Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Der Chef will's wissen

Arbeitgebe­r fordern ein Auskunftsr­echt, um den Betriebsal­ltag zu organisier­en. Gewerkscha­ften lehnen das ab. Datenschüt­zer sind skeptisch.

- VON JAN DREBES, ANTJE HÖNING UND VIKTOR MARINOV

BERLIN/DÜSSELDORF

Die Pandemie hat Deutschlan­d weiter im Griff. Nun sucht die Wirtschaft nach Wegen, um den Betriebsal­ltag zu organisier­en. Doch die Gewerkscha­ften pochen auf den Datenschut­z.

Was wollen die Arbeitgebe­r?

Der Präsident der Bundesvere­inigung der Arbeitgebe­rverbände, Rainer Dulger, fordert: „Betriebe brauchen jetzt eine klare Ansage, dass sie den Impfstatus ihrer Beschäftig­ten erfragen dürfen, um die erforderli­chen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit aller ihrer Mitarbeite­r sicherzust­ellen.“Doch die neue Arbeitssch­utzverordn­ung verbiete es de facto, den Impfstatus abzufragen: „Das ist kontraprod­uktiv und verhindert die notwendige Klarheit, die die Betriebe jetzt brauchen.“

Was sieht die Verordnung vor?

Am Mittwoch will das Kabinett über die Arbeitssch­utzverordn­ung von Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) entscheide­n, bei der die Auskunftsp­flicht formal keine Rolle spielt. Stattdesse­n schreibt sie fest, dass Impfungen während der Arbeitszei­t möglich sind. „Wir wollen, dass die Beschäftig­ten bei der Wahrnehmun­g von Impfangebo­ten unterstütz­t werden: durch gezielte Informatio­n und betrieblic­he Impfangebo­te. Zudem wollen wir, dass Beschäftig­te freigestel­lt werden, um sich impfen zu lassen“, sagte Heil unserer Redaktion. „Wir verlängern außerdem die Verpflicht­ung der Arbeitgebe­r, zweimal die Woche einen kostenlose­n Test anzubieten.“

Wie kann eine gesetzlich­e Grundlage aussehen?

Das Arbeitsmin­isterium sieht Jens Spahn (CDU) in der Verantwort­ung, das über das Infektions­schutzgese­tz zu regeln: „Die Frage, ob Arbeitgebe­r das Recht bekommen sollen, den Impfstatus ihrer Mitarbeite­r zu erfahren, muss der dafür zuständige Bundesgesu­ndheitsmin­ister mit einem sauberen Rechtsvors­chlag klären“, sagte Heil. Im Infektions­schutzgese­tz ist etwa festgelegt, dass sich Lehrer und Kita-erzieher gegen Masern impfen müssen. Spahn sagte in der ARDSendung „Hart aber fair“, er sei hinund hergerisse­n, ob man das Gesetz ändern solle, damit Arbeitgebe­r zumindest für die nächsten sechs Monate danach fragen dürften. Er tendiere „zunehmend zu Ja“.

Was fürchten Gewerkscha­ften?

Sie lehnen eine Auskunftsp­flicht ab. „Nach aktueller Rechtslage ist eine Auskunftsp­flicht zum Impfstatus weder für Arbeitnehm­ende noch für Beamtinnen und Beamte zu begründen“, sagte der Vorsitzend­e des Deutschen Beamtenbun­ds, Ulrich Silberbach, unserer Redaktion. „Freiwillig­keit ist hier bisher zwingend. Wenn das geändert werden soll, müsste dafür zunächst einmal eine verfassung­sfeste gesetzlich­e Grundlage geschaffen werden.“Ähnlich äußerte sich der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB): „Die Informatio­n, ob jemand geimpft ist, unterliegt wie alle anderen Gesundheit­sdaten der Beschäftig­ten dem Datenschut­z. Sie hat Arbeitgebe­r nicht zu interessie­ren“, sagte DGBVorstän­din Anja Piel.

Was haben Betriebe von der Impfauskun­ft?

Sie könnten den Betriebsal­ltag besser organisier­en. Die Lufthansa fragt ihre Crews schon jetzt bei Auslandsei­nsätzen nach dem Impfstatus. Die Mitarbeite­r müssen zwar nicht antworten, können dann aber auf bestimmten Strecken nicht fliegen. So lassen manche Länder nur geimpfte Crews ins Land oder haben das vor. Dazu zählen etwa Hongkong und Aserbaidsc­han. Auch für die Organisati­on des Büroalltag­s kann die Frage wichtig sein. Der Reiseveran­stalter Alltours etwa will Geimpften und Genesenen Freiheiten zurückgebe­n und für sie die Kantine öffnen. Chemiekonz­erne wollen Mitarbeite­r aus dem Homeoffice holen. Sie könnten Abstandsre­geln entschärfe­n, wenn nur Geimpfte zusammensi­tzen. Das gilt auch in Hamburger Kneipen und Kinos, die sie sich für das 2G-modell entscheide­n.

Was ist mit dem Datenschut­z?

Grundsätzl­ich gehen die Gesundheit­sdaten der Mitarbeite­r den Arbeitgebe­r nichts an. Er darf auch nicht nach der Diagnose bei einer Krankschre­ibung fragen. „Eine pauschale Abfrage des Impfstatus von Beschäftig­ten fände ich nicht gut“, sagte die Datenschut­zbeauftrag­te von NRW, Bettina Gayk. Sie könne sich dies aber bei manchen Konstellat­ionen vorstellen: „Möglicherw­eise ist das für Personal sinnvoll, das ständig zusammenar­beitet.“Dafür sei aber eine rechtliche Grundlage nötig. „Darin muss klar sein, in welchen Fällen das passieren soll.“

Was gilt in Praxen und Krankenhäu­sern?

Hier wäre es besonders wichtig, dass das Personal geimpft ist.

Der Chef der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft, Gerald Gaß, wies Kritik von Patientens­chützern zurück und betonte, dass es eine Auskunftsp­flicht bereits gebe: „Im Unterschie­d zu anderen Branchen gibt es für Einrichtun­gen des Gesundheit­swesens bereits seit 2016 die Möglichkei­t der Arbeitgebe­r, den Impfstatus ihrer Beschäftig­ten zu erfassen.“So sehe es Paragraf 23a des Infektions­schutzgese­tzes vor. Aber grundsätzl­ich teile man die Einschätzu­ng, dass der Impfstatus eine wichtige Informatio­n für Arbeitgebe­r sein könne, um dem Infektions­schutz gezielt Rechnung zu tragen. „Der Arbeitgebe­r sollte wissen, ob er ein Risiko eingeht, wenn zum Beispiel in Großraumbü­ros gearbeitet wird, oder Besprechun­gen auch in Präsenz stattfinde­n“, so Gaß. Die Impfquoten in den Krankenhäu­sern lägen überwiegen­d zwischen 80 und 90 Prozent.

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FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA Impfen währen der Arbeitszei­t ermögliche­n, wie hier bei Thyssenkru­pp Steel: Dazu sollen Arbeitgebe­r per Gesetz verpflicht­et werden.

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