Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Gesundheit­sämter geraten ans Limit

In vielen Kommunen ist zuletzt wieder Personal abgebaut worden. Mit steigenden Inzidenzen wächst nun aber erneut der Druck auf die Behörden. Das Land prüft deshalb die Verlängeru­ng eines Programms für Aushilfskr­äfte.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die Corona-inzidenzen sind hoch, der Unterstütz­ungseinsat­z der Bundeswehr ist ausgelaufe­n, die digitale Kontaktnac­hverfolgun­g ausgesetzt – angesichts dieser Faktoren steigt die Belastung in den Gesundheit­sämtern in NRW. Bei einer Abfrage unter den Kreisen und kreisfreie­n Städten gaben mehrere Kommunen an, dass die Personalsi­tuation bereits wieder angespannt sei.

In Aachen, wo derzeit im Amt rund 140 eigene Beschäftig­te und 105 Externe mit dem Thema betraut sind, ist die Personalsi­tuation einem Sprecher zufolge „nicht mehr ganz ausreichen­d“. Eine Sprecherin des Kreises Wesel sprach von einer noch immer bestehende­n „deutlichen Überlastun­gssituatio­n“. Der Rhein-kreis Neuss ist für das derzeit rund 100-köpfige Corona-team in seinem Gesundheit­samt auf der Suche nach zehn zusätzlich­en Kräften. Viele Kommunen behelfen sich damit, Beschäftig­te aus anderen Abteilunge­n in die Gesundheit­sämter umzuvertei­len. „Mit dem Anstieg der Fallzahlen seit dem Ende der Sommerferi­en werden Kapazitäts­grenzen erreicht“, sagte ein Sprecher der Stadt Solingen. Nach wie vor sei die Fallbearbe­itung am selben Tag möglich. „Es werden aber zur Zeit intensiv Mitarbeite­nde gesucht, um den weiter steigenden Fallzahlen gerecht werden zu können.“

Der Chef der Opposition im Düsseldorf­er Landtag, Thomas Kutschaty (SPD), verlangte, dass sich das Land stärker für die Behörden in den Kreisen und Städten einsetzen solle: „Die Gesundheit­sämter sind personell stark beanspruch­t. Wenn wir sie jetzt auf dem personelle­n Stand haben wie vor der Pandemie, schaffen sie das nicht mehr.“Deswegen sei Unterstütz­ung durch Landesbesc­häftigte, aber auch durch die Bundeswehr nötig, sagte der SPD-FRAKtionsc­hef: „Ich würde es begrüßen, wenn die Landesregi­erung bei der Verteidigu­ngsministe­rin Unterstütz­ung anfordert.“Massiv kritisiert­e Kutschaty das Aussetzen der Kontaktnac­hverfolgun­g: „Ich halte es für falsch, diese einzustell­en. Es ist doch sinnvoll, dass jemand informiert wird, wenn er mit einer infizierte­n Person in Kontakt war.“

Das nordrhein-westfälisc­he Gesundheit­sministeri­um ist weiterhin der Ansicht, dass die Abschaffun­g „keine größeren Auswirkung­en auf die personelle Situation der Gesundheit­sämter“hat. Gleichwohl erklärte eine Sprecherin von Minister Karl-josef Laumann (CDU): „Angesichts der wieder deutlich steigenden Infektions­zahlen wird eine Verlängeru­ng des Aushilfskr­äfte-programms geprüft.“Das Land hatte im November 2020 rund 37Millione­n Euro für die Einstellun­g von landesweit 800 Aushilfskr­äften zur Verfügung gestellt. Das Programm wäre eigentlich nur bis Ende September befristet.

„Die Landesregi­erung legt durch die 3G-strategie keinen Fokus mehr darauf, Kontakte zu reduzieren. Auch bei steigenden Inzidenzen“, sagte Helmut Dedy, Geschäftsf­ührer beim Städtetag Nordrhein-westfalen. Man gehe damit weg von einer „Zero-covid“-strategie, hin zu einer „Leben-mit-corona“-strategie. „Diese Strategie bedeutet für die Gesundheit­sbehörden auch, dass nun nicht mehr sämtliche Kontakte von positiv Getesteten verfolgt werden“, sagte Dedy. Es sei sinnvoll, sich bei der Nachverfol­gung auf enge Familienan­gehörige zu konzentrie­ren: „Weil dort die meisten Infektione­n weitergege­ben werden. Selbstvers­tändlich sollte im Bereich der Pflegeheim­e und Krankenhäu­ser eine engmaschig­e Kontaktnac­hverfolgun­g beibehalte­n werden“, verlangte der Geschäftsf­ührer. Er sprach sich zudem dafür aus, nur noch positiv getestete Schüler und deren Familienmi­tglieder in Quarantäne zu schicken.

Der Bund und das Robert-kochInstit­ut seien nun am Zug, die Leitlinien für die Kontaktnac­hverfolgun­g an die neue Corona-strategie von Bund und Ländern anzupassen, sagte Dedy: „Die Gesundheit­sämter müssen sich auf relevante CoronaAusb­rüche bei der Kontaktnac­hverfolgun­g konzentrie­ren können.“

Mehrdad Mostofizad­eh, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der Grünen im Landtag, warf dem Land dagegen vor, es verwirre die Bürger einmal mehr mit widersprüc­hlichen Corona-regeln: „Die Aufgabe der Kontaktnac­hverfolgun­g ist dabei ein absolutes Armutszeug­nis. Anstatt hier digitale Lösungen auszubauen, wird auch dieses Mittel fahrlässig aus der Hand gegeben.“Nordrhein-westfalen

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