Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Katholische Sexualmoral in der Kritik
Unmut überschattete die zweite Vollversammlung zum Synodalen Weg.
FRANKFURT Ganz am Ende ist den Synodalen die Puste ausgegangen. Nach drei Tagen vielstündiger Beratungen fehlte der zu Beginn mehr als 200 Mitglieder zählenden Versammlung die Beschlussfähigkeit. Drei von insgesamt 16 umfänglichen Dokumenten mussten so unbedacht bleiben und kommen nächstes Mal dran.
Der graue Schlusspunkt wirft ein falsches Licht auf die konzentrierten Beratungen zuvor – wie auch auf die große Zustimmung in etlichen Fragen. Am leichtesten war sie dort, wo die Kluft zwischen Glaubenslehre und Lebenswirklichkeit am größten ist wie in der kirchlichen Sexualmoral. Dass Sexualität nur in der Ehe gelebt und auf Zeugung ausgelegt sein soll, wird vielen Menschen wie eine Nachricht aus dem 19. Jahrhundert erscheinen. Dazu der Bochumer Theologe Thomas Söding: „Wer so Ethik betreiben will, erreicht das Gegenteil.“
Das spiegelt sich in der Wahrnehmung auch vieler Gläubiger wider, die in dieser restriktiven Sexualmoral vor allem ein Instrument sehen, um „subtile oder offensichtliche Macht über die Lebensführung der Menschen auszuüben“, wie es in der Präambel des Forums heißt. Stattdessen sei allein die Liebe der Weg zu einer gelingenden Beziehung. Sie ist das christliche Primat. Wenn gelebte Sexualität Ausdruck der Identität eines jeden Menschen ist, so darf es keine Beurteilung darüber geben, was christlich und was vermeintlich sündig ist. Unbestritten sei „die gleiche Würde homosexueller Menschen, da alle Menschen als Ebenbild Gottes geschaffen wurden“, heißt es. Und darin gründe sich für die Kirche das „Verbot jeglicher Diskriminierung“.
Ein „heißes Eisen“auf der Synodalversammlung blieb noch unberührt, die Frage nach Weiheämtern für Frauen. Handlungstexte dazu sind noch in Arbeit und sollen im nächsten Jahr auf den Tisch kommen. Zur Debatte diesmal stand eine Art Vorbote: ein Orientierungstext mit dem behutsamen Titel von der „Gemeinsamen Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“.
So verstehen die Synodalen ihren Text zur Frage der Partizipation von Frauen auch mehr als einen Beitrag für den weltweiten synodalen Prozess der katholischen Kirche, den Papst Franziskus selbst angestoßen hat. Ein erster, kleiner Schritt in diese Richtung könnte das synodale Dokument werden, mit dem der Predigtdienst auch in sonntäglichen Eucharistiefeiern qualifizierten Laien erlaubt werden soll. Das ist zwar auch dem eklatanten Priestermangel geschuldet, doch wäre fehlendes Personal am Ende ein beschämender Grund. In manchen Gemeinden ist dies ohnehin längst Praxis, die mit der Vorlage jetzt auch legitimiert werden könnte.
Es gab aber auch viel Unversöhnliches, manche Gräben selbst unter den etwa 60 teilnehmenden Bischöfen. Am Ende aber wird für die meisten Reformideen Rom gefragt sein. Wie stark der Vatikan künftig in die Beratungen eingebunden werden kann und mit ihm ein Dialog über die Reformen geführt werden kann – worauf Zdk-vizepräsident Karin Kortmann hinwies –, wird für den Erfolg mitentscheidend sein.
Grund zum überbordenden Optimismus gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind die Signale aus Rom. Zum Abschluss gab es ein Votum aus Rom– von Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller, der zu den Langzeit-kritikern des Synodalen Wegs zählt. Der ehemalige Präfekt der römischen Glaubenskongregation ließ über die Deutsche Presse-agentur seinen Unmut verbreiten: Wer sich auch nur halbwegs auskenne, wisse, „dass es bei diesem Schauspiel vor einer kirchenfremden Öffentlichkeit um die Macht geht und nicht um die Wahrheit des Evangeliums“. Für Unmut sorgte die Abwesenheit einiger Bischöfe bei der morgendlichen Eucharistiefeier. Diese hatten einen eigenen Gottesdienst besucht.
„Wer so Ethik betreiben will, erreicht das Gegenteil“Thomas Söding Bochumer Theologe