Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Linke Mogelpackung oder Mann der Mitte?
Nach Armin Laschet greift nun die Kanzlerin den Spd-kandidaten an. Zu Recht? Ein Überblick über Olaf Scholz' Pläne und Chancen.
BERLIN Jetzt knöpft sich die Kanzlerin persönlich Olaf Scholz vor. Angela Merkel forderte ihren Vize am Dienstag zur Klarstellung auf, ob er nach der Bundestagswahl eine Koalition mit der Linkspartei eingehen würde.„mit mir als Bundeskanzlerin würde es nie eine Koalition geben, an der die Linke beteiligt ist“, sagte Merkel: „Ob dies von Olaf Scholz so geteilt wird oder nicht, das bleibt offen.“Die langjährige Cdu-chefin will offenbar nicht länger mit ansehen, wie Scholz in Umfragen immer erfolgreicher wird, während UnionsKandidat Armin Laschet zurückfällt.
Merkel ließ noch den Satz fallen, es bestehe „ein gewaltiger Unterschied für die Zukunft Deutschlands zwischen mir und ihm“. So klar distanzierte sich Merkel selten von Scholz. Beide schätzen und vertrauen einander, arbeiteten schon 2008/09 in der Bankenkrise und nun bei Corona eng zusammen. Doch Merkel will ihr Erbe nicht kampflos den Sozialdemokraten schenken. Im Triell hatte Scholz viel Kritik an der Linkspartei und deren Haltung zur Nato geäußert – ein Linksbündnis schloss er nicht aus. Bürgerliche Wähler fragen sich: Wie links ist der Sozialdemokrat wirklich? Wie stark würde ein Kanzler Scholz am Tropf von Spd-chefin Saskia Esken und Ex-juso-chef Kevin Kühnert hängen? Ein Überblick.
Außenpolitik Bei künftigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr würde es für einen Regierungschef Scholz in der SPD begrenzten Spielraum geben. Nach dem AfghanistanDebakel sagte Parteivize Kühnert, als Abgeordneter würde er schwer ins Grübeln kommen, was das für sein mögliches Abstimmungsverhalten bedeute. Einsätze der Parlamentsarmee dürfe man nicht mehr Fachpolitikern überlassen. Fraktionschef Rolf Mützenich ist Friedenspolitiker durch und durch. Er lehnt bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr ab, fordert den Abzug der Us-atomwaffen aus Deutschland und hält das Zwei-prozentZiel der Nato für gefährliche Geldverschwendung. Die Außen- und Sicherheitspolitik würde für Scholz ein linkes Minenfeld.
Minister und Fraktion Die Bundestagsfraktion dürfte künftig ein linkeres Machtzentrum bilden. Dabei macht die Union gerne ihre Warnungen vor Rot-grün-rot an Parteichefin Esken fest. Ihr Einfluss wird intern als weniger bedeutend gesehen. Schon heute ist der linke Flügel unter Führung des niedersächsischen Umweltpolitikers Matthias Miersch die stärkste Gruppe. Viele junge Abgeordnete, bei den Jusos sozialisiert, stehen auf aussichtsreichen Listenplätzen. Kommt Kühnert ins Parlament, könnte er in der Fraktion eine wichtige integrative Kraft bilden und junge, radikalere Köpfe einbinden. Dass Kühnert direkt einen Kabinettsposten bekommt, gilt als unwahrscheinlich. Auch für den Fraktionsvorsitz gibt es mit Amtsinhaber Mützenich oder eben Miersch andere Favoriten – beide sind gemäßigt links. Scholz erklärte Esken für ministrabel. In einem Kabinett müsste sie sich ihm unterordnen. Gelingt es Scholz, die politische Wiederauferstehung der SPD mit dem Einzug ins Kanzleramt zu krönen, würde ihm auch der linke Flügel zunächst zu Füßen liegen.
Steuern und Soziales Als Scholz 2018 Bundesfinanzminister wurde, setzte er den Sparkurs seines Cdu-vorgängers Wolfgang Schäuble fast eins zu eins fort. Ausgeglichenen Bundeshaushalt und schwarze Null machte er sich zu eigen. Über eine Vermögensteuer rümpfte Scholz lange die Nase. Anfangs verspottete die SPDLinke ihn als „rote Null“. Er investiere zu wenig, sei zu konservativ. Nach seiner Pleite 2019 beim Rennen um den Parteivorsitz gegen Esken, Norbert Walter-borjans und deren Erfinder Kühnert passte sich Scholz geschmeidig den neuen Machtverhältnissen an. Niemand trommelt so laut für zwölf Euro Mindestlohn wie er. Aus Schröders Hartz-iv-türsteher wurde ein Hartz-muss-weg-versteher. Im Etat verankerte er Rekordinvestitionen, ins Wahlprogramm schrieb er Steuererhöhungen. In der Pandemie musste Scholz Rekordschulden von 400Milliarden Euro aufnehmen. Die Union blieb ruhig. In der Krise waren alle Keynesianer. Die Schuldenbremse im Grundgesetz will Scholz ab 2023 wieder einhalten. Teile der SPD, die Grünen und die Linkspartei wollen die Regel aufweichen beziehungsweise abschaffen. In der Steuer- und Sozialpolitik fände ein wendiger Scholz sowohl in einer Ampel mit der FDP als auch in einer Koalition mit der Linkspartei Schnittmengen.
Wahlkampftaktik Derzeit hat keine Partei Interesse daran, eine Koalition von SPD, Grünen und Linken vorschnell auszuschließen. Die Union nutzt das Szenario sehr aktiv als Schreckgespenst, um konservative Wählergruppen zu mobilisieren. Scholz könnte ein Linksbündnis gut als Druckmittel in Verhandlungen mit der FDP für eine Ampel-koalition gebrauchen, ebenso wie die Grünen. FDP-CHEF Christian Lindner könnte Zugeständnisse für eine Ampel besser bei den eigenen Leuten rechtfertigen, wenn er das Land vor Rot-rotGrün bewahrt und in einer Ampel die bürgerliche Fahne hochhält.