Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Was sich die beiden Düsseldorfer Macher der Toniebox vom Sprung auf das Frankfurter Parkett versprechen.
Fünf Jahre sind die Tonieboxen am Markt. Nun bringen die Gründer ihr Düsseldorfer Start-up Boxine an die Börse.
DÜSSELDORF Die Geschichte der Tonieboxen begann in einer Düsseldorfer Kita, wo sich Marcus Stahl und Patric Faßbender über ihre Kinder kennenlernten. Sollte nichts schiefgehen, wird sie in wenigen Monaten einen vorläufigen Höhepunkt an der Börse finden. Am Montagabend gab Boxine, das Unternehmen hinter den Lautsprecherwürfeln, bekannt, mit dem 468 Spac I eine Einigung über den Börsengang erzielt zu haben. Boxine wird dabei mit 870Millionen Euro bewertet. Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte – und doch wirken die Gründer so entspannt wie immer, als wir sie am Dienstag per Videokonferenz sprechen.
Herr Stahl, Herr Fassbender, als wir uns im November gesprochen haben, hatten Sie für dieses Jahr geplant, die Tonieboxen und die Hörfiguren Tonies in Frankreich auf den Markt zu bringen – und interne Prozesse anzupassen. Das klang recht bodenständig. Wie ist daraus ein Börsengang geworden?
STAHL Stimmt, das war damals der Plan. Der Börsengang ist letztlich das Ergebnis dieses wahnsinnigen Wachstums. Wir sind Ende 2020 in den USA extrem erfolgreich gestartet und haben da gemerkt: Es ist ja wirklich so, dass Kinder die Tonies überall mögen. Daher wollen wir jetzt noch schneller wachsen – und da haben wir uns natürlich auch mit einem Börsengang beschäftigt, um an mehr Kapital zu kommen.
Die Besonderheit ist ja, dass Sie keinen klassischen Börsengang machen, sondern per Spac an die Börse gehen. Das heißt, es gibt eine Art leere Firmenhülle, den 468 Spac I, mit dem Ihr Unternehmen verschmilzt. Das Konzept ist in der Öffentlichkeit umstritten. Warum haben Sie sich trotzdem dafür entschieden?
STAHL Das Thema Spac kannten wir vorher kaum, als im Mai das Angebot kam. Aber wir kannten natürlich die Köpfe dahinter, zum Beispiel Alexander Kudlich. Der war ja vorher schon unser Beiratsvorsitzender. Das Vertrauen war also da. Für uns ist es letztlich der effizienteste, sicherste und schnellste Weg an den Kapitalmarkt.
FASSBENDER Mein erster Reflex war: Börsengang? Das machen wir niemals. Das zeigt aber auch ganz schön, dass man sich die Dinge oft genauer anschauen sollte. Je mehr ich mich damit beschäftigt habe, umso mehr war mir klar, wie viele Chancen es dadurch gibt.
Wie laufen so Börsengespräche in etwa ab? Trifft man sich im Anzug in London oder New York mit irgendwelchen Investment-bankern?
FASSBENDER (lacht) Auf keinen Fall. Wir hatten in unserer Tonies-zeit noch nie einen Anzug an. Ich komme auch lieber mit Skateboard zum Termin als mit einer Luxuslimousine. STAHL Persönliche Treffen gab es aufgrund von Corona leider nicht, wir haben die Gespräche alle vor dem Bildschirm geführt. Viele Investoren haben auch selber Enkel oder Kinder, die kannten daher fast alle das Produkt und fanden es super.
Welche Möglichkeiten gibt Ihnen der Börsengang konkret?
STAHL Durch den Börsengang werden rund 120Millionen Euro ins Unternehmen fließen. Wir können uns nach den USA jetzt zum Beispiel auch ein großes Land wie China vornehmen – und natürlich weitere Produkte auf den Markt bringen. Patric hat die Schublade voller Ideen, was wir noch so machen könnten.
In den USA sind Sie 2020 gestartet. Wie läuft es? Gibt es Unterschiede zwischen Ost- und Westküste? FASSBENDER Wir wissen, dass bereits in den ganzen USA Tonieboxen verkauft wurden, sogar in Alaska. Das ist schon ein tolles Gefühl. Aber generell, und das kennen wir ja auch schon aus unseren europäischen Märkten, funktioniert das Produkt am Anfang etwas besser im urbanen Umfeld. Man darf aber auch nicht vergessen: In den USA ist die Zielgruppe viel diverser.
Müssten Sie dann nicht auch eigentlich Tonies auf Spanisch auf den Markt bringen?
FASSBENDER Das ist auf jeden Fall ein großes Thema, das wir auch angehen wollen. Bei unserem Start im Vereinigten Königreich haben wir die lokalen Besonderheiten etwas unterschätzt. Das haben wir in den USA schon deutlich besser gemacht – und in Frankreich machen wir es jetzt noch besser.
Lokale Besonderheiten heißt: In Frankreich muss man mit Asterix starten?
FASSBENDER Zum Beispiel. Den haben wir dort auch von Anfang an im Portfolio. Das ist sehr wichtig. Ein anderes Beispiel: Geschichten wie Rotkäppchen kennt man gar nicht so in Frankreich, daher bespielen wir unsere Märchen-tonies mit anderen Geschichten.
Sobald Sie an der Börse gelistet sind, wird man auch auf andere Dinge genauer schauen – zum Beispiel die Frauenquote. Ihr Vorstand wird künftig rein männlich besetzt sein – den werden ja Sie beide bilden. Aber auch auf der Management-ebene unterhalb des Vorstands gibt es bislang kaum Frauen. Wie kommt das? FASSBENDER Im Unternehmen ist die Quote anders, da liegt der Frauenanteil bei knapp 60 Prozent. Aber das stimmt. Wir haben für jede Position nach dem geeignetsten Kandidaten gesucht – und dann hat es sich leider so ergeben. Das ist aber ein wichtiges Thema, zu dem uns auch im Unternehmen immer wieder Fragen gestellt werden. Wir wollen und müssen uns in Zukunft auf jeden Fall diverser aufstellen.
Sie beschäftigen rund 380Mitarbeiter, den Großteil in Düsseldorf. Wird sich das noch weiter steigern? FASSBENDER In Düsseldorf sind wir langsam auf einem Level, wo wir nicht mehr dramatisch viel wachsen werden. Beim Aufbau von Personal geht es jetzt erst mal um die Märkte im Ausland.
STAHL Durch die Corona-pandemie hat sich auch der Arbeitsmarkt geändert. Wir haben jetzt schon mehrere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Berlin und München, die ausschließlich aus dem Homeoffice für uns arbeiten. Vielleicht werden wir da irgendwann mal Büros eröffnen.
In Düsseldorf wollten Sie 2020 in eine neue Firmenzentrale ziehen... STAHL (lacht) Das hat sich bei uns schon zum Running Gag entwickelt. Bislang sind wir dort immer noch nicht eingezogen. Aber am 1. Oktober ist es jetzt so weit – hoffentlich.