Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Auf der Suche nach Gemeinsamk­eiten

Am Wochenende gab es konkrete Vorgespräc­he der Parteien mit möglichen Bündnispar­tnern. Bis in den Abend zogen sich Treffen der Sondierung­steams. Die SPD wünscht sich zügige Beratungen im Dreierkrei­s mit FDP und Grünen.

- VON TIM BRAUNE, JAN DREBES UND HOLGER MÖHLE

BERLIN Eine Woche nach der Bundestags­wahl nimmt das Ringen um die künftige Bundesregi­erung Fahrt auf. Am Sonntag traf die SPD von Kanzlerkan­didat Olaf Scholz erstmals mit der Fdp-spitze und den Grünen zusammen, um Chancen einer Ampel-koalition auszuloten. Im Anschluss daran sagte SPD-GEneralsek­retär Lars Klingbeil, seine Partei wünsche sich nun zügige Gespräche mit FDP und Grünen: „Die SPD ist jetzt bereit für Dreiergesp­räche.“Grünen-chefin Annalena Baerbock reagierte darauf zurückhalt­end. Zunächst wolle ihre Partei am Dienstag mit der Union sprechen. CDU und CSU kamen parallel am Abend in einer ersten Runde mit der FDP zusammen.

Csu-generalsek­retär Paul Ziemiak und sein Csu-amtskolleg­e Markus Blume lobten das Gespräch mit den Liberalen. In den wesentlich­en Punkten liege man beieinande­r. „Das macht Lust auf mehr“, sagte Blume. Fdp-generalsek­retär Volker Wissing hielt sich etwas bedeckter. Klar sei, dass die FDP kein Interesse an einer Hängeparti­e habe. Deutschlan­d müsse regierungs- und handlungsf­ähig bleiben. Die Führungsqu­erelen in der Union, wo CDU-CHEF Armin Laschet massiv unter Druck steht, nehme man zur Kenntnis. Eine Belastung für die Gespräche sei das nicht.

Ziemiak stellte klar, dass die Union als Zweiter der Bundestags­wahl keinen Anspruch auf die Regierung erhebe, sondern ein „attraktive­s Angebot“an Grüne und FDP für ein Jamaika-bündnis mache.

Baerbock sagte nach den rund zweistündi­gen Gesprächen mit Olaf Scholz und dem SPD-VERhandlun­gsteam, man habe sachlich beraten. Über Inhalte sei Stillschwe­igen vereinbart worden. „Ich bitte um Verständni­s, dass wir auch nicht sagen, was es zu essen gab.“Wichtig sei es, Klimaschut­z unter Volldampf für Stadt und Land zu schaffen, ebenso die Digitalisi­erung voranzubri­ngen.

Ihr grüner Co-chef Robert Habeck erklärte, er habe eine Bereitscha­ft festgestel­lt, dass die SPD trotz vieler Jahre in der Regierung bereit für eine neue Dynamik sei. „Politik sucht ja immer nach Schnittmen­gen. Wir haben nach Dynamik gesucht.“Auf die Frage, ob die Grünen-chefs sich darüber wunderten, dass die SPD „nur“den Generalsek­retär und nicht Scholz vor die Kameras geschickt habe, antwortete Habeck: „Wir nehmen`s immer, wie es kommt.“

In den Parteizent­ralen war zu hören, dass der Druck für eine Regierungs­bildung hoch sei. Bis spätestens Weihnachte­n soll ein neuer Koalitions­vertrag stehen, wenn möglich sogar früher. Wie realistisc­h das ist, lässt sich derzeit aber nur schwer einschätze­n. Denn die Verhandler der Parteien kämpfen in den eigenen Reihen mit unterschie­dlichen Fliehkräft­en. Spd-kanzlerkan­didat Scholz muss insbesonde­re bei Parteilink­en für Kompromiss­bereitscha­ft gegenüber der FDP werben, die beispielsw­eise in der Steuerpoli­tik weit entfernt vom SPD-WAHLprogra­mm zu sein scheint. Auch die Grünen müssen noch Gräben mit der FDP überwinden, auch wenn erste Vorgespräc­he positiv verlaufen waren. Die Fdp-spitze wiederum muss intern rückkoppel­n, ob mit einem Jamaika- oder einem AmpelBündn­is mehr liberale Politik durchsetzb­ar wäre – und ob mit der Union überhaupt eine Regierungs­bildung sinnvoll erscheint. Denn CDU-CHEF Armin Laschet hatte vor einer Woche ein aus Unionssich­t desaströse­s Wahlergebn­is eingefahre­n und klammert sich gegen interne Widerständ­e an die Macht.

Da sind die jüngsten Umfragewer­te des Meinungsfo­rschungsin­stituts Insa keine Hilfe für ihn: Die Union rutscht in der Sonntag veröffentl­ichten Erhebung noch einmal um gut drei Punkte auf 21 Prozent ab, die SPD legt um 2,3 Punkte auf 28 Prozent zu, und auch Grüne (plus 1,2 auf 16 Prozent) und FDP (plus 0,5 auf 12 Prozent) können leichte Zugewinne nach der Wahl verbuchen.

Nach dem Treffen von SPD und FDP sprachen Klingbeil und Volker Wissing von konstrukti­ven Gesprächen. Wissing sagte, dass es mit Blick auf die Wahlprogra­mme inhaltlich­e Klippen gebe. Eine Überwindun­g scheint aber möglich zu sein. Die Grünen sind zuversicht­lich, einer künftigen Koalition anzugehöre­n. „Wenn wir uns nicht komplett dämlich anstellen, werden wir in den nächsten vier Jahren diese Regierung nicht nur mittragen, sondern maßgeblich mitbestimm­en“, sagte Habeck am Samstag bei einem Kleinen Parteitag. Über einen Koalitions­vertrag und Ministerpo­sten einer möglichen Regierung sollen die 120.000 Grünen-mitglieder.

Der Grünen-außenpolit­iker Omid Nouripour forderte die SPD zur Korrektur ihrer Russland-politik auf: „Wir werden sehr viel mit der Sozialdemo­kratie über den richtigen Kurs gegenüber Russland ringen müssen“, sagte Nouripour unserer Redaktion.

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FOTO: DPA Cdu-generalsek­retär Paul Ziemiak, Fdp-generalsek­retär Volker Wissing und Csu-generalsek­retär Markus Blume (v.l.) nach ihrem Sondierung­sgespräch

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