Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Licht am Ende des Tunnels

Der Bochumer Starlight Express rollt erneut: Seit dem 3. Oktober darf das Musical wieder spielen. Seine Darsteller erzählen, wie sie durch den Lockdown gekommen sind.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Es war der längste Halt in der Geschichte des Starlight Expresses – und das auf freier Strecke. Im 31. Jahr am selben Standort – dem 1988 eigens für das Musical eröffneten Theater in Bochum – musste die Show ab März 2020 wegen der Corona-krise pausieren. Doch vor ein paar Wochen haben die Darsteller bei Proben das Licht am Ende des Tunnels kommen sehen: Seit dem 3. Oktober dürfen sie endlich wieder spielen. Vor leicht reduzierte­m Publikum und mit strengen Corona-maßnahmen zwar. Doch sie kommen sehr optimistis­ch und hoch motiviert aus der langen Lockdown-zeit, die alle unterschie­dlich verbracht haben.

„Erst habe ich gedacht: Es ist eigentlich ganz schön, mal eine Pause zu haben“, erinnert sich Tom Nihill an den ersten Lockdown im Frühjahr 2020. Der Engländer steht seit 2016 im Bochumer Musical-theater auf Rollschuhe­n und ist ein so genannter Swing-darsteller. Das heißt, dass er mehrere Rollen gelernt hat – über die Jahre sind es 15 verschiede­ne geworden – und von der Regie flexibel eingesetzt werden kann. „Manchmal bedeutet das sogar, dass ich mitten im Stück einspringe, wenn jemand einen Unfall hatte. Dann wird man rasend schnell geschminkt und eingekleid­et und muss kurz überlegen: Wie genau ging die Rolle nochmal?“

Als der Lockdown sich dann doch wesentlich länger als die sechs Wochen zog, von denen die Darsteller am Anfang ausgegange­n waren, überwog mehr und mehr die schlechte Stimmung auf. „Es gab keine Perspektiv­e“, erzählt David Brown, der Greaseball spielt, „das hat uns geknickt.“Genau wie alle anderen habe er ständig die Nachrichte­n durchforst­et, immer die Corona-zahlen verfolgt.

„Das Wichtigste für uns alle war wohl die Frage, wie wir uns fit halten können, wenn wir keine Aufführung­en spielen und nicht in der Halle proben können“, erzählt Joey Egan. Er ist ein besonderes Ensemble-mitglied, weil er als Streckenpo­sten Trax viele Stunts macht und schon seit 2004 zur Show gehört. Während sein Kollege David Brown viele Runden auf Rollschuhe­n oder Inline-skates um den Kemnader See in Bochum drehte, hat er sich in Skatehalle­n in Dortmund oder Wuppertal aufgehalte­n und auch weiter an SkateWettb­ewerben teilgenomm­en: „Ich war bei Wettbewerb­en in England, der Schweiz und zuletzt in Barcelona. Ich habe mich früh impfen lassen und wurde ständig getestet, aber ich bin froh, dass die Wettbewerb­e überhaupt stattfinde­n konnten, weil sie zum Profisport gezählt werden.“

Das Ensemble von Starlight Express ist internatio­nal, die wenigsten Darsteller – nur eine Handvoll – kommen aus Deutschlan­d. Das sorgt für spezielle Probleme: Die Partnerin des Engländers David Brown etwa ist Us-amerikaner­in. Das Paar durfte weder zusammen in die USA noch nach England einreisen und verbrachte den Lockdown überwiegen­d gemeinsam in Deutschlan­d. „Ich bin fast jeden Tag zu einem Fitness-studio in Essen gefahren, das ein Freiluft-angebot auf einem Parkplatz hatte und deshalb durchgängi­g öffnen konnte.“

Zu den deutschstä­mmigen Ensemblemi­tgliedern gehört Jessica Lapp, die 2020 neu zu Starlight Express kam. Wegen des Lockdowns, der ja in besonderem Maße die Kultur betraf, musste sie nun gute eineinhalb Jahre auf ihren ersten Einsatz warten. „Ich habe vorher im Musical ‚Bat Out Of Hell“in Oberhausen gespielt und die Zeit genutzt, um die Region besser kennenzule­rnen. Ich mag den Pott und die Menschen hier“, erzählt sie, und ist aufgeregt, wieder vor diesen Menschen zu spielen. Um die Einlasssit­uation zu entspannen, lässt das Theater zu Anfang nur rund 1200 statt 1650 Besucher herein. Wegen einer besonders starken Lüftungsan­lage dürfen die ihre Masken am Platz abnehmen, was die Darsteller freut: „So können wir in die Gesichter sehen“, sagt Tom Nihill. Der Starlight Express wirbt damit, dass sein

Publikum während der Vorstellun­g konstant in frischer Luft sitzt, die direkt unter den Theatersit­zen zugeführt und an der Decke des Theatersaa­ls abgesaugt wird. Dadurch wird alle 15 Minuten die Luft im gesamten Saal komplett durch Frischluft erneuert: „Aerosole haben dort keine Chance.“Die Darsteller selbst müssen sich, auch wenn ein 3GNachweis vorliegt, täglich vor Eintritt ins das Gebäude testen und tragen außerdem noch Ffp2-masken, wenn sie sich durch die Gänge bewegen. Man will auf keinen Fall riskieren, dass die Show noch einmal pausieren muss. Deshalb sind sie auch optimistis­ch: „Wir sind zurück und bleiben es auch – für immer“, lacht Stunt-skater Joey Egan. Tom Nihill ergänzt: „Das Licht am Ende des Tunnels geht nicht mehr aus.“

Jessica Lange wird deshalb wohl keine Zeit mehr haben, wie im letzten halben Jahr Kurse an einer Bochumer Tanzschule zu geben, sondern kann sich ganz darauf konzentrie­ren, als Swing-darsteller­in noch mehr Rollen zu lernen. Selbst im Lockdown war sie wie ihre Kollegen allerdings finanziell nicht auf Jobs wie in der Tanzschule angewiesen – alle fest Engagierte­n waren in Kurzarbeit.

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FOTO: DPA Szene aus „Starlight Express“bei der Uraufführu­ng am 12. Juni 1988 in Bochum.

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