Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
„Bund muss verschuldeten Städten helfen“
BURKHARD JUNG Der Präsident des deutschen Städtetags fordert eine Altschuldenhilfe, um einen Neustart zu ermöglichen.
Die Bundestagswahl liegt nun eine Woche zurück. Was erwarten die Städte jetzt von den Parteien?
JUNG Es darf keine langen Sondierungen geben. Wir wünschen uns rasche Koalitionsverhandlungen. Unser Land kann sich keine Hängepartie leisten. Drängende Fragen müssen klug angepackt werden. Wir Städte wollen lebenswert und innovativ bleiben, für die Menschen im ganzen Land. Der Bund muss dafür einen guten Rahmen setzen.
Was wünschen sich die Kommunen als Erstes von der nächsten Bundesregierung?
JUNG In den Rathäusern gibt es viel Unruhe, weil in den Jahren 2021 und 2022 den Kommunen durch die Corona-krise fast 20Milliarden Euro an Steuereinnahmen fehlen. Hier muss die neue Bundesregierung schnell handeln und gemeinsam mit den Ländern rasch die kommunalen Haushalte stabilisieren. 2020 haben uns Bund und Länder erfolgreich geholfen und Steuerverluste ausgeglichen. Das brauchen wir jetzt auch für 2021 und 2022. Weitere wichtige Aufgaben sind: Klimaneutralität möglich machen und nachhaltige Mobilität voranbringen, mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und die Innenstädte stärken. Auch da setzen wir auf gute Bedingungen und die Unterstützung durch den Bund.
Warum ist die Altschuldenhilfe des Bundes für überschuldete Kommunen so wichtig, die Olaf Scholz angekündigt hatte?
JUNG Wir warten schon lange auf einen Durchbruch bei den kommunalen Altschulden. Denn es geht bei Weitem nicht allen Städten gut in diesem Land. Wenn die Zinsen auch nur ein wenig steigen, gibt es viele Städte, die dann von der Schuldenlast erdrückt werden. 36Milliarden Euro Altschulden lassen sich nicht von den betroffenen Städten und ihren Ländern allein tilgen. Der Bund muss einen Teil dieser Last übernehmen, um einen Neustart für zahlreiche Städte möglich zu machen.
Wie gelingt der Umbau der Städte hin zur Klimaneutralität?
JUNG Viele Städte wollen schon vor 2045 klimaneutral werden. Die Städte sind längst aus den Startblöcken raus. Aber es liegen ständig Hürden auf dem Weg. Wir brauchen zum Beispiel mehr Tempo beim energieeffizienten Bauen und Sanieren und eine echte Mobilitätswende. Wenn wir die Ziele der Klimaneutralität erreichen wollen, müssen Bremsen gelöst werden. Wir brauchen dringend schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Und wir brauchen von Bund und Ländern jährlich eine zweistellige Milliardensumme für Klimaschutz und Klimaanpassung in den Kommunen.
Woran hakt der Ausbau der erneuerbaren Energien?
JUNG Beim Ausbau der Windenergie hakt es, weil Flächen fehlen und lokale Proteste gegen die Anlagen zunehmen. Auch Planungs- und Genehmigungsverfahren sind zu aufwendig. Daher muss sich die neue Regierung mit den Kommunen abstimmen und das Bau- und Planungsrecht schlanker machen. Wir brauchen Vorrang für den raschen Ausbau erneuerbarer Energien. Damit das klappt, müssen in einigen Ländern Mindestabstandsregeln für Windkraftanlagen umgehend abgeschafft werden.
Wie stehen Sie zu einer Solarpflicht auf allen Neubauten?
JUNG Die Städte müssen die Möglichkeit haben, Solaranlagen und Dachbegrünungen bei Neubauten und auch bei Sanierungen verpflichtend vorzugeben. Die Anreize für Solaranlagen auf Dächern müssen erheblich verbessert werden. Dort Energie zu erzeugen, ist ein zentraler Baustein für das Gelingen der Energiewende.