Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Was der Trainer besser machen könnte
ANALYSE Christian Preußer ist seit 76 Tagen bei Fortuna im Amt. Nach fünf Partien und nur vier Punkten macht sich so langsam im Umfeld des Vereins Ernüchterung breit. Viele Probleme sind hausgemacht.
Am Anfang waren alle noch so euphorisch. Nach nur fünf Spieltagen ist selbst der eigene Trainer schon genervt. Das eskalierte selbst für Fortuna-verhältnisse schnell. Der Blick auf die Tabelle ist mindestens ernüchternd. In Christian Preußer, 37, hat Fortuna einen Fußballlehrer der jungen Generation verpflichtet. Es ist geradezu wohltuend, ihn bei der Arbeit zu beobachten, weil man sieht, dass da jemand steht, der sich viele Gedanken über jeden einzelnen Schritt auf dem Trainingsplatz gemacht hat. Vielleicht, und das könnte bereits Teil eines seiner größten Probleme sein, vielleicht macht er sich sogar zu viele Gedanken. Vorweg: Preußer macht auch sehr vieles schon sehr richtig. Hier geht es darum, einmal aufzuzeigen, wo es noch Verbesserungspotenzial geben könnte.
Die Kompetenzen Gefühlt ist Preußer derzeit bei Fortuna Alleinunterhalter. Mitunter, so zumindest der Eindruck, könnte es nicht schaden, wenn er auch seinem Assistenten etwas mehr Einfluss gewähren würde. Thomas Kleine, unter Uwe Rösler im Tagesgeschäft noch die prägende Figur, wirkt mitunter nur wie Beiwerk.
Das Spielsystem Preußer hat vom ersten Tag an klar gemacht, dass er einen offensiven Spielstil umsetzen möchte. Seine Handschrift ist in vielen Bereichen schon deutlich zu erkennen. Mitunter steht die Mannschaft aber einfach zu hoch, weshalb die Fehleranfälligkeit enorm steigt.
Die Ergebnisse Jetzt muss er auf Sicherheit gehen, sich so Luft verschaffen, um seine Idee vom Fußball in Ruhe einstudieren zu können. Grundsätzlich: Für Preußer ist Fortuna ein Sprungbrett, er will zeigen, was er kann. Dazu braucht er einen Kader mit entsprechenden Fähigkeiten und/oder Zeit.
Der Kader Es ist verständlich, dass man sich als (junger) Trainer nicht gleich nach vorne stellt und große Ansprüche anmeldet. Dennoch muss er deutlich benennen, wo er noch Schwachstellen sieht.
Die Aufstellung Auch wenn der Ruf nach einem Innenverteidiger und Angreifer besonders laut ist, größte Problemzone bislang: das defensive Mittelfeld. Preußer hat bislang noch keinen für sein Spiel geeigneten Sechser gefunden.
Das Miteinander Die Mannschaft ist willig, sich mit Preußer als Cheftrainer weiterzuentwickeln. Aus dem Team kommt viel Lob für sein abwechslungsreiches Training. Und auch viele Ideen kommen an. Den Glauben daran, etwas erreichen zu können, bekommt man jedoch nicht über warme Worte, sondern positive Ergebnisse auf dem Platz.
Das Umfeld Klaus Allofs und Uwe Klein begleiten fast jede Übungseinheit. Es ist einerseits löblich, dass sie damit auch Rückdeckung für den Trainer zeigen. Es kann aber zu einem Problem werden, wenn sie zu nah dran sind. Denn dann stellt sich auch im Team schnell die Frage, wer eigentlich das (sportliche) Sagen hat.
Die Erwartungshaltung Von Sportvorstand Uwe Klein ist ihm der Wunsch auferlegt worden, Fortuna zu „moderieren“. Die Fans hatten sich nach dem lange sehr technokrat wirkenden Uwe Rösler wieder etwas mehr Gefühl gewünscht. Preußer kann das mit seiner Art, gleichwohl muss man die Erwartungen in ihn deutlich herunterschrauben. Preußer ist noch nicht soweit, dass jeder Handgriff selbstverständlich für ihn ist.
Die Vermittlung Die Frage, die man sich stellen muss: Ziehe ich meinen Plan durch oder lasse ich mich darauf ein, auch mal loszulassen? Dazu gehört auch, die Spieler einfach mal mit sich allein zu lassen. Auf der Rückreise von Schalke nach Düsseldorf noch im Bus gegen Mitternacht Profis zur Einzelschulung antreten zu lassen, würde er vielleicht auch im Nachhinein nicht als die beste Idee bezeichnen.
Der Auftritt Preußer wirkt total sympathisch. Er redet offen, ist eloquent, witzig, er kann sehr gut kommunizieren und seine Inhalte vermitteln – öffentliche Verlautbarungen sind meistens ein Gewinn, weil er sagt, was ist. Und doch macht er sich manchmal unnötig klein, wenn er wie ein kleiner Junge alles „cool“findet und man ihm an der Nasenspitze ansieht, dass er extrem nervös ist. Nach der Niederlage gegen Schalke wirkte er etwas ratlos und aufgewühlt.
Der Ausblick Es ist schlicht mehr als ein großer Schritt, Trainer-talent hin von Freiburgs zweiter Mannschaft hinüber auf die Bühne Zweite Liga an einem Standort wie Düsseldorf. Es prasseln Dinge auf einen ein, die so in keinem Lehrbuch stehen.
Das Plädoyer Preußer verfolgt eine klare Philosophie, er kann sich sehr sicher aus dieser Mini-krise befreien, wenn er seinem Team, aber auch sich die Zeit gibt, sich zu entwickeln. Gleichwohl weiß auch er, dass die Ungeduld in diesem Geschäft der größte Hemmschuh ist, um wirklich etwas verändern zu können. Nun schon wieder nach einem neuen Neuanfang zu verlangen, wäre fatal. Aber: Kritik anzusprechen, sollte immer möglich sein. Und das ist es auch bei Christian Preußer.