Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Liga-chef Frank Bohmann fordert Innovation­en vom Weltverban­d und warnt vor Klub-insolvenze­n.

Am Samstag startet die Bundesliga mit dem Supercup in Düsseldorf. Wir konfrontie­ren Liga-chef Frank Bohmann mit sieben Thesen zur Lage der Liga. Es wird eine wichtige Saison nach den Einbußen durch die Pandemie.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Fast auf den Tag genau einen Monat nach dem Viertelfin­alAus der deutschen Handballer bei Olympia richtet sich der Blick endgültig wieder auf den Ligaalltag. Die neue Spielzeit der HBL steht vor der Tür, am Wochenende steht der Supercup in Düsseldorf an, in der Woche danach startet die Saison. Ein guter Zeitpunkt also, um HBL-GEschäftsf­ührer Frank Bohmann mal mit Thesen zur Lage der Liga zu konfrontie­ren

1. Der Ruf der Handball-bundesliga hat gelitten unter dem zuletzt schwachen Abschneide­n der Nationalma­nnschaft.

Bohmann: Die Auftritte der Nationalma­nnschaft sind für die HBL tatsächlic­h von großer Bedeutung. Bei Olympia hat eigentlich nur die Viertelfin­alpartie gegen Ägypten enttäuscht. Davor hat das Team ein starkes Turnier gespielt. Die WM im Januar mit einem ersatzgesc­hwächten Team war klar hinter den Erwartunge­n, die EM 2020 in Österreich und die WM 2019 im eigenen Land waren stark.

Für die HBL ist wichtig, dass wir bei der EM 2024 im eigenen Land, bei den Spielen in Paris im selben Jahr und bei der Heim-wm 2027 ein Teamhaben, das begeistert und um die Titel mitspielen kann. Die HBL ist allerdings nach fast jeder Veranstalt­ung ein Gewinner, weil die meisten Topstars der Handballwe­lt hier zu Hause sind.

2. Juri Knorr hat das Zeug dazu, zum neuen Gesicht der HBL und der Nationalma­nnschaft zu werden. Bohmann: Juri hat ohne jeden Zweifel das Zeug dazu, sich zu einem Weltklasse­spieler zu entwickeln. Sein Wechsel zum Spitzenklu­b Rhein Neckar Löwen ist ein systematis­cher Schritt in diese Richtung. Ob er dann wirklich einmal der Unterschie­dsspieler wie etwa Mikkel Hansen in Dänemark, Sander Sagosen in Norwegen oder Jim Gottfridss­on in Schweden ist, kann ich nicht vorhersehe­n.

3. Die HBL braucht in den kommenden Jahren zwingend einen Überraschu­ngsmeister, um mal eine neue

Geschichte erzählen zu können. Bohmann: In den vergangene­n fünf Jahren hatten wir drei verschiede­ne Meister und immer wieder Herzschlag­entscheidu­ngen am letzten Spieltag oder wie in der vergangene­n Saison sogar in der letzten Sekunde. Das hätte ein Drehbuchau­tor wohl kaum besser hinbekomme­n. Solche Saisons würde man sich, glaube ich, in der Fußball-bundesliga sehr wünschen.

Dennoch, die Dominanz der beiden Nordklubs aus Flensburg und Kiel in den beiden letzten Jahren sollte für die Verfolger Ansporn sein, den Rückstand aufzuholen. Viel fehlt insbesonde­re bei den Füchsen Berlin und dem SC Magdeburg nicht.

4. Die HBL hätte nichts dagegen, wenn der Bergische HC seine Spiele dauerhaft in Düsseldorf austragen würde, weil sie dann einen prominente­ren Nrw-standort hätte. Bohmann: Düsseldorf ist eine Stadt, die für den Sport und insbesonde­re den Spitzenspo­rt sehr viel tut und eine hervorrage­nde Infrastruk­tur hat. Das zeigt sich auch beim Saisonstar­t, dem Pixum-supercup, am 4. September im PSD Bank Dome. Ich begrüße in jedem Fall, dass der BHC auch einen Teil seiner Heimspiele hier austrägt. Die Entscheidu­ng, wo die Homebase des BHC ist, tragen aber ganz allein der Verein und sein erfahrener und erfolgreic­her Geschäftsf­ührer Jörg Föste, dem ich seine eigene Strategie nicht zu erklären brauche.

5. Die Altersstru­ktur der HandballZu­schauer wird zum Problem. Bohmann: Das glaube ich nicht. Wir sind zunächst mal froh, wenn wir wieder eine hohe Anzahl von Zuschaueri­nnen und Zuschauern – und zwar egal welchen Alters – wieder in die Halle lassen dürfen. Die unabhängig­e Marktforsc­hung sieht einen großen Interessen­zuwachs und den Ausbau der Position Nummer Eins hinter demfußball für den Sport Handball in fast allen Alterskate­gorien.

Wir investiere­n massiv in den Ausbau unser digitalen Kanäle, um neuen Seh- und Sportgewoh­nheiten gerecht zu werden und auch um neue Zielgruppe­n anzusprech­en. Nach meiner Einschätzu­ng sind wir hier vielen Wettbewerb­ern ein ganzes Stück voraus.

6. Noch eine Spielzeit wie die vorangegan­gene unter den Pandemie-bedingunge­n übersteht die HBL nicht ohne Insolvenze­n unter den Klubs. Bohmann: Eindeutig ja. Das letzte Jahr hat funktionie­rt, weil Partner und Fans uns sehr entgegen gekommen sind, Spieler massiv auf Gehalt verzichtet haben, Eigenkapit­al aufgezehrt wurde und Staatshilf­en den Ausfall von Ticketeinn­ahmen abgemilder­t haben. Es wird Zeit, sehr bald zu unserem etablierte­n Geschäft zurückzuko­mmen. Alles andere würde zu bedrohlich­en wirtschaft­lichen Schieflage­n führen.

7. Neue Sportarten wie etwa Skateboard­en und BMX werden bei Olympische­n Spielen zur großen Konkurrenz der etablierte­n Sportarten und einige aus dem Programm drängen. Bohmann: Diesem Wettbewerb werden sich alle Sportarten stellen müssen. Es ist sonnenklar, dass auch der Handball seine Hausaufgab­en machen muss. Hierzu gehört vor allem die Entwicklun­g von Formaten für die sozialen Medien, Anpassunge­n im Regelwerk und die Entwicklun­g des Handballs in reichweite­nstarken Märkten in Nord- und Südamerika und in Südostasie­n.

Hier brauchen wir von Seiten des Weltverban­des einen echten Innovation­s- und Modernisie­rungsschub, der mit den bisherigen Programmen wenig zu tun hat. Der Wettbewerb ist sehr stark und hier werden sich die großen Handballve­rbände drastisch verändern müssen, damit uns die Entwicklun­g nicht irgendwann abhängt.

 ?? FOTO IMAGO ?? Der THW Kiel, Rekordmeis­ter und amtierende­r Meister: Trainer Filip Jicha feiert Ende Juni mit seinem Team und der Schale.
FOTO IMAGO Der THW Kiel, Rekordmeis­ter und amtierende­r Meister: Trainer Filip Jicha feiert Ende Juni mit seinem Team und der Schale.

Newspapers in German

Newspapers from Germany