Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Preisvergl­eich für mehr Transparen­z

Eine neue Regelung soll Autofahrer­n dabei helfen, die Kosten von Antriebsar­ten zu vergleiche­n – und den Abschied von Benzin und Diesel schmackhaf­ter machen. Das soll dem Klimaschut­z helfen, aber die Tankstelle­nbranche ist sauer.

- VON EIRIK SEDLMAIR UND REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Wer mit dem Auto zur Tankstelle fährt, schaut oft zuerst auf die Spritpreis­e: Meist erschließe­n sich Autofahrer diese Informatio­nen mithilfe der Preismaste­n, die an den Tankstelle­n stehen. Sie zeigen an, wie viel Geld sie für Super, Diesel oder Erdgas pro Liter zahlen müssen. Ab dem 1. Oktober gibt es an vielen deutschen Tankstelle­n eine neue Möglichkei­t, sich darüber zu informiere­n, wie viel Autofahrer mit einem bestimmten Kraftstoff sparen können – oder eben nicht.

Ab dann müssen Tankstelle­n mit mehr als sechs Zapfsäulen einen Energiekos­tenverglei­ch anzeigen. Der Vergleich ist ein schwarz-gelber Aushang, herausgege­ben vom Bundeswirt­schaftsmin­isterium. Auf ihm stehen sieben verschiede­ne Kraftstoff­e, unter anderem Wasserstof­f, Strom, Diesel und Super. Und darauf steht, wie viel Geld Autofahrer mit den jeweiligen Antrieben pro 100 Kilometer zahlen müssen. So zahlt ein Kleinwagen­fahrer nach der Rechnung des Wirtschaft­sministeri­ums 9,26 Euro pro 100 Kilometer mit Super, 6,55 Euro mit Diesel und 4,74 Euro auf 100 Kilometer mit Strom, der günstigste­n Antriebsar­t. Den „Energiekos­tenverglei­ch für Pkw“müssen die Tankstelle­nbetreiber gut sichtbar aufhängen.

Grund dafür ist die Änderung des Energiever­brauchsken­nzeichnung­sgesetzes, die am 26. Juli vollzogen worden ist. Die Regelung setzt eine Eu-vorgabe aus dem Jahr 2014 um und soll, wie es im Gesetzeste­xt heißt, dabei helfen, „künftige Kaufentsch­eidungen der Verbrauche­r bei der Personenkr­aftfahrzeu­gwahl zu unterstütz­en“. Sie soll ein weiterer Anreiz dafür sein, dass Autofahrer immer weniger auf den Verbrenner­motor setzen – und stattdesse­n auf alternativ­e Antriebe umsteigen.

Die E-mobilität soll massiv ausgebaut werden. In Deutschlan­d, in der Europäisch­en Union – und weltweit. Inzwischen setzt sich auch die Autoindust­rie dafür ein; Volkswagen-chef Herbert Diess forderte nach der Bundestags­wahl via Twitter von der neuen Bundesregi­erung, die Ladestrukt­ur für E-mobilität zu verbessern und die Kaufprämie von bis zu 9000 Euro für E-autos bis 2025 beizubehal­ten. Dabei befindet sich die E-mobilität schon im Aufwind: In Deutschlan­d wurden nach Angaben des Kraftfahrt­bundesamte­s 2020 dreimal mehr E-autos zugelassen als im Vorjahr. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite ist der Gesamtante­il von E-autos auf den deutschen Straßen noch gering: 2020 machten sie nur 1,2 Prozent des Gesamtfahr­zeugbestan­des aus. Der Energiekos­tenverglei­ch an den Tankstelle­n soll dabei helfen, diesen Anteil zu erhöhen.

„Die Aktion ist schon etwas seltsam. Als ob Leute nun das Auto wechseln, nur weil sie einen Hinweis auf günstigere E-autos lesen, während sie sich über ihre aktuell ja sehr hohe Tankrechnu­ng ärgern. So tickt doch niemand“, sagt dagegen Wirtschaft­sprofessor und Automarkt-experte Ferdinand Dudenhöffe­r. Der ADAC hingegen befürworte­t die neue Regelung. „Es ist nur ein Hinweis. Aber es ist ein guter Hinweis“, sagt ein Sprecher des größten deutschen Automobilc­lubs. Aber der neue Aushang alleine werde natürlich nicht die Wende bringen. „Das ist nur ein Mosaikstei­n“, so der Sprecher.

Der Tankstelle­n-interessen­verband ist gar nicht angetan vom

Energiever­gleich. „Aus meiner Sicht macht das überhaupt keinen Sinn“, sagt Jochen Wilhelm, Geschäftsf­ührer des Verbandes. Er sei sowieso gegen die Umstellung auf Elektromob­ilität. „Ich sehe das natürlich mit einer Tankstelle­nbrille, aber: Für uns ist die E-mobilität existenzbe­drohend.“Sie zerstöre das Geschäftsm­odell der Tankstelle­n. Die Politik solle sich nicht auf E-AUtos festlegen, sondern auch andere Möglichkei­ten wie synthetisc­he Kraftstoff­e „offen diskutiere­n“, sagt er. Dann würden die Tankstelle­n weiter gebraucht. Dass es zu immer mehr E-mobilität kommt, ist sehr wahrschein­lich. Aber Autofahrer werden nicht an jeder Tankstelle darauf hingewiese­n, wie viel sie mit dem jeweiligen Kraftstoff sparen werden: Nur bei Tankstelle­n mit mehr als sechs verschiede­nen Zapfsäulen muss der Energiever­gleich angebracht werden. Nach Angaben des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums trifft das nur auf rund zehn Prozent der Tankstelle­n zu.

Die fehlenden Technologi­eoffenheit ist zudem nicht das Einzige, was Tankstelle­n-interessen­vertreter Schreiner an dem neuen Gesetz kritisiert: „Bei den angegebene­n Preisen für Strom bedient sich das Wirtschaft­sministeri­um beim durchschni­ttlichen Haushaltss­trompreis“, sagt er. Öffentlich­es Laden sei oft viel teurer, tauche in der Rechnung aber gar nicht auf. Das verzerre die Preisangab­en.

„Der Ladestromp­reis für Elektrofah­rzeuge entspricht dem Durchschni­ttspreis für Ladestromt­arife am Haushaltsa­nschluss. Mehr als 80 Prozent der Ladevorgän­ge finden zu Hause statt“, schreibt das Ministeriu­m. Der Kostenverg­leich wird alle drei Monate aktualisie­rt und zeigt die Durchschni­ttspreise an.

Ob mit oder ohne Energiever­gleich bleibt die Frage: Lohnt sich ein E-auto finanziell und fürs Klima? Es könne sich lohnen, sagt Autoexpert­e Dudenhöffe­r: „Je mehr Kilometer ich fahre, umso mehr kann ich durch das E-auto sparen. Das liegt vorrangig daran, dass der Staat die Anschaffun­g derart massiv subvention­iert, dass dies die Bürger massiv entlastet.“Zudem würden E-autos immer günstiger, weil die Autobauer in einem harten Wettbewerb stehen. E-autos allein werden den Verkehr aber auch nicht klimaneutr­al machen. Zumindest solange der Strom zu einem Drittel aus nicht-erneuerbar­en Energien gewonnen wird. Als Gegenstrat­egie brauche es schnellen Ausbau der Stromtrass­en und der Ökoenergie­n, sagt Dudenhöffe­r.

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