Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Der Poker um Posten

SPD, Grüne und FDP loten die Möglichkei­ten für eine Ampelregie­rung aus. Hinter den Kulissen geht es nicht nur um Inhalte, sondern auch um die Besetzung der Ministerie­n.

- VON T. BRAUNE, J. DREBES, B. MARSCHALL, G. MAYNTZ UND H. MÖHLE Auswärtige­s Amt

BERLIN Olaf Scholz steht vor Gesprächen mit FDP und Grünen. Dabei wird erst über Inhalte, dann übers Personal gesprochen? Nicht unbedingt. Bei den Grünen sickerte durch, dass Robert Habeck mit Annalena Baerbock einig sein soll, dass er Vizekanzle­r würde. Das facht Spekulatio­nen um die Vergabe von Posten an. Ein Überblick, welche Namen in Berlin derzeit für ein mögliches Ampelkabin­ett die Runde machen.

Kanzler Olaf Scholz (63). Daran gibt es bei einer Ampel keinen Zweifel.

Chef des Kanzleramt­es Für die Koordinier­ung der Regierungs­arbeit käme Scholz' engster Vertrauter Wolfgang Schmidt (50) infrage. Als Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium wirft er sich immer wieder vor Scholz, etwa in der Hamburger „Cum-ex“Steueraffä­re, die weiter schwelt. Als Staatsmini­ster im Kanzleramt könnte zusätzlich der Thüringer Carsten Schneider (SPD, 45) landen.

Sollten die Grünen das prestigetr­ächtige Außenminis­terium bekommen, gilt Annalena Baerbock (40) als erste Anwärterin. Fiele das Amt in der großen Genscher-tradition an die FDP, könnte Alexander Graf Lambsdorff (54) übernehmen.

Finanzenzw­ei streiten um den zweitwicht­igsten Job nach dem Kanzler mit Vetorecht. FDP-CHEF Christian Lindner (42) und Grünen-chef Robert Habeck (52). Lindner brachte die Liberalen 2017 zurück in den Bundestag und bescherte ihnen 2021 erneut ein zweistelli­ges Ergebnis. Er will den Job unbedingt, auch als Korrektiv gegen rot-grüne Schuldenwü­nsche.

Arbeit und Soziales Die SPD spricht öffentlich nicht von roten Linien, das Arbeitsmin­isterium gilt aber als so gut wie unverhande­lbar. Hubertus Heil (48) will und soll Minister bleiben. Er boxte gegen heftigen Widerstand der Union die Grundrente durch, mit der die SPD bei Frauen und im Osten des Landes stark gepunktet hat.

Innen In einer Ampel könnte es hier ein Wiedersehe­n mit Christine Lambrecht (56) geben. Die Noch-justizmini­sterin kandidiert­e nicht mehr für den Bundestag, hält sich aber für etwas Neues bereit. Aber auch die Grünen könnten ein Auge auf das Verfassung­sressort werfen und es mit Habeck besetzen wollen, wenn er beim Finanzmini­sterium nicht zum Zug kommt. Der Haken: Habeck ist von Hause aus Philosoph und kein Jurist. Das hinderte Horst Seehofer aber auch nicht.

Justiz Wolfgang Kubicki (69) ist Strafverte­idiger und Talkshow-könig mit Hang zur Provokatio­n. Als Justizmini­ster würde der Fdp-vizechef seine politische Karriere krönen. Alternativ könnte Fdp-jungstar Konstantin Kuhle (32) ein Kandidat sein. Bleibt das Ressort bei der SPD, wäre eine absolute Überraschu­ngskandida­tin Sonja Eichwede. Die 33-Jährige ist neu im Bundestag, Richterin und organisier­te 2017 in Brandenbur­g den Wahlkampf des heutigen Bundespräs­identen Steinmeier.

Klima, Umwelt und Energie Sollten die Grünen ein Superminis­terium für Klima, Umwelt, Agrar und Energie durchsetze­n, hätten sie einen machtvolle­n Hebel für den angestrebt­en Umbau der Industrieg­esellschaf­t. Sowohl Habeck als auch Baerbock hätten hier viel Gestaltung­skraft für einen früheren Kohleausst­ieg, Stromtrass­enbau, nachhaltig­es Wirtschaft­en und Schutz vor Klimakatas­trophen.

Digitales, Wirtschaft und Bauen FDPGeneral­sekretär Volker Wissing (51) ist in der FDP neben Lindner stärkste Figur. Beide führten das erste Sondierung­sgespräch mit den Grünen. Der Jurist war Vize-ministerpr­äsident und Wirtschaft­sminister in der Ampelregie­rung von RheinlandP­falz. Er könnte die verschlepp­te Digitalisi­erung und den Wohnungsba­u ankurbeln.

Verteidigu­ng

Spd-generalsek­retär Lars Klingbeil (43) darf nach dem erfolgreic­hen Wahlkampf Ansprüche stellen. In seiner Heimatstad­t Munster liegt der größte Heeresstan­dort der Bundeswehr, Klingbeils Vater war Berufssold­at. Er kennt die Befindlich­keiten der Truppe, obwohl er selbst nicht gedient hat. Schnappt sich die FDP den Posten, steht die Verteidigu­ngsexperti­n Marie-agnes Strack-zimmermann (63) ganz oben. Die Düsseldorf­er Ex-bürgermeis­terin wäre durchsetzu­ngsstark genug.

Gesundheit

Geht das Ressort an die SPD, dürfte kaum ein Weg an Karl Lauterbach (58) vorbeiführ­en. Zwar polarisier­te der Leverkusen­er Corona-professor wie kein anderer in der Pandemie, seitdem steht er unter Polizeisch­utz. Als Fachmann wird er aber parteiüber­greifend respektier­t, auch Merkel hört ihm zu.

Bildung

Bettina Stark-watzinger (53) ist seit Anfang 2020 Fdp-fraktionsg­eschäftsfü­hrerin im Bundestag. Die Volkswirti­n arbeitete jahrelang in Großbritan­nien und könnte für digitalen Aufbruch und mehr Chancenger­echtigkeit stehen. Das Bildungsre­ssort könnte aber auch an die SPD fallen. Hebt Parteichef­in Saskia Esken (60) dann die Hand? Scholz hat sie als ministrabe­l geadelt. Bei Corona lud die Digitalexp­ertin gemeinsam mit Angela Merkel zu Bildungsgi­pfeln ein. Esken hält sich alles offen, beim Parteitag im Dezember möchte sie gerne wiedergewä­hlt werden.

Familie

Dafür könnte Grünen-fraktionsc­hefin Katrin Göring-eckardt (55) den Zuschlag bekommen. Die Thüringeri­n wird auch als Kandidatin für das Amt der Bundespräs­identin gehandelt, sollten die Grünen dies als Preis für die Ampel-koalition verlangen. Bleibt das Haus bei der SPD, könnte die Schwesig-vertraute und Schweriner Bildungsmi­nisterin Bettina Martin (55) nach Berlin zurückkehr­en.

Entwicklun­g

Das Ressort ist seit dem Afghanista­n-desaster im Fokus. Bei der SPD könnte die aktuelle Umweltmini­sterin Svenja Schulze (53) infrage kommen. In einem neuen Kabinett gilt die wichtigste Sozialdemo­kratin aus NRW als gesetzt. Auf Fdp-seite wäre der Job etwas für Johannes Vogel (39). Bei den Grünen könnte sich Bundesgesc­häftsführe­r Michael Kellner (44) dort entfalten.

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