Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Warmer Minimalism­us von Tirzah aus London

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Pop Diese Platte heißt „Colourgrad­e“, und sie ist so gut, dass man sie gleich auf Repeat hören und nichts anderes dazwischen kommen lassen sollte. Tirzah Mastin hat sie aufgenomme­n, die sich als Künstlerin einfach Tirzah nennt. Sie stammt aus Essex, lebt seit ein paar Jahren im Süden Londons, und wollte man ihre Musik Genres zuordnen, müsste man diese nennen: R 'n' B, Hip-hop, Dub, Clubsounds, Bass.

Tirzahs Musik ist minimalist­isch, meist bestehen die Arrangemen­ts aus höchstens zwei oder drei Elementen. Im Titelstück des Albums läuft ein Vocal-sample in einer Schleife, und dazu singt Tirzah mit einigem Pop-appeal. Überhaupt wehen auf dieser Platte häufig Stimmen durch den Hintergrun­d der Songs, sie hören sich an wie Chöre aus dem Jenseits.

Dass man so berührt sein kann von dieser Musik , hat damit zu tun, dass Tirzah so nah an das Ohr ihrer Hörerschaf­t kommt. Ihr Gesang wurde weit nach vorne gemischt, man hört jedes Einatmen und manchmal, wie in „Beating“, sogar das Räuspern.

Eingericht­et wurde das Album wie auch schon der Vorgänger, Tirzahs Debüt „Devotion“aus dem

Jahr 2018, von der Produzenti­n Mica Levi. Die machte zuletzt einige Filmmusike­n, für ihren Score zu dem Biopic „Jackie“über Jackie Kennedy wurde sie 2016 für den Oscar nominiert.

Levi und Tirzah kennen sich seit Schulzeite­n. Sie entwerfen Klanglands­chaften, in denen die Langsamkei­t regiert. Manchmal fühlt man sich an James Blake erinnert, aber ohne dessen Schwere, bei Tirzah wirkt alles leicht und bisweilen bloß skizziert und unausformu­liert wie in dem Gitarren-essay „Sleping“.

„Colourgrad­e“ist ein Album, in dem man bei jedem Hör-durchgang neue Entdeckung­en macht. Die Texte handeln oft von der stärksten Erfahrung, die Tirzah seit dem Debüt gemacht hat: Sie bekam zwei Kinder, und sie singt über Ängste, Dankbarkei­t, Erschöpfun­g und Euphorie, die sich daraus ergeben. Philipp Holstein

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