Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Beethoven zwischen Samt, Seide und Stahl
Die Pianistin Imogen Cooper gibt beim Klavierfestival Ruhr ein Konzert als Hommage an Alfred Brendel.
DÜSSELDORF Die englische Pianistin Imogen Cooper gehörte zu den musikalischen Gratulanten Alfred Brendels zu dessen 90. Geburtstag. Im Rahmen des Klavierfestivals Ruhr, das auch im Düsseldorfer RobertSchumann-saal Tradition hat, interpretierte Cooper Klavierwerke von Arnold Schönberg, Franz Schubert und Ludwig van Beethoven – und wieder befand sich Jubilar Brendel persönlich unter den Konzertbesuchern.
Sehr wienerisch war das Programm und bewegte sich musikgeschichtlich im Rückwärtsgang, angefangen mit den „Sechs kleinen Stücken“op. 19 Schönbergs über elf frühromantische Écossaises Schuberts bis hin zu Beethovens „Diabelli-variationen“. Zum ziemlich kontrastreichen Programm passte das facettenreiche Klavierspiel Coopers, die über einen schönen weichen Anschlag ebenso wie über Kapazitäten für ein ordentliches Donnerwetter verfügt.
Obwohl man von der Garderobe nicht immer auf den Menschen schließen kann, fiel auf, dass die weinrote Samtjacke mit violetten Reflexen, die Cooper an diesem Abend am Klavier trug, erstaunlich gut zu dem Klang passte, den sie dem Flügel entlockte. Schönberg spielte Cooper trotz aller musikalischer Abstraktheit keineswegs kühl, sondern mit viel Sinn für die Poesie, die in diesem frühmodernen Purismus aus dem Jahr 1911 mitschwingt.
Die Weichheit und Wärme des Klavierklangs setzte sich in den Schubert-tänzen fort. Cooper brillierte nicht über diese spieltechnisch nur moderat anspruchsvollen Stücke hinweg, machte daraus auch keine musikalische Philosophie, sondern ließ ihnen den Charme von Hausmusik.
Stille Wasser sind manchmal tief. Und von Coopers Zurückhaltung bei Schubert sollte man keinesfalls auf pianistische Schwäche schließen. Beethovens letztes großes Klavierwerk, die Variationen über einen heiter-beschwingten Walzer des österreichischen Musikverlegers und Komponisten Anton Diabelli, erfordern indes schweres Geschütz bei der Bewältigung. Und Cooper – die das Thema und viele Variationen nicht betont virtuos, sondern mehr mit Interesse an Ausführlichkeit darbot – konnte in jenen Passagen, die zweifellos zackig klingen müssen, Samt und Seide ablegen und geradezu stählern in die Tasten des Instruments greifen.
Trotz aller Nuancen und durchdachten Artikulation hatte Coopers Interpretation der „Diabelli-variationen“auch ein kleines Manko: Ihr fehlte der rote Faden. Genauigkeit, Schattierungen und Akzente wirken innerhalb eines langen Werkes nur halb so mitreißend, wenn sie sich vereinzeln, anstatt einen Strom zu bilden. Daher entstanden zwischendurch Längen.
Der Beifall fiel freundlich und langanhaltend aus, bewog die Pianisten aber zu keiner Zugabe.