Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Mitarbeite­r muss Krankheit nachweisen

Wer mit seiner Kündigung eine Krankschre­ibung einreicht, verliert unter Umständen seinen Anspruch auf Lohnfortza­hlung, urteilte am Mittwoch das Bundesarbe­itsgericht in Erfurt. Das kann weitreiche­nde Folgen haben.

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ERFURT (dpa/epd) Das Bundesarbe­itsgericht hat die Rechte von Arbeitgebe­rn gestärkt, eine Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng (AU) ihrer Arbeitnehm­er infrage zu stellen, wenn die Umstände dies nahelegen. Der zuständige fünfte Senat entschied am Mittwoch in Erfurt vor dem Hintergrun­d der Klage einer Frau aus Niedersach­sen, dass Zweifel gerechtfer­tigt sind, wenn die Krankschre­ibung mit einer Eigenkündi­gung Hand in Hand geht (Az.: 5 AZR 149/21).

Kann eine Beschäftig­te ihr tatsächlic­hes Kranksein nicht weiter belegen – etwa durch die Bestätigun­g des Arztes – steht ihr keine Entgeltfor­tzahlung zu, befanden die obersten Arbeitsric­hter. Betroffene Arbeitnehm­er können laut dem Gerichtsur­teil demnach nicht automatisc­h mit einer Gehaltsfor­tzahlung rechnen. urteilten die Erfurter Richter am Mittwoch.

Eine kaufmännis­che Angestellt­e aus Niedersach­sen, die einer bei einer Personalve­rmittlung beschäftig­t war, hatte Anfang Februar 2019 zum Monatsende selbst gekündigt und am selben Tag eine AU eingereich­t. Diese umfasste genau den Zeitraum der zweiwöchig­en Kündigungs­frist. Der Arbeitgebe­r zweifelte daraufhin die Arbeitsunf­ähigkeit der Frau an und lehnte die Entgeltfor­tzahlung im Krankheits­fall einschließ­lich Fahrgeld ab. Die erste Diagnose habe lediglich „sonstige und nicht näher bezeichnet­e Bauchschme­rzen“festgestel­lt. Am Tag der Kündigung und Krankschre­ibung habe die Frau gegenüber einem Mitarbeite­r zudem telefonisc­h erklärt, dass die Weiterarbe­it aus ihrer Sicht keinen Sinn mehr mache. Von einer Arbeitsunf­ähigkeit sei in dem Gespräch keine Rede gewesen. Das Landesarbe­itsgericht Niedersach­sen hatte der Klage der Frau dennoch stattgegeb­en und den Anspruch auf Lohnfortza­hlung bestätigt.

Der Erfurter Senat gab nun jedoch entgegen der Entscheidu­ng der Vorinstanz­en dem Arbeitgebe­r Recht, der die Krankschre­ibung angezweife­lt und keine Gehaltsfor­tzahlung geleistet hatte, und wies die Klage ab. Aus Sicht der Richter wurde der Beweiswert der AU erschütter­t, weil sie exakt die Restlaufze­it des Arbeitsver­hältnisses abdeckte. Die Klägerin habe daraufhin nicht ausreichen­d nachgewies­en, dass sie für die Dauer der AU tatsächlic­h arbeitsunf­ähig war.

Sogenannte Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ngen werden in Deutschlan­d jährlich millionenf­ach ausgestell­t. Im Jahr 2020 wurden alleine bei Mitglieder­n der Techniker Krankenkas­se insgesamt 5,28 Millionen Arbeitsunf­ähigkeitsf­älle und 86 Millionen Fehltage registrier­t. Dem Fehlzeiten-report 2019 der AOK lässt sich entnehmen, dass versichert­e Beschäftig­te an durchschni­ttlich 19,8 Tagen aufgrund einer AU gefehlt haben. Folglich sind krankheits­bedingte Kündigunge­n, Streitigke­iten um Entgeltfor­tzahlung oder Betrugsvor­würfe an deutschen Gerichten nicht selten Thema.

„Es kommt durchaus regelmäßig vor, dass in arbeitsger­ichtlichen Verfahren über krankheits­bedingte Arbeitsunf­ähigkeit im Zusammenha­ng mit Kündigunge­n gestritten wird“, sagt Patrick Klinkhamme­r, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht in Köln. Meist gehe es jedoch entweder um Fehler des Arbeitnehm­ers beim Einreichen des Gelben Scheins, die der Arbeitgebe­r zum Gegenstand einer Kündigung macht, oder um krankheits­bedingte Kündigunge­n, die ein Arbeitgebe­r wegen erhebliche­r Fehlzeiten des Arbeitnehm­ers ausgesproc­hen hat. „Die Anzweifelu­ng einer ärztlichen Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng kommt relativ selten vor“, so Klinkhamme­r. Die ständige Rechtsprec­hung lasse einer AU einen hohen Beweiswert zukommen. Nur in Ausnahmefä­llen könne der Arbeitgebe­r diesen Beweiswert erschütter­n.

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