Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Droht eine Immobilienblase?
Um 150 Prozent stiegen die Preise für Eigentumswohnungen innerhalb von zehn Jahren. Diese Entwicklung birgt Gefahren.
Die Preise für Eigentumswohnungen sind innerhalb von zehn Jahren um 150 Prozent gestiegen. Diese Entwicklung birgt Gefahren.
DÜSSELDORF Es gibt kein Halten auf dem Markt für Wohnimmobilien. Im ersten Halbjahr sind die Preise mit einem Plus von zehn bis 15 Prozent erneut kräftig gestiegen, wie der Gutachterausschuss der Stadt kürzlich mitteilte. Doch in welche Sphären soll das noch führen? Droht Düsseldorf doch allmählich eine Immobilienblase? Oder sind wir sogar schon mittendrin?
Besonders deutlich vor Augen führt die Preisentwicklung jetzt eine Analyse des Rings Deutscher Immobilienmakler in Düsseldorf gemeinsam mit dem Portal Immobilienscout 24. Der Vergleich der Jahre 2010 mit 2020 fördert einen Preisanstieg von sage und schreibe 150 Prozent für Eigentumswohnungen im Bestand in Düsseldorf zu Tage. Von durchschnittlich 1990 Euro pro Quadratmeter ging es auf 4981 Euro rauf. In Neubauten sind 132 Prozent mehr fällig, der Quadratmeter kostet demnach 7508 im Vergleich zu früheren 3231 Euro.
Die Mieten können da nicht mithalten. Doch auch sie stiegen in zehn Jahren um 50 Prozent, bei Bestandswohnungen von 8,58 Euro auf 12,85 Euro pro Quadratmeter.
Für die Düsseldorfer stellt diese Entwicklung das größte Problem für ihr Leben in der Stadt dar, das haben Befragungen der Bürger immer wieder gezeigt. Bezahlbarer Wohnraum ist nach wie vor Mangelware und Kaufpreise galoppieren vielen schlichtweg davon. Ist das noch ein lediglich überhitzter Markt oder droht da sogar das Platzen einer Immobilienblase? Wie wahrscheinlich ist der plötzliche Wertverlust von Immobilien samt kritischen Folgen für Kreditnehmer und sogar Banken?
Ein Experte für das Abschätzen dieser Gefahr ist Reiner Braun. Er ist Chef des Forschungs- und Beratungsinstituts Empirica, das nach jedem Quartal seinen sogenannten Blasenindex veröffentlicht. Er sagt: „Es spricht viel dafür, dass wir uns vor allem in den großen Schwarmstädten wie Düsseldorf in einer Blase befinden. Die Preise sind nicht mehr gerechtfertigt. Es wird langsam irrational.“
Allerdings gibt er zu, dass er das letztlich nicht beweisen könne. Eine Preisblase zeige sich eben vor allem dann, wenn sie platzt. Aber: Der Blasenindex von Empirica nennt drei Risikofaktoren. Und die haben es in sich. Zwei von ihnen stehen für Düsseldorf wie auch die anderen der sieben größten Städte Deutschlands auf Rot, höchste Warnstufe.
Das erste Signal ist der sogenannte Vervielfältiger. Er gibt an, wie viele Jahresmieten eingenommen werden müssen, um den Kaufpreis für eine Mietwohnung wieder hereinzuholen. In Düsseldorf sind es laut Empirica mittlerweile 42,9 Jahre. Nur in Stuttgart und München liegt der Wert noch höher. 2005 lag der Vervielfältiger in Düsseldorf noch bei 22,7 Jahren, 2019 bei 36,6.
Für Braun ist diese Entwicklung vor allem Ergebnis von Niedrigzinsphase und sogar Negativzinsen. Durch weniger Zinslast lassen sich höhere Preise zahlen, gleichzeitig sind Investoren mit marginaler Rendite zufrieden. Motto: Immer noch besser als Negativzinsen zu zahlen und dem Vermögen auch durch Inflation beim Schrumpfen zuzugucken.
Weiterer Risikofaktor: In Düsseldorf braucht es mittlerweile 11,4 Jahreseinkommen, um eine selbstgenutzte Eigentumswohnung zu bezahlen. Dabei geht Empirica von einem mittleren Haushaltsnettoeinkommen in Düsseldorf von 3985 Euro pro Monat aus. 2005 waren es gerade einmal gut fünf Jahreseinkommen.
Eine daraus resultierende Gefahr ist laut Braun, dass die „irrationale Züge“zeigenden Preise, die nicht mehr nur durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage zu rechtfertigen seien, zu einer Fehleinschätzung der Knappheit führen. Durch zu starke Bautätigkeit und Kreditvergaben könnte über Bedarf gebaut werden, Leerstände und Wertverluste die Folge sein. Bautätigkeit über Bedarf allerdings ist in Düsseldorf laut Braun zurzeit nicht zu sehen, wie der dritte Wert zur Risikoabschätzung des Blasenindexes zeigt: Er setzt die Fertigstellungen von Wohnungen ins Verhältnis zum Bedarf. Die Ampel steht da auf Gelb.
Doch auch wenn vieles auf extreme Preisübertreibungen hindeutet, das heißt nicht, dass eine Blase unbedingt platzen muss. Das hält Braun tatsächlich im Moment nicht für wahrscheinlich. „Das kann alles noch fünf bis zehn Jahre so weiter gehen. Wir wissen es am Ende nicht.“Er glaubt bei steigenden Baupreisen, Mieten und Inflation vorerst an weitere Zuwächse auch in Metropolen. Im unmittelbaren Umland werde es allerdings wohl weiter stärker anziehen. Mehr Homeoffice und weniger Pendeln sowie der Wunsch nach mehr Platz zu Hause werde diesen Trend verstärken.
Im Zuge von Corona habe man in Großstädten wie Düsseldorf sogar gesehen, dass sie etwas geschrumpft seien. „Ich glaube nicht, dass sich das fortsetzt. Wenn es jedoch tatsächlich auf Dauer weniger Zu- und Binnenwanderung in die Schwarmstädte geben sollte, wird das Luft aus der Immobilienblase lassen.“Ein weiteres Szenario wäre aus Sicht von Braun: steigende Zinsen und Inflation, die zwar nominal stabile Preise zufolge hätten, die allerdings faktisch einen Wertverfall bedeuten würden. Auch hier würde die Luft langsam aus der Blase entweichen.
Einen Knall könnte es laut Braun geben, „wenn beispielsweise der Euro auseinanderbricht“. Und die Fallhöhe für die Immobilienpreise ist mit 43 Prozent laut EmpiricaBerechnungen mittlerweile extrem hoch, da Kaufpreise deutlich stärker als die Mieten gestiegen sind.
Doch für den großen Crash, der sich auch auf Banken und die gesamte Wirtschaft auswirkt, müsste schon viel passieren. Zumal es auch stabilisierende Faktoren gibt, die Braun nennt. So ist die Verschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt längst nicht so ausgeprägt, wie das etwa bei geplatzten Blasen in Spanien und Irland einst war. Zudem seien die Kreditvergaben gut abgesichert in Deutschland. Und trotz oft weniger Eigenkapitaleinsatz sorgten die niedrigen Zinsen auch dafür, dass mehr getilgt werde.