Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Untersuchungsausschuss zur Flut kommt
Gemeinsam forcieren SPD und Grüne im Landtag zur Aufklärung der Flutkatastrophe einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Gemeinsam gedachten die Politiker zuvor der Opfer des Hochwassers.
DÜSSSELDORF Die nordrhein-westfälische Landesregierung wird sich einem Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Flutkatastrophe stellen müssen. „Wir wollen wissen, warum 49 Menschen ihr Leben verloren“, sagte Spd-oppositionsführer Thomas Kutschaty am Mittwoch im Landtag und kündigte an, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (Pua) zu beantragen. Die Cdu/fdp-landesregierung habe sich geweigert, 45 Fragen zur Hochwasserkatastrophe zu beantworten, die ihnen die Spd-fraktion vorige Woche vorgelegt habe, so Kutschaty.
Die SPD schließt sich damit dem Antrag der Grünen an. Zusammen kommen die beiden Oppositionsfraktionen auf das erforderliche Quorum. Die AFD hatte einen eigenen Antrag eingereicht. Ein Pua ist das schärfste Mittel einer Opposition, um die Aufklärung und Kontrolle von Regierungshandeln zu erzwingen. Wie vor Gericht können dabei Zeugen vorgeladen oder
Regierungsdokumente ausgewertet werden.
„Wie konnte diese Katastrophe geschehen?“, fragte Grünen-coFraktionschefin Verena Schäffer. Sie frage sich, wieso die Warnungen nicht früher gehört worden, warum die Kommunen nicht früher zum Handeln aufgefordert worden seien – all dies gelte es aufzuarbeiten. Schäffer bezeichnete es als „inhaltliches Armutszeugnis“der Landesregierung, dass Innenminister Herbert Reul (CDU) die Verantwortung etwa auf die Wetterdienste abschiebe. Schäffer kritisierte, dass der Krisenkatastrophenstab der Landesregierung nicht eingesetzt wurde, sondern nur ein Koordinierungsgremium: „Wann wird der Krisenstab überhaupt eingesetzt?“, so Schäffer. Dafür müsse es klare Regeln geben.
Der Nrw-innenminister wies die Vorwürfe zurück: „Es ist eine bodenlose Frechheit, uns zu unterstellen, wir wären für die Opfer verantwortlich“, sagte er. Er habe bereits Fehler zugegeben und sperre sich nicht gegen die Aufarbeitung etwaiger
Versäumnisse. So hätten CDU und FDP eine Enquetekommission vorgeschlagen, um den Katastrophenschutz künftig zu verbessern. Der sei in Nordrhein-westfalen aber vor allem auf lokaler Ebene angesiedelt.
Umweltministerin Ursula Heinen-esser (CDU) hielt der Opposition entgegen, zentrale Fragen seien für die meisten Menschen andere:
„Wie sicher ist mein Haus in Zukunft? Wie sicher sind die kleineren Flüsse?“Damit müsse sich die Politik jetzt beschäftigen. Natürlich habe es klare Warnungen des Deutschen Wetterdienstes vor Starkregen gegeben. Es habe aber geheißen: „Wir können nicht sagen, wo genau.“
Der Grünen-politiker Norwich Rüße begründete den Pua auch damit, dass dieses Gremium noch bis zum Ende der Wahlperiode im kommenden Mai zu Ergebnissen kommen könne. Eine Enquetekommission brauche dafür länger.
Die Debatte im Düsseldorfer Landtag war geprägt von häufigen Zwischenrufen und Kritik daran, dass Nrw-ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die Debatte vorzeitig verlassen hatte, um in Paris Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron zu treffen. „Was der Ministerpräsident macht, ist eine Respektlosigkeit“, wetterte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Spd-fraktion, Sarah Philipp. Wiederholte Anträge der Opposition, die Debatte wie auch die sich anschließende Einbringung des Landeshaushalts deshalb zu vertagen, scheiterten an der Regierungsmehrheit von CDU und FDP.
In völligem Kontrast dazu hatten die Abgeordneten zuvor in einer würdevollen Gedenkstunde an die Opfer der Flutkatastrophe erinnert. Vor Angehörigen, Rettungskräften, Helferinnen und Helfern versprach Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Mittwoch im Landtag: „Wir sind es den Opfern schuldig, den Wiederaufbau voranzutreiben. Eine solche Aufbauleistung haben wir zuletzt direkt nach dem Zweiten Weltkrieg bewältigen müssen.“
Laschet bezeichnete die CoronaPandemie und die Jahrhundertflut als eine „Heimsuchung“, die prägend im geschichtlichen Bewusstsein bleiben werde. Nicole Didion, die als Leitende Notärztin im Flutgebiet im Einsatz war, schilderte in bewegenden Worten, auf welche Zerstörung und Verzweiflung sie getroffen war.