Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Meine 50 Jahre mit Fortuna – wie alles begann
1. September 2021. Im Grunde kein besonderes Datum – aber für unseren Fortuna-reporter schon. Denn genau 50 Jahre zuvor veränderte sich sein Leben. Am Flinger Broich.
Die erste Erinnerung an jenen Tag ist seltsamerweise eine familiäre. Und obendrein nicht gerade das, was man appetitlich nennen würde. Diese Erinnerung betrifft meinen
Opa Paul, der sich aus dem Strom der Menschen, die da die Rosmarinstraße im Düsseldorfer Stadtteil Flingern entlanggehen, löst und sich mit vollendeter Nonchalance an den Zaun stellt und Wasser lässt. Ganz so, als gäbe es diese vielen anderen Menschen gar nicht.
Es war ein Moment, der mich tief faszinierte, hatte ich meinen Opa doch bislang vor allem als liebenswerten Grantler gekannt, der sein Leben in erster Linie danach ausrichtete, keinen Ärger mit meiner resoluten Oma zu bekommen und jeden Tag schwülstige Liebesromane zu lesen. Aber das hier, am Zaun an der Rosmarinstraße, das war der andere Paul. Der FußballPaul. Denn wir waren an diesem 1. September 1971 auf dem Weg zum Flinger Broich. Zum Bundesligaspiel Fortuna Düsseldorf gegen den Hamburger SV. Zum ersten Stadion-fußballspiel meines Lebens.
1. September 1971. Vor genau 50 Jahren also. Als ich an dem Morgen aufstand, freute ich mich zwar auf ein gemeinsames Abenteuer mit meinen drei älteren Brüdern und eben Opa Paul, aber der achtjährige Bernie hatte keine Ahnung, dass dieser Mittwoch sein Leben verändern würde. Für immer und unwiderruflich. Wobei meine Brüder nicht daran dachten, mein Leben zu ändern. Höchstens ihres, denn ich sollte nicht mehr quengeln, wenn sie die Sportschau anstellen wollten.
Deshalb der Plan, mich zum Fußballfan zu machen. Und er war ebenso perfide wie perfekt. Der HSV mit Uwe Seeler und Willi Schulz – das musste doch funktionieren. Tat es auch. Allerdings sind andere in solchen Situationen zum Fan des prominenten Gegners der Fortuna geworden. Nicht ich. Ich kniete mich neben vielen anderen Kids unten am Zaun auf ein Holzbrett. Und wie die anderen Kurzen sah ich zwar Seeler und Schulz – aber ich hatte nur Augen für die Roten. Für Fortuna. Das Spiel endete 0:0, aber das war wurscht. Fortuna hatte mich erwischt und ließ mich nicht mehr los.
Natürlich hat sich seit damals viel verändert. Ich bin nicht mehr der Kurze, der sich auf das Holzbrett kniet. Auch nicht mehr der Jugendliche, der seine Brüder zu jedem Heimspiel und manchmal auch zur Auswärtstour nach Gladbach begleitet und später mit Freund Rolli im Block 37 des Rheinstadions steht, ganz nah bei den harten Jungs im 36er. Nicht einmal mehr der, der zu den DFBPokalfinals und zum EuropapokalEndspiel in Basel fährt. Und der morgens um sieben Uhr mit dem Fanbus zurückkommt und eine Stunde später eine Spanisch-leistungskurs-klausur schreibt.
Nein, in den 50 Jahren hat sich vieles verändert. Die Fußball-leidenschaft hat mich zum Sportredakteur gemacht, der Beruf meinen Blick auf den Fußball verändert. Auch und gerade auf Fortuna, mit der ich durch vier Spielklassen marschierte. Aber sollte ich jetzt hier behaupten, dass mir durch diesen sachlichen, analytischen Blick, der für meine mittlerweile 22 Jahre als Berichterstatter steht, völlig egal geworden ist, was mit Fortuna passiert? Würde mir das irgendjemand glauben?
Heute vor 50 Jahren ist alles anders geworden. Und dass das in einem solchen Ausmaß passieren würde, hätten damals weder meine Brüder noch Opa Paul gedacht. Und am wenigsten ich.