Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Die Rache einer Frau
Stephan Kimmig bot am Düsseldorfer Schauspielhaus eine etwas überfrachtete Inszenierung von „Kriemhilds Rache“aus Friedrich Hebbels Trauerspiel „Die Nibelungen“.
Vorab war dies bekannt: Die Aufführung wird eine Stunde und 50 Minuten dauern. Sie wird Kriemhilds Rache aus dem Nibelungenlied zeigen, gefiltert zunächst durch Friedrich Hebbels Trauerspiel „Die Nibelungen“, sodann durch den Blick des Regisseurs Stephan Kimmig und mit einem Nachspiel aus der Feder der Hauptdarstellerin versehen. An einem einzigen Abend also wollte das Düsseldorfer Schauspielhaus seinen Gästen im Großen Haus das Kondensat eines Stoffes bieten, der schon durch die Fülle seiner Personen, mehr noch durch die Vielzahl der Handlungsstränge hohe Aufmerksamkeit und viel Zeit erfordert.
Doch der Regisseur hat keine Eile. Schier endlos dehnt sich die erste Szene: In einem Appartement sitzt links in der Küche ein blutbeschmierter, stummer Mann in Unterwäsche, während rechts eine Frau sich mal zu Bett legt, dann frühstückt oder die Blumen gießt. Irgendwann rafft sie sich auf, kleidet sich in ein blaues Glitzerkleid mit violettem Jäckchen und macht sich auf hochhackigen Schuhen für die Welt jenseits der eigenen Wände bereit.
Man ahnt es: Die Frau ist Kriemhild, die Schwester von König Gunther, dem Herrscher über die Burgunder. Und der stumme Mann mit dem Blut im Gesicht heißt Siegfried und ist längst tot. Das Vorspiel nimmt das Ende vorweg.
So gemächlich kann es nicht weitergehen. Kimmig muss aufs Tempo drücken, muss endlich auch die anderen auf die Bühne rufen: Brunhild, die Königin von Isenland, Hagen Tronje und König Gunther. Und muss eine Vorstellung davon vermitteln, worum es geht. König Gunther will die schöne Brunhild zu seiner Königin machen, doch will sie nur demjenigen das Jawort geben, der sie im Kampf besiegt. Gunther will den jungen Helden Siegfried dafür einspannen, dass er ihm hilft, Brunhild zu erobern. Zum Dank soll Siegfried die Hand von Kriemhild erhalten, der Schwester des Königs. Siegfried macht seinem Namen Ehre und kämpft unter seiner Tarnkappe erfolgreich gegen Brunhild. Die glaubt indessen, König Gunther habe sie besiegt. Langer Handlung kurzer Sinn: Durch einen verräterischen Gürtel, der Kriemhild in die Hände fällt, kommt es zu einem Eklat, bei dem Hagen Siegfried tötet, Kriemhilds geliebten Ehemann. Kriemhild sinnt auf Rache und gewinnt Männer am Hof dafür, die Nibelungen auszurotten. Kriemhild selbst erschlägt Hagen und findet kurz darauf selbst den Tod.
Auf der sich von Zeit zu Zeit drehenden Bühne mit ihrer hohen Wand für Projektionen ereignen sich Kämpfe und laute, wilde Dialoge. Die beiden Frauen bilden dabei zunehmend den Mittelpunkt – Frauen, die von ihren Müttern zur Anpassung erzogen wurden. Im Nachspiel, verfasst von Lea Ruckpaul, der Darstellerin der Kriemhild, klagt Brunhild darüber, ihr Körper sei falsch benutzt worden, er habe sich in etwas Sterbendes verwandelt. Kriemhild dagegen wendet sich gegen bloßes Lamentieren, gesteht aber auch: „Mitleid bekommt nur die Frau, die aushält.“Beide hadern mit dem Schicksal, das ihnen ihr Geschlecht vorgab. „Warum hast du mich nicht sperrig gemacht?“, so klagt Kriemhild ihre Mutter an. Das aktuelle Nachwort wirkt etwas ge
bastelt, ein wenig Kritik an den Geschlechterrollen, ein wenig Humanität, ein wenig Konsumkritik. Am Ende sind sich Frauen und Männer, jene gelangweilt mit einem Eis am Stiel in der Hand, nur in einem einig: „Zurück geht nicht.“Eine Zukunft, in der Frauen und Männer gemeinsame Sache machen, das wäre nicht übel.
In Erinnerung bleiben von diesem überfrachteten Abend vor allem die schauspielerischen Leistungen. Minna Wündrich spielt ihre Brunhild ganz aus dem Körper heraus, tanzt in ihrer schwarzen Kluft zuweilen wild über die Bühne, schreit und ist jederzeit präsent. Lea Ruckpaul hat es als Kriemhild schwer, sich dagegen zu behaupten. Ihre Worte wirken manchmal wie angelesen, ihre Gesten und ihre Mimik so lieblich wie ihr weißes Erscheinungsbild. Erst im Nachspiel dreht sie auf und nähert sich Wündrichs mitreißendem, dabei stets natürlich wirkendem Temperament an.
Unter den männlichen Darstellern ragt Joscha Baltha als Hagen hervor, ein auch in seinen Kostümen wandlungsfähiger Typ, der mit wirrem Haar entschieden durch die Welt schreitet. Florian Lange als Siegfried und Andreas Grothgar als König Gunther fügen sich in das beeindruckende Ensemblespiel ein.