Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Wenn die USA zahlungsunfähig würden
In den Vereinigten Staaten droht ohne Einigung zwischen Republikanern und Demokraten im Oktober eine Haushaltssperre.
DÜSSELDORF Zu den großen Wahlversprechen des damaligen amerikanischen Präsidenten Donald Trump gehörte der Bau einer 3200 Meter langen Mauer an der Grenze nach Mexiko. Rund 5,7 Milliarden Euro wollte er vor drei Jahren aus dem Us-haushalt dafür veranschlagen, doch die Demokraten machten ihm mit ihrer Mehrheit im Senat einen Strich durch die Rechnung. Was folgte, war wegen der fehlenden Einigung über einen Etat zwischen Republikanern und Demokraten die längste Haushaltssperre in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Sie dauerte 35 Tage und endete im Januar 2019 damit, dass sich beide Seiten auf eine Übergangsfinanzierung einigten.
Knapp drei Jahre später droht ab Freitag wegen eines erneuten Haushaltsstreits wieder ein „Government Shutdown“, also ein fast komplettes Herunterfahren der staatlichen Verwaltung, bei der Hunderttausende
Bedienstete im Zweifel nach Hause geschickt würden und nur noch die blieben, deren Arbeit unerlässlich ist – allerdings vorübergehend ohne Bezahlung, weil kein Geld dafür freigegeben wird. Die Gehälter würden dann nachgezahlt.
Das hat es schon häufiger gegeben, aber so alarmierend wie jetzt schien die Lage noch nie. Es geht um die von den Demokraten verlangte vorübergehende Aussetzung der Schuldenobergrenze, die die Republikaner ablehnen. Die Stimmung scheint auf dem Nullpunkt, eine Einigung weiter entfernt denn je, und ohne die droht nach Einschätzung der amerikanischen Finanzministerin und ehemaligen NotenbankPräsidentin Janet Yellen Mitte Oktober die Zahlungsunfähigkeit der Vereinigten Staaten. Der Regierung droht ohne Anhebung der Schuldenobergrenze das Geld auszugehen.
Das Ganze wäre also ein gewaltiger Rückschlag für die Pläne von Präsident Biden, die Infrastruktur des Landes zu modernisieren und ein Paket für den Ausbau des Sozialstaates zu schnüren. Es sei unklar, ob die USA über den 18. Oktober hinaus ihre finanziellen Verpflichtungen erfüllen könnten, schrieb Yellen in einem Brief an den Kongress. Im Klartext: Nicht nur Arbeitnehmer würden kein Geld bekommen, sondern auch die Rentner nicht, und Sold für die amerikanischen Soldaten gäbe es vorübergehend auch nicht.
Es geht aber nicht nur um die Investitionspläne des Präsidenten und die finanziellen Verwerfungen auf nationaler Ebene, sondern auch um die Kreditwürdigkeit der USA an den internationalen Finanzmärkten. Und damit auch darum, ob die Amerikaner womöglich in eine Rezession schlittern, ob das Land seine Anleihengläubiger pünktlich bezahlen kann oder nicht und ob ohne eine Einigung ein Kollaps an den Börsen droht, der natürlich auch die Finanzmärkte in Europa in Mitleidenschaft ziehen könnte. Der alte
Spruch „Wenn Amerika hustet, bekommt Europa die Grippe“könnte dann wieder aktuell werden. Das Bankhaus JP Morgan Chase & Co hat bereits erklärt, ein Zustand der Zahlungsunfähigkeit wäre „potenziell katastrophal“.
Noch ist es nicht so weit. Dass der Haushaltsstreit zwischen Republikanern und Demokraten zu eskalieren droht, liegt wie gesagt unter anderem daran, dass die Republikaner die vorübergehende Aussetzung der Schuldenobergrenze blockieren. Ähnliches haben sie noch zugelassen, als der Präsident des Landes Trump hieß, aus dem eigenen Lager kam und mehr Geld wollte – zugegebenermaßen nicht nur für den Bau der Mexiko-mauer, sondern auch für die Bekämpfung der Corona-lasten. Insofern ist das jetzige Verhalten natürlich auch politisches Kalkül und der Versuch, den demokratischen Präsidenten zu beschädigen. Dass der Dollar-index, der den Kurs zu wichtigen anderen Währungen spiegelt, am Mittwoch auf ein Elf-monats-hoch stieg, werten Analysten zwar als Indiz dafür, dass sich die Beteiligten auch diesmal in letzter Minute aus staatspolitischer Verantwortung heraus noch einigen könnten.
Der Dow Jones jedenfalls hat vorbörslich am Mittwoch wieder zugelegt, nachdem der wichtigste amerikanische Börsenindex zuvor binnen eines Monats mehr als drei Prozent verloren hatte. Und auch der Deutsche Aktien-index (Dax), der am Mittwoch noch zeitweise unter Spekulationen über eine mögliche Zinswende auch in Europa gelitten hatte, stieg wieder. Dennoch bleibt die Unsicherheit wegen der Entwicklung in den USA. Und mit der Schuldenkrise des chinesischen Immobilienkonzerns Evergrande bleibt ein weiterer Risikofaktor erhalten. Evergrande hat angeblich zum zweiten Mal binnen einer Woche Zinsen auf eine Dollar-anleihe nicht gezahlt. Das chinesische Unternehmen wollte sich zu diesem Thema aber nicht äußern.