Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Peking nimmt Didi in die Mangel
Die Erfolgsgeschichte des Fahrtvermittlers hat selbst Uber das Fürchten gelehrt. Doch nun schaltet sich Chinas Regierung ein.
PEKING Die App Didi hat unlängst bewiesen, dass chinesische Technologie-konzerne mühelos an der Konkurrenz aus dem Silicon Valley vorbeiziehen können. Jeden Tag vermittelte das Pekinger Unternehmen allein auf dem chinesischen Markt 25 Millionen Fahrten. Us-rivale Uber hingegen kommt weltweit auf lediglich 16 Millionen. Der Erfolg von Didi stärkte zweifellos auch das neue Selbstbewusstsein der Chinesen.
Seit Ende Juli jedoch steht der Online-fahrdienstvermittler im Kreuzfeuer der chinesischen Aufsichtsbehörden. Sie knöpfen sich Didi an gleich drei Fronten vor: Datensicherheit, kartellrechtliche Vergehen und Ausbeutung seiner Arbeiter. Bereits jetzt steht fest, dass Chinas erfolgreiche Online-plattform die Regulierungswellen bestenfalls schwer beschädigt überstehen wird.
Vor neun Jahren wurde Didi in Peking von Cheng Wei, einem gewieften und extrem ambitionierten Endzwanziger, gegründet. Cheng hatte sich zuvor als Manager beim Internet-handelsriesen Alibaba behauptet. Das Wachstum in den ersten Jahren war rasant, schließlich besitzt von den 1,4 Milliarden Chinesen selbst nach großzügigen Schätzungen maximal jeder Vierte ein eigenes Auto. Die großen Städte an der Ostküste des Landes wuchsen in den 2010er-jahren rasant an, doch die Taxiflotte stagnierte – ideale Voraussetzungen für eine App wie Didi.
Auch der Expansionshunger der chinesischen Betreiber wuchs stetig: Zunächst wolle man den südostasiatischen Raum erobern, später den Rest des Kontinents. Doch für die globalen Ambitionen brauchte das Unternehmen möglichst viel Kapital, weshalb ein Börsengang drängte. Das Debüt Ende Juli am New Yorker Aktienmarkt lief zunächst glatt: Man konnte rund 4,4 Milliarden Us-dollar einsammeln; der Technologie-konzern wurde mit mehr als 76 Milliarden Dollar bewertet. Dann aber klopfte Chinas CyberAufsichtsbehörde an: Nur wenige Tage nach der Parkettpremiere leitete sie eine Untersuchung gegen Didi ein, inklusive Razzia in der Firmenzentrale in Peking. Dabei ging es nicht nur um eine Machtdemonstration des Staates, dem der schnelle Us-börsengang missfiel. Der Regierung geht es vor allem um neue Regulierungen der Datensicherheit.
Bei genauem Hinsehen wirkt Didi wie eine regelrechte Datenkrake: Das Unternehmen besitzt nicht nur detaillierte Informationen über seine 13 Millionen Fahrer, sondern kennt auch die Ausweisnummern seiner knapp 400 Millionen Kunden. Zudem wird jede Fahrt per Videokamera aufgenommen. Welche Macht das Unternehmen mit seinen Daten hat, zeigte die Tech-app vor einigen Jahren, wenn auch höchst unfreiwillig: Gemeinsam mit der Nachrichtenagentur Xinhua publizierte man die Trips von Didi-fahrern von sämtlichen Ministerien in
Peking. Danach wertete man aus, welche Regierungsbeamten offenbar die längsten Überstunden schieben. Was als unterhaltsame PR-OFfensive gedacht war, ließ bei Chinas Regierung die Alarmglocken schrillen – besonders bei einer Firma, die gerade einen Börsengang beim Erzrivalen USA hingelegt hatte.
Doch das war nur das erste Fettnäpfchen für Didi. Bereits seit Längerem ist die App wegen ihrer Preispolitik in die Kritik geraten: Viele User posteten auf sozialen Medien, dass Didi für dieselbe Dienstleistung von verschiedenen Nutzern unterschiedliche Preise verlangt. Da sich ein solcher Vorwurf nur schwer belegen lässt, versuchte sich ein Professor von der Fudan-universität mit seinem Studenten-team an einem Experiment: Sie nahmen umgerechnet etwas mehr als 6000 Euro in die Hand, um mehr als 800 DidiFahrten über verschiedene Konten zu ordern. Das Ergebnis erhärtete den Anfangsverdacht: Android-nutzer mussten für dieselben Routen meist weniger zahlen als Besitzer eines iphones. Das Kalkül dahinter ist wohl, dass Apple-kunden tendenziell über mehr Einkommen verfügen.
Mitte August legte nun das Transportministerium wegen Didis prekärer Beschäftigungsverhältnisse nach: Man möchte künftig eine Obergrenze einführen, die regelt, wie viel Online-fahrdienstvermittler ihren Fahrern an Kommission abziehen dürfen. Vor allem aber müssen Didi und Co. ihre Arbeiter künftig per Arbeitsvertrag, inklusive sozialer Absicherung, anstellen. Bislang sind fast alle von ihnen flexible Zeitarbeiter.
Seither ist der Wert von Didis Aktien um mehr als 40 Prozent eingebrochen, zudem wurde die App aus den chinesischen Download-stores entfernt. Ob das Unternehmen die nächsten Jahre überstehen wird, ist bislang völlig offen. Denn trotz einer Marktdominanz von mehr als 90 Prozent auf seinem Heimatmarkt konnte Didi auch vor der Krise noch kein nachhaltiges Geschäftsmodell aufbauen: Laut Daten von Juni hat Didi in drei Jahren 5,5 Milliarden Dollar Verlust gemacht.