Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten
Am Wochenende gab es konkrete Vorgespräche der Parteien mit möglichen Bündnispartnern. Bis in den Abend zogen sich Treffen der Sondierungsteams. Die SPD wünscht sich zügige Beratungen im Dreierkreis mit FDP und Grünen.
BERLIN Eine Woche nach der Bundestagswahl nimmt das Ringen um die künftige Bundesregierung Fahrt auf. Am Sonntag traf die SPD von Kanzlerkandidat Olaf Scholz erstmals mit der Fdp-spitze und den Grünen zusammen, um Chancen einer Ampel-koalition auszuloten. Im Anschluss daran sagte SPD-GEneralsekretär Lars Klingbeil, seine Partei wünsche sich nun zügige Gespräche mit FDP und Grünen: „Die SPD ist jetzt bereit für Dreiergespräche.“Grünen-chefin Annalena Baerbock reagierte darauf zurückhaltend. Zunächst wolle ihre Partei am Dienstag mit der Union sprechen. CDU und CSU kamen parallel am Abend in einer ersten Runde mit der FDP zusammen.
Csu-generalsekretär Paul Ziemiak und sein Csu-amtskollege Markus Blume lobten das Gespräch mit den Liberalen. In den wesentlichen Punkten liege man beieinander. „Das macht Lust auf mehr“, sagte Blume. Fdp-generalsekretär Volker Wissing hielt sich etwas bedeckter. Klar sei, dass die FDP kein Interesse an einer Hängepartie habe. Deutschland müsse regierungs- und handlungsfähig bleiben. Die Führungsquerelen in der Union, wo CDU-CHEF Armin Laschet massiv unter Druck steht, nehme man zur Kenntnis. Eine Belastung für die Gespräche sei das nicht.
Ziemiak stellte klar, dass die Union als Zweiter der Bundestagswahl keinen Anspruch auf die Regierung erhebe, sondern ein „attraktives Angebot“an Grüne und FDP für ein Jamaika-bündnis mache.
Baerbock sagte nach den rund zweistündigen Gesprächen mit Olaf Scholz und dem SPD-VERhandlungsteam, man habe sachlich beraten. Über Inhalte sei Stillschweigen vereinbart worden. „Ich bitte um Verständnis, dass wir auch nicht sagen, was es zu essen gab.“Wichtig sei es, Klimaschutz unter Volldampf für Stadt und Land zu schaffen, ebenso die Digitalisierung voranzubringen.
Ihr grüner Co-chef Robert Habeck erklärte, er habe eine Bereitschaft festgestellt, dass die SPD trotz vieler Jahre in der Regierung bereit für eine neue Dynamik sei. „Politik sucht ja immer nach Schnittmengen. Wir haben nach Dynamik gesucht.“Auf die Frage, ob die Grünen-chefs sich darüber wunderten, dass die SPD „nur“den Generalsekretär und nicht Scholz vor die Kameras geschickt habe, antwortete Habeck: „Wir nehmen`s immer, wie es kommt.“
In den Parteizentralen war zu hören, dass der Druck für eine Regierungsbildung hoch sei. Bis spätestens Weihnachten soll ein neuer Koalitionsvertrag stehen, wenn möglich sogar früher. Wie realistisch das ist, lässt sich derzeit aber nur schwer einschätzen. Denn die Verhandler der Parteien kämpfen in den eigenen Reihen mit unterschiedlichen Fliehkräften. Spd-kanzlerkandidat Scholz muss insbesondere bei Parteilinken für Kompromissbereitschaft gegenüber der FDP werben, die beispielsweise in der Steuerpolitik weit entfernt vom SPD-WAHLprogramm zu sein scheint. Auch die Grünen müssen noch Gräben mit der FDP überwinden, auch wenn erste Vorgespräche positiv verlaufen waren. Die Fdp-spitze wiederum muss intern rückkoppeln, ob mit einem Jamaika- oder einem AmpelBündnis mehr liberale Politik durchsetzbar wäre – und ob mit der Union überhaupt eine Regierungsbildung sinnvoll erscheint. Denn CDU-CHEF Armin Laschet hatte vor einer Woche ein aus Unionssicht desaströses Wahlergebnis eingefahren und klammert sich gegen interne Widerstände an die Macht.
Da sind die jüngsten Umfragewerte des Meinungsforschungsinstituts Insa keine Hilfe für ihn: Die Union rutscht in der Sonntag veröffentlichten Erhebung noch einmal um gut drei Punkte auf 21 Prozent ab, die SPD legt um 2,3 Punkte auf 28 Prozent zu, und auch Grüne (plus 1,2 auf 16 Prozent) und FDP (plus 0,5 auf 12 Prozent) können leichte Zugewinne nach der Wahl verbuchen.
Nach dem Treffen von SPD und FDP sprachen Klingbeil und Volker Wissing von konstruktiven Gesprächen. Wissing sagte, dass es mit Blick auf die Wahlprogramme inhaltliche Klippen gebe. Eine Überwindung scheint aber möglich zu sein. Die Grünen sind zuversichtlich, einer künftigen Koalition anzugehören. „Wenn wir uns nicht komplett dämlich anstellen, werden wir in den nächsten vier Jahren diese Regierung nicht nur mittragen, sondern maßgeblich mitbestimmen“, sagte Habeck am Samstag bei einem Kleinen Parteitag. Über einen Koalitionsvertrag und Ministerposten einer möglichen Regierung sollen die 120.000 Grünen-mitglieder.
Der Grünen-außenpolitiker Omid Nouripour forderte die SPD zur Korrektur ihrer Russland-politik auf: „Wir werden sehr viel mit der Sozialdemokratie über den richtigen Kurs gegenüber Russland ringen müssen“, sagte Nouripour unserer Redaktion.