Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Gesundheitsämter geraten ans Limit
In vielen Kommunen ist zuletzt wieder Personal abgebaut worden. Mit steigenden Inzidenzen wächst nun aber erneut der Druck auf die Behörden. Das Land prüft deshalb die Verlängerung eines Programms für Aushilfskräfte.
DÜSSELDORF Die Corona-inzidenzen sind hoch, der Unterstützungseinsatz der Bundeswehr ist ausgelaufen, die digitale Kontaktnachverfolgung ausgesetzt – angesichts dieser Faktoren steigt die Belastung in den Gesundheitsämtern in NRW. Bei einer Abfrage unter den Kreisen und kreisfreien Städten gaben mehrere Kommunen an, dass die Personalsituation bereits wieder angespannt sei.
In Aachen, wo derzeit im Amt rund 140 eigene Beschäftigte und 105 Externe mit dem Thema betraut sind, ist die Personalsituation einem Sprecher zufolge „nicht mehr ganz ausreichend“. Eine Sprecherin des Kreises Wesel sprach von einer noch immer bestehenden „deutlichen Überlastungssituation“. Der Rhein-kreis Neuss ist für das derzeit rund 100-köpfige Corona-team in seinem Gesundheitsamt auf der Suche nach zehn zusätzlichen Kräften. Viele Kommunen behelfen sich damit, Beschäftigte aus anderen Abteilungen in die Gesundheitsämter umzuverteilen. „Mit dem Anstieg der Fallzahlen seit dem Ende der Sommerferien werden Kapazitätsgrenzen erreicht“, sagte ein Sprecher der Stadt Solingen. Nach wie vor sei die Fallbearbeitung am selben Tag möglich. „Es werden aber zur Zeit intensiv Mitarbeitende gesucht, um den weiter steigenden Fallzahlen gerecht werden zu können.“
Der Chef der Opposition im Düsseldorfer Landtag, Thomas Kutschaty (SPD), verlangte, dass sich das Land stärker für die Behörden in den Kreisen und Städten einsetzen solle: „Die Gesundheitsämter sind personell stark beansprucht. Wenn wir sie jetzt auf dem personellen Stand haben wie vor der Pandemie, schaffen sie das nicht mehr.“Deswegen sei Unterstützung durch Landesbeschäftigte, aber auch durch die Bundeswehr nötig, sagte der SPD-FRAKtionschef: „Ich würde es begrüßen, wenn die Landesregierung bei der Verteidigungsministerin Unterstützung anfordert.“Massiv kritisierte Kutschaty das Aussetzen der Kontaktnachverfolgung: „Ich halte es für falsch, diese einzustellen. Es ist doch sinnvoll, dass jemand informiert wird, wenn er mit einer infizierten Person in Kontakt war.“
Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium ist weiterhin der Ansicht, dass die Abschaffung „keine größeren Auswirkungen auf die personelle Situation der Gesundheitsämter“hat. Gleichwohl erklärte eine Sprecherin von Minister Karl-josef Laumann (CDU): „Angesichts der wieder deutlich steigenden Infektionszahlen wird eine Verlängerung des Aushilfskräfte-programms geprüft.“Das Land hatte im November 2020 rund 37Millionen Euro für die Einstellung von landesweit 800 Aushilfskräften zur Verfügung gestellt. Das Programm wäre eigentlich nur bis Ende September befristet.
„Die Landesregierung legt durch die 3G-strategie keinen Fokus mehr darauf, Kontakte zu reduzieren. Auch bei steigenden Inzidenzen“, sagte Helmut Dedy, Geschäftsführer beim Städtetag Nordrhein-westfalen. Man gehe damit weg von einer „Zero-covid“-strategie, hin zu einer „Leben-mit-corona“-strategie. „Diese Strategie bedeutet für die Gesundheitsbehörden auch, dass nun nicht mehr sämtliche Kontakte von positiv Getesteten verfolgt werden“, sagte Dedy. Es sei sinnvoll, sich bei der Nachverfolgung auf enge Familienangehörige zu konzentrieren: „Weil dort die meisten Infektionen weitergegeben werden. Selbstverständlich sollte im Bereich der Pflegeheime und Krankenhäuser eine engmaschige Kontaktnachverfolgung beibehalten werden“, verlangte der Geschäftsführer. Er sprach sich zudem dafür aus, nur noch positiv getestete Schüler und deren Familienmitglieder in Quarantäne zu schicken.
Der Bund und das Robert-kochInstitut seien nun am Zug, die Leitlinien für die Kontaktnachverfolgung an die neue Corona-strategie von Bund und Ländern anzupassen, sagte Dedy: „Die Gesundheitsämter müssen sich auf relevante CoronaAusbrüche bei der Kontaktnachverfolgung konzentrieren können.“
Mehrdad Mostofizadeh, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, warf dem Land dagegen vor, es verwirre die Bürger einmal mehr mit widersprüchlichen Corona-regeln: „Die Aufgabe der Kontaktnachverfolgung ist dabei ein absolutes Armutszeugnis. Anstatt hier digitale Lösungen auszubauen, wird auch dieses Mittel fahrlässig aus der Hand gegeben.“Nordrhein-westfalen