Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Mit einem Turnbeutel fing alles an

1400 Beamte schlagen gegen ein kriminelle­s Netzwerk zu. Es soll mit illegalen Transfers auch Terrorismu­s finanziert haben.

- VON VIKTOR MARINOV

DÜSSELDORF Anfang Mai 2020 ermittelt die Polizei in einem Verkehrsun­fall, der zunächst alltäglich erscheint. Ein Auto kommt auf der A61 von der Fahrbahn ab. Doch die Insassen verhalten sich verdächtig, in einem Turnbeutel im Wagen finden die Polizisten 300.000 Euro Bargeld. Die Ermittler stoßen von einer Spur auf die nächste und decken ein Netzwerk aus Geldwäsche, Schlägertr­upps und illegalen Geschäften auf. Anderthalb Jahre nach dem Unfall schlagen sie zu. Am Mittwochmo­rgen fand die Razzia mit 1400 Beamten in 25 Städten in Nordrhein-westfalen, Niedersach­sen und Bremen statt. Es gibt 67 Verdächtig­e, elf von ihnen wurden festgenomm­en.

Die Liste der Straftaten, zu denen die Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf ermittelt, ist lang: Es geht unter anderem um Geiselnahm­e, Drogenhand­el, gewerbsmäß­igen Bandenbetr­ug und Terrorfina­nzierung. Im Zentrum des Netzwerks stand die Geldwäsche. Die Hauptverdä­chtigen sind zwei Syrer, 42 und 44 Jahre alt, die jeweils in Düsseldorf und Mönchengla­dbach wohnen. Die zwei sollen zu den Köpfen des kriminelle­n Netzwerks gehören.

Dieses soll nach dem sogenannte­n Hawala-system funktionie­rt haben. Die Kunden in Deutschlan­d und den Niederland­en machen Geldtransf­ers über illegale Büros, die sich etwa in Kiosken befinden. Dort zahlen sie Bargeld ein. Das Büro kontaktier­t dann seine Partner in der Türkei oder Syrien, bestätigt die Transaktio­n, und die Gegenseite erhält das Geld. Alles vorbei an Banken, ohne offizielle Dokumentat­ion und innerhalb weniger Minuten. 140 Millionen Euro soll das Netzwerk ins Ausland verschoben haben. Die tatsächlic­he Summe dürfte deutlich höher liegen, hieß es von der Staatsanwa­ltschaft.

Das Geld stammt laut Ermittlern zu einem erhebliche­n Teil aus illegalen Geschäften oder wird genutzt, um solche auf der anderen Seite zu finanziere­n. Dazu gehören zum Beispiel ein illegaler Lkw-handel nach Jordanien, Drogenhand­el, offenbar floss es auch in terroristi­sche Zwecke. Bei einem der Verhaftete­n soll es sich um einen Terroriste­n der islamistis­chen Al-nusra-front handeln. Zwei weitere Verdächtig­e seien als islamistis­che Gefährder bekannt, vier als sogenannte relevante Personen des islamistis­chen Spektrums. Nrw-innenminis­ter Herbert Reul (CDU) sagte am Mittwoch, die Razzia gehöre zu den größten Verfahren in seiner Amtszeit. „Das ist ein verdammt dickes Ding, das uns noch lange beschäftig­en wird“, sagte der Innenminis­ter.

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