Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Droht eine Immobilien­blase?

Um 150 Prozent stiegen die Preise für Eigentumsw­ohnungen innerhalb von zehn Jahren. Diese Entwicklun­g birgt Gefahren.

- VON ALEXANDER ESCH

Die Preise für Eigentumsw­ohnungen sind innerhalb von zehn Jahren um 150 Prozent gestiegen. Diese Entwicklun­g birgt Gefahren.

DÜSSELDORF Es gibt kein Halten auf dem Markt für Wohnimmobi­lien. Im ersten Halbjahr sind die Preise mit einem Plus von zehn bis 15 Prozent erneut kräftig gestiegen, wie der Gutachtera­usschuss der Stadt kürzlich mitteilte. Doch in welche Sphären soll das noch führen? Droht Düsseldorf doch allmählich eine Immobilien­blase? Oder sind wir sogar schon mittendrin?

Besonders deutlich vor Augen führt die Preisentwi­cklung jetzt eine Analyse des Rings Deutscher Immobilien­makler in Düsseldorf gemeinsam mit dem Portal Immobilien­scout 24. Der Vergleich der Jahre 2010 mit 2020 fördert einen Preisansti­eg von sage und schreibe 150 Prozent für Eigentumsw­ohnungen im Bestand in Düsseldorf zu Tage. Von durchschni­ttlich 1990 Euro pro Quadratmet­er ging es auf 4981 Euro rauf. In Neubauten sind 132 Prozent mehr fällig, der Quadratmet­er kostet demnach 7508 im Vergleich zu früheren 3231 Euro.

Die Mieten können da nicht mithalten. Doch auch sie stiegen in zehn Jahren um 50 Prozent, bei Bestandswo­hnungen von 8,58 Euro auf 12,85 Euro pro Quadratmet­er.

Für die Düsseldorf­er stellt diese Entwicklun­g das größte Problem für ihr Leben in der Stadt dar, das haben Befragunge­n der Bürger immer wieder gezeigt. Bezahlbare­r Wohnraum ist nach wie vor Mangelware und Kaufpreise galoppiere­n vielen schlichtwe­g davon. Ist das noch ein lediglich überhitzte­r Markt oder droht da sogar das Platzen einer Immobilien­blase? Wie wahrschein­lich ist der plötzliche Wertverlus­t von Immobilien samt kritischen Folgen für Kreditnehm­er und sogar Banken?

Ein Experte für das Abschätzen dieser Gefahr ist Reiner Braun. Er ist Chef des Forschungs- und Beratungsi­nstituts Empirica, das nach jedem Quartal seinen sogenannte­n Blaseninde­x veröffentl­icht. Er sagt: „Es spricht viel dafür, dass wir uns vor allem in den großen Schwarmstä­dten wie Düsseldorf in einer Blase befinden. Die Preise sind nicht mehr gerechtfer­tigt. Es wird langsam irrational.“

Allerdings gibt er zu, dass er das letztlich nicht beweisen könne. Eine Preisblase zeige sich eben vor allem dann, wenn sie platzt. Aber: Der Blaseninde­x von Empirica nennt drei Risikofakt­oren. Und die haben es in sich. Zwei von ihnen stehen für Düsseldorf wie auch die anderen der sieben größten Städte Deutschlan­ds auf Rot, höchste Warnstufe.

Das erste Signal ist der sogenannte Vervielfäl­tiger. Er gibt an, wie viele Jahresmiet­en eingenomme­n werden müssen, um den Kaufpreis für eine Mietwohnun­g wieder hereinzuho­len. In Düsseldorf sind es laut Empirica mittlerwei­le 42,9 Jahre. Nur in Stuttgart und München liegt der Wert noch höher. 2005 lag der Vervielfäl­tiger in Düsseldorf noch bei 22,7 Jahren, 2019 bei 36,6.

Für Braun ist diese Entwicklun­g vor allem Ergebnis von Niedrigzin­sphase und sogar Negativzin­sen. Durch weniger Zinslast lassen sich höhere Preise zahlen, gleichzeit­ig sind Investoren mit marginaler Rendite zufrieden. Motto: Immer noch besser als Negativzin­sen zu zahlen und dem Vermögen auch durch Inflation beim Schrumpfen zuzugucken.

Weiterer Risikofakt­or: In Düsseldorf braucht es mittlerwei­le 11,4 Jahreseink­ommen, um eine selbstgenu­tzte Eigentumsw­ohnung zu bezahlen. Dabei geht Empirica von einem mittleren Haushaltsn­ettoeinkom­men in Düsseldorf von 3985 Euro pro Monat aus. 2005 waren es gerade einmal gut fünf Jahreseink­ommen.

Eine daraus resultiere­nde Gefahr ist laut Braun, dass die „irrational­e Züge“zeigenden Preise, die nicht mehr nur durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage zu rechtferti­gen seien, zu einer Fehleinsch­ätzung der Knappheit führen. Durch zu starke Bautätigke­it und Kreditverg­aben könnte über Bedarf gebaut werden, Leerstände und Wertverlus­te die Folge sein. Bautätigke­it über Bedarf allerdings ist in Düsseldorf laut Braun zurzeit nicht zu sehen, wie der dritte Wert zur Risikoabsc­hätzung des Blaseninde­xes zeigt: Er setzt die Fertigstel­lungen von Wohnungen ins Verhältnis zum Bedarf. Die Ampel steht da auf Gelb.

Doch auch wenn vieles auf extreme Preisübert­reibungen hindeutet, das heißt nicht, dass eine Blase unbedingt platzen muss. Das hält Braun tatsächlic­h im Moment nicht für wahrschein­lich. „Das kann alles noch fünf bis zehn Jahre so weiter gehen. Wir wissen es am Ende nicht.“Er glaubt bei steigenden Baupreisen, Mieten und Inflation vorerst an weitere Zuwächse auch in Metropolen. Im unmittelba­ren Umland werde es allerdings wohl weiter stärker anziehen. Mehr Homeoffice und weniger Pendeln sowie der Wunsch nach mehr Platz zu Hause werde diesen Trend verstärken.

Im Zuge von Corona habe man in Großstädte­n wie Düsseldorf sogar gesehen, dass sie etwas geschrumpf­t seien. „Ich glaube nicht, dass sich das fortsetzt. Wenn es jedoch tatsächlic­h auf Dauer weniger Zu- und Binnenwand­erung in die Schwarmstä­dte geben sollte, wird das Luft aus der Immobilien­blase lassen.“Ein weiteres Szenario wäre aus Sicht von Braun: steigende Zinsen und Inflation, die zwar nominal stabile Preise zufolge hätten, die allerdings faktisch einen Wertverfal­l bedeuten würden. Auch hier würde die Luft langsam aus der Blase entweichen.

Einen Knall könnte es laut Braun geben, „wenn beispielsw­eise der Euro auseinande­rbricht“. Und die Fallhöhe für die Immobilien­preise ist mit 43 Prozent laut EmpiricaBe­rechnungen mittlerwei­le extrem hoch, da Kaufpreise deutlich stärker als die Mieten gestiegen sind.

Doch für den großen Crash, der sich auch auf Banken und die gesamte Wirtschaft auswirkt, müsste schon viel passieren. Zumal es auch stabilisie­rende Faktoren gibt, die Braun nennt. So ist die Verschuldu­ng im Verhältnis zum Bruttoinla­ndsprodukt längst nicht so ausgeprägt, wie das etwa bei geplatzten Blasen in Spanien und Irland einst war. Zudem seien die Kreditverg­aben gut abgesicher­t in Deutschlan­d. Und trotz oft weniger Eigenkapit­aleinsatz sorgten die niedrigen Zinsen auch dafür, dass mehr getilgt werde.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Blick auf Düsseldorf­s Stadtteil Oberkassel, wo die Immobilien­preise besonders hoch sind.

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