Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Germania feiert den 50. Rheinmarat­hon

1972 hatten die Düsseldorf­er den Ruderwettb­ewerb zum ersten Mal ausgetrage­n. Am Wochenende ist es wieder so weit.

- VON TINO HERMANNS

Mehr als 42 Kilometer in einem kleinen Boot auf dem verkehrsre­ichsten Strom Europas, angetriebe­n nur mit eigener Muskelkraf­t und und je nach Pegelstand mit ein bisschen Hilfe der Strömung. Damit es nicht allzu viel Spaß macht, haben die Ruderer auch noch den Steuermann dabei. Kein Wunder, dass jeder aktive Teilnehmer an einer der renommiert­esten kontinenta­len Langstreck­enregatta im Ziel zwischen „halbgöttli­cher Empfindung“und totaler Erschöpfun­g changiert, egal, ob es sich um ein 14-jähriges Mädchen aus Schweden, das vor vier Wochen erstmals in einem Ruderboot gesessen hat oder um einen in Wind und Wellen und jahrzehnte­langem Hochleistu­ngstrainin­g gestählten Olympiasie­ger handelt. Auf dem Rhein „sitzen alle in einem Boot“– Wasserstan­d, Wetter, Schiffsver­kehr, die DLRG, die Polizei und vor allem die erfahrenen Steuerleut­e geben Kurs und oft auch Schlagzahl vor.

Das ist die Kurzbeschr­eibung des „Rheinmarat­hons“, der seit 49 Jahren immer am ersten Oktobersam­stag zwischen Leverkusen und dem Klubhaus des RC Germania in Düsseldorf Hamm gerudert wird. Mit anderen Worten, demnächst steht die Austragung Nummer 50 an. „1972 starteten wir mit 37 Booten in einem Rennen. In Hochzeiten hatten wir 170 Boote auf dem Rhein in 30 Rennen. Es gab mehr Meldungen, aber mehr schaffen wir nicht, unter anderem, weil wir sowohl in Leverkusen als auch bei uns am Klubhaus lediglich einen Steg zur Verfügung haben“, erläutert Rheinmarat­honRegatta­leiterin Melanie Ott. „Für den 50. Rheinmarat­hon rechnen wir mit gut 160 Booten.“Das ist keine gewagte Prognose, sind 16 Tage vor dem Jubiläumsr­udern doch schon 145 Boote gemeldet.

Die Ruderer werden nach den 3G-regeln behandelt. „Bei der Startnumme­rnausgabe muss jeder Teilnehmer nachweisen, dass er entweder geimpft, genesen oder negativ getestet ist“, so Ott. „Zum Glück, weil ja inzwischen viele Menschen doppelt geimpft sind, können wir mehr Ruderer beim Rheinmarat­hon begrüßen, als im letzten Jahr. Es kommen auch wieder Ruderer aus dem Ausland.“So gibt es bereits Meldungen aus Irland, England, Schweden, Belgien, Frankreich und Spanien.

Die meisten wissen, worauf sie sich einlassen, sind sie doch nicht zum ersten Male auf dem Rhein unterwegs. Ihnen ist klar, dass sie irgendwie alle in einem Boot sitzen und meist dieselben Qualen leiden.

Nationalma­nnschaftsr­uderer haben nach getaner Arbeit, die in diesem Falle ja das pure Vergnügen sein soll, genauso aufgerisse­ne Blutblasen an den Händen wie Rudereleve­n, je nach individuel­lem Ehrgeiz sind die Könner des Fachs genauso erschöpft wie Anfänger, die sich die Kräfte nicht richtig eingeteilt haben. Man hat schon gestandene Mannsbilde­r völlig entkräftet auf dem Rheindeich in Höhe des Kilometers 738 liegen sehen, nur um wenige Minuten später breit grinsend mit einem obergärig hergestell­ten Getränk die Erhabenhei­t des Rheinmarat­hons zu preisen.

Da beweist das Düsseldorf­er Altbier seine isotonisch-therapeuti­sche Wirkung. Der Rhein-marathon ist eine dieser Veranstalt­ungen, deren Beurteilun­g sich innerhalb von sechs Stunden komplett dreht. Direkt nach der Zieldurchf­ahrt röcheln die meisten ihren Kameraden ein „nie wieder“entgegen; nach dem Genuss zweier oder dreier Gerstensäf­te und mit 30 bis 60 Minuten Abstand heißt es: „Vielleicht bin ich im nächsten Jahr doch wieder dabei“. Den Rest erledigt die schon legendäre Marathon-party im GermaniaKl­ubhaus. Internatio­nale Verbrüderu­ngsszenen zwischen Engländern, Iren, Franzosen, Niederländ­ern Belgiern, Schweden und Deutschen lassen die letzten Vorbehalte vor einem Neustart im darauffolg­enden Jahr verschwind­en. Plötzlich gehören die erschöpfte­n Halbgötter zu denen, die am liebsten direkt die Meldung für den nächsten Rheinmarat­hon abgeben würden.

 ?? FOTO: GERMANIA/SEYB ?? Da während der Regatta der Schiffsver­kehr weiterläuf­t, ist an Bord eines jeden Rheinmarat­hon-bootes ein erfahrener Steuermann.
FOTO: GERMANIA/SEYB Da während der Regatta der Schiffsver­kehr weiterläuf­t, ist an Bord eines jeden Rheinmarat­hon-bootes ein erfahrener Steuermann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany