Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
50 Jahre Kampf gegen Ungerechtigkeiten
Es begann mit einem Boot und Protesten gegen Atomtests. Heute ist Greenpeace einer der größten Umweltschützer der Welt.
NEW YORK/AMSTERDAM (dpa) Am Anfang war es nur eine spontane Idee: „Wir hoffen, dass wir mit einem Boot nach Amchitka segeln und uns der Bombe entgegenstellen werden“, sagte der amerikanische Ingenieur Jim Bohlen 1970 zu einem Reporter der „Vancouver Sun“. Genau das hatte kurz zuvor Bohlens Frau Marie vorgeschlagen, als beide überlegten, wie sie gegen die Atomtests der USA auf der Aleuteninsel Amchitka im Nordpazifik protestieren könnten. Ein Boot hatten die Bohlens da noch gar nicht. Gemeinsam mit Freunden trieben sie den alten Fischkutter „Phyllis Cormack“auf. Sie nannten ihn „Greenpeace“und machten sich damit am 15. September vor 50 Jahren auf die abenteuerliche Reise Richtung Aleuten.
Die Aktion verursachte so viel Aufmerksamkeit und internationale Empörung, dass das Atomwaffentest-programm schließlich abgebrochen wurde. Und: Die Umweltschutzorganisation Greenpeace war gegründet. Der 2010 gestorbene Mitgründer Bohlen sollte noch viele Jahre aktiv bleiben.
Ein halbes Jahrhundert später ist Greenpeace eine der größten Umweltschutzorganisationen der Welt, in mehr als 55 Ländern aktiv, mit rund drei Millionen Unterstützern. Allein in Deutschland, wo es 1980 die erste Aktion gab, hat Greenpeace nach eigenen Angaben mehr als 600.000 Mitglieder. Mit gewaltfreien Aktionen will man für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen kämpfen. Das sei auch ein Kampf für soziale Gerechtigkeit weltweit, betont Galit Gun, Leiterin der Globalen Kampagnen für Klima und Energie am Hauptsitz in Amsterdam.
Greenpeace will finanziell unabhängig sein von Regierungen, Parteien, Wirtschaft, aber auch von der EU und der Uno. Mithilfe vieler Experten prangert die Organisation Umweltprobleme nicht nur an, sondern hat viele überhaupt erst aufgedeckt. Und sie scheut den Kampf gegen große Konzerne nicht. Sie will Verursacher und Regierungen zum Handeln zwingen – etwa im Kampf gegen den Klimawandel. „Wir wollen der Öffentlichkeit zeigen, wer verantwortlich ist“, sagt Gun: „Wir wollen sie zur Rechenschaft ziehen.“
Und das geschieht auch vor Gericht oft gemeinsam mit anderen Umweltschützern. Mit zunehmendem Erfolg: Zuletzt wurde im Mai der Öl- und Erdgaskonzern Shell von einem niederländischen Gericht dazu verurteilt, seine KohlendioxidEmissionen drastisch zu senken. Das Klima-urteil gilt als historisch und kann weitreichende Folgen haben. In den 80er- und 90er-jahren machte Greenpeace vor allem mit spektakulären und oft umstrittenen Aktionen Schlagzeilen. International bekannt wurde der Kampf um die Versenkung des schwimmenden Öltanks „Brent Spar“.
Berühmt wurden die Einsätze der „Rainbow Warrior“: Aktivisten zogen mit dem grün angemalten Schiff und dem fröhlichen Regenbogen in den Kampf gegen die Aufbereitung von Atommüll, gegen das Schlachten von Robbenbabys, den Walfang und gegen französische Atomtests auf dem Mururoa-atoll. Dann ereignete sich 1985 das Drama: Der französische Geheimdienst brachte die „Rainbow Warrior“vor Auckland in Neuseeland mit zwei Sprengladungen zum Sinken. Ein GreenpeaceFotograf starb.
Doch gerade bei gefährlichen Aktionen erntet die Organisation auch Kritik. Zuletzt war das die missglückte Aktion beim Spiel Deutschland gegen Frankreich bei der FußballEuropameisterschaft in München. Ein Gleitschirmflieger hatte bei einer Bruchlandung im Stadion zwei Männer verletzt. Eigentlich sollte er nur einen Ball in die Arena werfen und gegen den Sponsor Volkswagen protestieren. Greenpeace bat um Entschuldigung.
Spektakuläre Aktionen werde es aber weiterhin geben, sagt Kampagnen-chefin Gun, „und sicher auch mit Schiffen“. So wie es vor 50 Jahren angefangen hatte. „Wir müssen gerade jetzt im Kampf gegen die Klimakatastrophe alles und jeden einsetzen – alle Mann an Deck“, sagt Gun. Inzwischen ist Greenpeace Teil einer weltweiten Bewegung. Gerade die junge Generation etwa um die schwedische Aktivistin Greta Thunberg sorge für „wunderbaren frischen Wind“.
Der weltweite Druck der Bürger werde nicht verschwinden, sagte jüngst auch die Exekutiv-direktorin von Greenpeace, Jennifer Morgan, dem Magazin „Rolling Stone“: „Die Demonstrationen werden immer weiter anwachsen.“Sie betonte, dass direkte Aktionen und gewaltlose Proteste zur Identität von Greenpeace gehören: „Aber ich rede seit 25 Jahren mit den Menschen darüber, und manche hören nicht zu und handeln nicht. Und dann muss man auf andere Art und Weise deren Aufmerksamkeit bekommen.“
Die Greenpeace-chefin ist überzeugt, dass man im Kampf gegen den Klimawandel das Ruder herumreißen kann: „Die Frage ist nur: Schaffen wir es schnell genug?“