Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Boris Johnson verbreitet ungebrochenen Optimismus
LONDON Das erste Jahrestreffen der Torys nach Corona wurde zur Siegesfeier, wenn nicht zum Boris-fest. Es passiert nicht oft bei Parteitagen der Konservativen, aber Parteichef und Premierminister Boris Johnson hatte diesmal keinerlei innerparteiliche Opposition oder womöglich Herausforderer zu fürchten.
Die Versorgungsengpässe in Großbritannien, ausgelöst durch Personalmangel und das Fehlen von rund 100.000 Lkw-fahrern, sieht Johnson als vorübergehendes Problem, das wenig mit dem Brexit zu tun habe. Die Wirtschaft habe Anpassungsschwierigkeiten, diese seien aber bald überwunden. Es gebe keine Krise, unterstrich er gegenüber der BBC, die Probleme seinen verursacht durch eine weltweite wirtschaftliche Erholung, durch das „Aufwachen eines Riesen“.
Der gleiche unbeirrbare Optimismus zeichnete auch Johnsons Grundsatzrede aus, die er zum Abschluss des Parteitages hielt. Er versprach „eine Richtungsänderung, die lange überfällig ist“. Großbritannien habe zu lange ein gescheitertes Wirtschaftsmodell verfolgt, das auf „niedrigen Löhnen, geringem Wachstum, geringen Qualifikationen und niedriger Produktivität“beruhe und das „durch unkontrollierte Einwanderung ermöglicht“wurde. Die Probleme würden nicht „durch den alten Hebel der unkontrollierten Immigration“gelöst – ein Hieb gegen Oppositionsführer Keir
Starmer –, sondern durch Investition in Menschen und Maschinen. Es brauche ein neues Modell für die Volkswirtschaft, eines, das die Einwanderung kontrolliere und „Menschen mit Talent und Fleiß“hereinlasse, aber vom Niedriglohnmodell Abschied nehme. „Wir wollen“, so Johnson, „eine Volkswirtschaft mit hohen Löhnen, hohen Qualifikationen, hoher Produktivität, das die Menschen dieses Landes brauchen und verdienen.“
Das Motto: „Levelling up“, „Nivellierung nach oben“, die Angleichung der Lebensverhältnisse im sozial diversen Königreich. Johnson hat mit dieser Losung bei den Wahlen 2019 dort Unterhaussitze gewinnen können, wo zuvor die Labour-opposition ihre Hochburgen hatte. Zentral für ihn ist ein Stichwort, das er von Labour übernommen hat: „Man findet Talent, Genie, Flair, Fantasie, Enthusisamus überall gleich verteilt in diesem Land, aber Chancengleichheit ist es nicht. Und es ist unsere Mission als Konservative, Chancengleichheit zu fördern mit jedem Werkzeug, das wir haben.“
Wie er dies bewerkstelligen will, blieb vage. Investitionen in Infrastrukturprojekte soll es geben, neue Schnelltrassen für Bahnlinien. Eine Prämie wird für Lehrer ausgelobt, die in Landesteilen unterrichten wollen, die einer Aufwertung am meisten bedürfen. Details blieb Johnson schuldig. Den Delegierten in der Halle machte das wenig aus: Sie feierten ihren Parteichef mit stehenden Ovationen.