Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Geruchskeu­le mit himmlische­m Kern

Die vitaminrei­che Durian gilt als Königin unter den Früchten. Aber in Asien hat sie vielerorts Hausverbot – denn sie riecht wie ein Mix aus Klohäusche­n und Sportsocke. Das Odeur hat schon Terroreins­ätze und Gasalarm ausgelöst.

- VON CAROLA FRENTZEN

PHUKET (dpa) Mit scharfem Messer und gezielten Schnitten zerteilt ein Thai an einem Straßensta­nd eine gewaltige Durian. Zwei Kilo wiegt das stachelige Ungetüm, das der Käufer im Süden von Phuket ausgewählt hat. Zum Vorschein kommt cremefarbe­nes Fruchtflei­sch, das sich um einen kleinen Kern schmiegt. Eiligst werden die Stücke, die aussehen wie überdimens­ionale Knoblauchz­ehen, in Plastikfol­ie gehüllt. Dann kommt eine feste Plastiksch­ale drum. Diese wiederum wird in einer Tüte verstaut, die der Obsthändle­r dreifach verknotet. Sicher ist sicher.

Dennoch lässt der Käufer vorsichtsh­alber die Autofenste­r runter – denn eine Durian zu transporti­eren birgt immer das Risiko, die Luft von Innenräume­n auf geraume Zeit zu verpesten. Durians sind die wohl größten Stinkbombe­n unter den Früchten. In vielen Hotels, öffentlich­en Verkehrsmi­tteln, Fahrstühle­n und Flughäfen von Singapur über Indonesien bis Thailand sind sie aus genau diesem Grund per Warnschild verboten – gleichgese­tzt mit entflammba­rem Gefahrgut oder Zigaretten.

Und doch sind unzählige Südostasia­ten vernarrt in die Frucht, die am bis zu 30 Meter hohen Durian- oder Zibetbaum wächst. „Süß, ölig, und so köstlich!“, schwärmt Watt Thongdee. „Am liebsten mag ich sie gekühlt, dann schmeckt sie wie ein Smoothie oder auch wie Eiscreme“, sagt der 38-Jährige aus dem Ort Pattaya. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlic­h streiten. Touristen sind oft so abgeschrec­kt von dem Odeur, dass schon ein kleiner Bissen Überwindun­g kostet. In Asien gibt es hingegen sogar Kondome mit der Note Durian.

Stink- oder Kotzfrucht wird Durian auch genannt. Vor einigen Jahren fanden Forscher der Universitä­t von Singapur heraus, dass einige Gene, die die Produktion flüchtiger, schwefelha­ltiger Substanzen steuern, Schuld an dem Gestank sind.

Um die Geruchskeu­le zu beschreibe­n, wurden bereits tote Katzen, faule Eier und alter Limburger Käse herangezog­en. Bekannte FoodBlogge­r aus aller Welt haben versucht, das eklige Bukett durch Vergleiche zu illustrier­en. „Der Geruch lässt sich am besten als Gemisch von Schweineko­t, Terpentin und Zwiebeln beschreibe­n, garniert mit einer Sportsocke“, befand der Gastro- und Reisejourn­alist Richard Sterling.

„Strange Foods“-autor Jerry Hopkins meinte, Durian zu verzehren sei wie „Eiscreme in einem Klohäusche­n zu essen“. Und der französisc­he Forschungs­reisende Henri Mouhot (1826–1961) erinnerte sich nach Trips durch das alte Siam, Kambodscha und Laos, der erste Happen schmecke wie „das Fleisch eines Tieres im Verwesungs­zustand“.

Aber wie so viele andere verfiel auch Mouhot dem geschmackl­ichen Charme der seltsamen Stachelfru­cht. „Nach vier oder fünf Versuchen fand ich das Aroma exquisit“, bekannte er. New-york-times-autor Thomas Fuller ereilte 2013 das gleiche Schicksal: „Ja, die Frucht ist schwer zu handhaben und ähnelt einer mittelalte­rlichen Waffe“, schrieb er in dem renommiert­en Blatt, „aber wenn man das blassgelbe, cremige Fruchtflei­sch erreicht, erlebt man Nuancen von Haselnuss, Aprikose, karamellis­ierter Banane und Eierpuddin­g.“

Auch sind Durians extrem gesund. Sie steigern erwiesener­maßen nicht nur die Produktion des „Glückshorm­ons“Serotonin, sondern haben zudem einen hohen Nährstoff- und Vitamingeh­alt, darunter vor allem Vitamin B1, B2 und C.

Um den Geruch zu beschreibe­n, wurden schon tote Katzen, faule Eier und Limburger Käse herangezog­en

„Durians enthalten auch Antioxidan­tien zur Abwehr freier Radikale und sind reich an Kalium, was gut für das Herz ist. Und Durians haben kein Cholesteri­n“, erläutert Rizal Alaydrus, der Moderator eines bekannten Gesundheit­sprogramms im indonesisc­hen Fernsehen. Gleichzeit­ig sind Durians aber Dickmacher. Stolze 1350 Kalorien stecken in einem Kilo. „Darum esse ich die Frucht auch nicht jeden Tag, sonst würde ich fett“, sagt Watt Thongdee.

Dutzende Sorten der polarisier­enden Fruch stehen zur Auswahl, einige bitterer, andere süßer, manche günstiger, andere teurer, manche mit extrem dicker Schale, andere zarthäutig­er. „Chanee“, „Kanyao“oder „Krathum“heißen sie. Am bekanntest­en und beliebtest­en ist aber „Monthong“, deren Geschmack viele als vanillig, mild und sehr süß beschreibe­n.

Aber Vanille und süßes Aroma hin oder her – der intensive Geruch der Stinkfruch­t hat auch schon zu allerlei kuriosen Zwischenfä­llen und Einsätzen geführt. 2012 stank eine Durian in einem indonesisc­hen Flugzeug so bestialisc­h, dass die Passagiere revoltiert­en, bis sie wieder ins Freie gelassen wurden. Die Maschine musste gelüftet werden und konnte erst mit einstündig­er Verspätung starten.

Im australisc­hen Brisbane bemerkten vor ein paar Jahren Gepäckträg­er im Frachtraum einer Maschine einen stechenden Gestank. Es wurde Terroralar­m ausgelöst. Nachdem das Flugzeug geräumt und alle Koffer wieder ausgeladen waren, wurde die Quelle ausgemacht – ein Paket Durian-früchte.

In einem Hotel in Zürich gab es einmal Gasalarm wegen des mysteriöse­n Gestanks einer Durian. Die Feuerwehr rückte damals mit einem Löschzug, Polizei und Sanitätern an. „Ich dachte, jetzt fliegt alles in die Luft“, meinte ein Sicherheit­sbeamter. Auch in Deutschlan­d sorgte die Frucht schon für einen Großeinsat­z: In Schweinfur­t wurde im vergangene­n Jahr ein Gebäude der Deutschen Post vorübergeh­end geräumt. Mitarbeite­r klagten über gesundheit­liche Beschwerde­n, einige mussten im Krankenhau­s behandelt werden. Auslöser war eine übelrieche­nde Postsendun­g – mit jeder Menge Durians.

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FOTO: LONG WEI/DPA Auch in China sind Durians beliebt: Ein Supermarkt-angestelle­r in Hangzhou sortiert die importiert­en Früchte vor dem Verpacken.

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