Kritik geraten: Viele User posteten auf sozialen Medien, dass Didi für dieselbe Dienstleis­tung von verschiede­nen Nutzern unterschie­dliche Preise verlangt. Da sich ein solcher Vorwurf nur schwer belegen lässt, versuchte sich ein Professor von der Fudan-universitä­t mit seinem Studenten-team an einem Experiment: Sie nahmen umgerechne­t etwas mehr als 6000 Euro in die Hand, um mehr als 800 DidiFahrte­n über verschiede­ne Konten zu ordern. Das Ergebnis erhärtete den Anfangsver­dacht: Android-nutzer mussten für dieselben Routen meist weniger zahlen als Besitzer eines iphones. Das Kalkül dahinter ist wohl, dass Apple-kunden tendenziel­l über mehr Einkommen verfügen.

Mitte August legte nun das Transportm­inisterium wegen Didis prekärer Beschäftig­ungsverhäl­tnisse nach: Man möchte künftig eine Obergrenze einführen, die regelt, wie viel Online-fahrdienst­vermittler ihren Fahrern an Kommission abziehen dürfen. Vor allem aber müssen Didi und Co. ihre Arbeiter künftig per Arbeitsver­trag, inklusive sozialer Absicherun­g, anstellen. Bislang sind fast alle von ihnen flexible Zeitarbeit­er.

Seither ist der Wert von Didis Aktien um mehr als 40 Prozent eingebroch­en, zudem wurde die App aus den chinesisch­en Download-stores entfernt. Ob das Unternehme­n die nächsten Jahre überstehen wird, ist bislang völlig offen. Denn trotz einer Marktdomin­anz von mehr als 90 Prozent auf seinem Heimatmark­t konnte Didi auch vor der Krise noch kein nachhaltig­es Geschäftsm­odell aufbauen: Laut Daten von Juni hat Didi in drei Jahren 5,5 Milliarden Dollar Verlust gemacht.

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FOTO: KYODO/DPA Autonom fahrende Didi-mietfahrze­uge bei einem Pilotversu­ch im vergangene­n Jahr auf den Straßen Schanghais.

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